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Klimawandel
Gletscherschmelze nicht mehr aufzuhalten

Auf dem Klimagipfel in Paris wird um das Erreichen des 2-Grad-Ziels gerungen - dabei wäre nicht einmal das genug, um den Klimawandel noch aufzuhalten. Selbst wenn das Klima so bliebe wie jetzt, würden 70 Prozent der Gletscher in den Alpen verschwinden, warnen Wissenschaftler - mit dramatischen Folgen.

Von Georg Ehring | 09.12.2015
    Blick auf das Ödenwinkelkees in der Weißsee Gletscherwelt in den österreichischen Alpen.
    Blick auf das Ödenwinkelkees in der Weißsee Gletscherwelt in den österreichischen Alpen. (dpa/picture alliance/Frank Baumgart)
    Um höchstens zwei Grad soll die Erdatmosphäre sich erwärmen, vielleicht auch nur um eineinhalb Grad - darum geht es beim Klimagipfel in Paris. Anders Levermann beschäftigt sich nicht in erster Linie mit Politik, er erforscht das Eis der Antarktis und er verfolgt die Konferenz: "Mit sehr gemischten Gefühlen. Zum einen finde ich, wenn man hört, was in den Plenarsitzungen besprochen wird, großartig, dass sich zumindest endlich mal wirklich etwas bewegt. Natürlich hat man dann andererseits diese wissenschaftliche Sicht und wundert sich, ob das auch wirklich ausreicht, um diese großen Kipppunkte, die wir jetzt besprochen haben, noch abzuhalten."
    Wenn Anders Levermann zusammen mit anderen Eisforschern die Folgen der Erderwärmung schildert, dann hört es sich schon dramatisch an. Als erstes betroffen sind die Gletscher außerhalb der Polargebiete - für sie ist schon die derzeit erreichte Erwärmung um etwa ein Grad zu viel. Professor Georg Kaser von der Universität Innsbruck rechnet damit, dass ein großer Teil der Gletscher etwa in den Alpen verschwinden wird - und zwar überwiegend noch in diesem Jahrhundert.
    "Wenn Sie heute das Klima festhalten könnten, so wie es in den letzten 30 Jahren war, oder 20 Jahren oder zehn Jahren, dann würden immer noch in den Alpen ungefähr 70 Prozent der Gletscher verschwinden. Die brauchen halt ein bisschen länger, um sich anzupassen."
    "Eine Bedrohung für Lebensräume"
    In den Alpen hat dies Folgen für den Skitourismus, in den Anden Südamerikas und in Südasien hängt die Wasserversorgung von Millionen von Menschen von Gletschern ab - wenn sie versiegen, dann hat das dramatische Folgen für die Betroffenen. Doch aufhalten lässt sich die Gletscherschmelze nicht mehr - dafür müsste es kälter werden.
    Wesentlich langsamer laufen die Prozesse in der Antarktis - doch auch sie sind unaufhaltsam, wenn sie einmal angestoßen sind. In mehreren Regionen am Rande dieses Kontinents, der so groß ist wie Nordamerika, ist der Eisschild vermutlich instabil geworden. Über Jahrhunderte kann allein dadurch der Meeresspiegel um bis zu sechs Meter steigen - Anders Levermann schildert, was das bedeutet:
    "Das ist eine Bedrohung für Lebensräume und natürlich für Gebiete, wo momentan sehr viele Menschen wohnen, weil sie dort leben wollen. Nur: Wenn der Meeresspiegel sich so lange hinzieht, dann kann man da wegziehen. Aber man muss eben auch wegziehen. Und das bedeutet, dass wir diese Gebiete dann aufgeben müssen."
    Arktischer Ozean im Sommer eisfrei?
    Um bis zu 1,50 Meter kann der Meeresspiegel allein in diesem Jahrhundert steigen und das ist erst der Anfang. In der Antarktis ist das Eis in einigen Regionen vier Kilometer dick, ein komplettes Schmelzen ist jedoch nicht wahrscheinlich. Beim Meereis in der Arktis geht es dagegen ums Ganze. Bereits rund 70 Prozent des arktischen Meeres sind im Sommer eisfrei, und es ist nicht sicher, dass künftig in der warmen Jahreszeit überhaupt Meereis in dieser Region übrig bleibt. Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg rechnet damit, "dass bei einer Erwärmung von anderthalb, möglicherweise auch unterhalb von zwei Grad wir arktisches Sommer-Meereis erhalten werden. Bei einer Erwärmung jenseits dieser Werte wird mit sehr sehr hoher Wahrscheinlichkeit der arktische Ozean im Sommer komplett eisfrei sein."
    Und das würde die weltweite Erwärmung noch verstärken. Weil Eis weiß ist, strahlt es viel Sonnenwärme in den Weltraum zurück, flüssiges Wasser dagegen speichert die Wärme und sorgt so für eine Beschleunigung des Treibhauseffekts. Folgen hat die Erderwärmung auch in den Regionen rund um die Arktis. Hier schmilzt der Permafrost, also der ganzjährig gefrorene Boden, er ist ein gewaltiger natürlicher Speicher von Kohlenstoff. Anders Levermann wünscht sich auch deshalb eine schnelle Wende beim Klimaschutz:
    "Diese physikalischen Gesetze gelten und es gibt diese Kipppunkte im Klimasystem. Wir haben jetzt einen gesehen und wir müssen gucken, dass wir nicht noch weitere instabil machen."