Samstag, 20. April 2024

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Hilflosigkeit und Frust
Wie Medien beim Umgang mit der Klimakrise helfen können

Die Folgen der Klimakrise können niederschmetternd sein. Viele Menschen vermeiden daher negative Nachrichten. Damit Medien stattdessen bei der Bewältigung der Krise auch unterstützen können, haben Psychologinnen einen Leitfaden entwickelt.

Text: Pia Behme | Lea Dohm im Gespräch mit Sebastian Wellendorf | 01.02.2023
Demonstration während des globalen Klimastreiks mit Papptransparent mit der Aufschrift "Rettet die Erde".
Flutkatastrophen, Dürren, Waldbrände - jeden Tag können wir die Auswirkungen der Klimakrise in Medien verfolgen. Viele Menschen fühlten sich dadurch hilflos oder frustriert, sagt die Psychotherapeutin Lea Dohm. Die Auseinandersetzung mit der Klimakrise führe auch zu Gefühlen wie Angst, Traurigkeit und Wut. 
"Das wiederum kann im schlechtesten Fall dazu führen, dass beispielsweise Nachrichten vermieden werden. Das heißt, die Berichterstattung über die Klimakrise stellt auch den Journalismus vor große Herausforderungen." Medienschaffende müssten sich daher die Frage stellen: "Wie können wir so darüber berichten, dass die Menschen nicht dicht machen, sondern dranbleiben und bestenfalls auch irgendwie einen Beitrag leisten können?”

Psychologischer Ansatz zum Umgang mit der Klimakrise

Dohm ist Mitinitiatorin der "Psychologists and Psychotherapists for Future" (Psy4F), einer Initiative von Psychologinnen, Psychotherapeuten und Studierenden der Psychologie, die die Fridays-for-Future-Bewegung unterstützen.
Der psychologische Ansatz sei wichtig, weil die Klimakrise menschengemacht ist, so Dohm. "Die Psychologie ist die Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten. Das heißt, nur wir Menschen können jetzt auch wieder umsteuern und uns aus der Klimakrise herausbewegen bzw. versuchen, sie so gut wie möglich zu bewältigen. Wie man das machen kann - das ist das, womit sich die Psychologie gut auskennt."
Dass sich Expertinnen und Experten aus der Psychologie zur Berichterstattung äußern, kennt man bisher insbesondere aus der Suizidprävention. Hier wurden Empfehlungen entwickelt, etwa die Hinweise auf Hilfsangebote in Form von Infokästen. Etwas Ähnliches halten die Psychologen und Psychotherapeutinnen von Psy4F bei der Klimaberichterstattung für sinnvoll. Ein Beispiel, das sie anführen:
Der Inhalt dieses Berichts steht mit der menschengemachten Klimakrise in Zusammenhang. Die Auseinandersetzung damit kann belastende Gefühle wie Sorge, Angst, Wut, Trauer und Verzweiflung auslösen. Angesichts der bedrohlichen Lage sind diese Gefühle angemessen und wichtig, um zur Bewältigung der Situation beizutragen. Sie werden von vielen Mitmenschen geteilt. Klimaschutz hat eine gesundheitserhaltende Wirkung und kann wirksam und wohltuend vor allem gemeinsam mit anderen Menschen stattfinden. (Hier können Beispiele und Anlaufstellen genannt werden.)
In einem Leitfaden erläutern sie drei Schritte, mit denen Medien bei der Bewältigung der Klimakrise helfen können.

1. Klimakrise thematisieren und Verbindungen ziehen

Ob Wohnen, Politik, Bildung, Mode - Klima betrifft alle Lebensbereiche und sollte laut Psy4F daher auch Teil der Berichterstattung über diese sein. Journalistinnen und Journalisten sollten wiederholt auf die bestehenden Zusammenhänge zwischen Ereignissen und der Klimakrise hinweisen. "Wir wissen, dass Menschen es besser verarbeiten können, wenn ganz alltagsnah Zusammenhänge gezogen werden", so Lea Dohm.
Beispiel: „Der Wirbelsturm Exempla traf gestern Nachmittag mit 150 Stundenkilometern auf die Küste Exempellandes und richtete verheerende Schäden an. Wirbelstürme nehmen durch die Klimaerwärmung an Stärke zu und führen häufiger zu mehr Niederschlag.“ 
2022 habe sich in der Klimaberichterstattung bereits einiges verbessert, findet die Journalistin Sara Schurmann. Etwa gab es vereinzelt News-Ticker bei den Hitzewellen im Sommer. Der eskalierenden Klimakrise würden Medien aber weiterhin nicht gerecht. "Was wir noch nicht machen, ist, dass wir die Klimakrise als Dimension, als Querschnittsthema wirklich überall da mitdenken und mitberichten, wo sie eine Rolle spielt. Das sorgt dafür, dass sowohl wir als Individuen ausblenden können, wo überall die Verbindungen sind, als auch wir in unserer Gesellschaft", sagte Schurmann im Deutschlandfunk.
Das bedeute nicht, dass jeder Bericht ein Klimabeitrag sein müsse. "Aber es heißt, dass wir praktisch einen Kontext-Absatz brauchen oder manchmal auch nur einen Satz, der solche Verbindungen klarmacht", so Schurmann.

2. Gefühle aufgreifen

Ein weitere Empfehlung des "Psychologists for Future"-Leitfadens: Gefühle würdigen, die möglicherweise auftreten. "Also, dass benannt wird: 'Das hier kann unangenehme Gefühle in Ihnen auslösen - was erstmal verständlich und angemessen ist'." 
Das kann laut Psy4F dabei helfen, dass Menschen ihre eigenen emotionalen Reaktionen reflektieren und Ideen entwickeln, mit ihren Gefühlen konstruktiv umzugehen. 

3. Bewältigung aufzeigen 

Wichtig sei außerdem, dass Journalistinnen und Journalisten erfolgreiche Lösungen aufzeigen. Etwa Berichte über vielversprechende Aktivitäten anderer Menschen oder Hinweise darauf, wo und wie Leserinnen und Leser sich selbst einbringen können. Der psychologische Effekt: "Mut und Zuversicht können gestärkt, Handlungsfähigkeit, Selbstwirksamkeit, Kontrollerleben und Zusammenhalt gefördert werden", heißt es in dem Leitfaden. 

"Charta für Journalismus auf der Höhe des ökologischen Notstands"

In Frankreich gibt es seit September 2022 eine Charta, die die Berichterstattung über den Klimawandel professionalisieren soll. Über 1200 Medienschaffende und Organisationen haben sie unterzeichnet. Auch hier geht es darum, alle gesellschaftlichen Themen auch auf den Aspekt Klimawandel hin zu betrachten und Lösungen darzustellen.
Dazu gehört auch die Sensibilierung für angemessene Bebilderung und Wortwahl. Hitzewellen sollten etwa nicht mehr mit Fotos aus dem Freibad bebildert werden. Medienschaffende sollten bei Sonnenschein nicht unhinterfragt von "schönem Wetter" sprechen.
Laut Umfragen wünscht sich mehr als die Hälfte der Französinnen und Franzosen, dass Medien Umweltthemen mehr Platz einräumen und auch Lösungsvorschläge für die Umweltprobleme ansprechen sollten.