
Die EU nimmt ihre Verantwortung beim Kampf gegen den Klimawandel ernst. Bis 2050 will sie klimaneutral sein. Dafür hat sie mit einem umfassenden Maßnahmenpaket, dem Green Deal, die Weichen gestellt. Den Weg dahin sollen Zwischenschritte einfacher machen. Die Mitgliedsstaaten sind sich aber nicht einig.
Inhalt
- Warum legt die EU ein Klimaziel für das Jahr 2040 fest?
- Was hat das Klimaziel 2040 mit dem Pariser Klimaabkommen zu tun?
- Warum hat die EU eine Vorbildrolle bei den Klimazielen?
- Welche Maßnahmen schlägt die EU vor, um das Zwischenziel zu erreichen?
- Wie bewerten EU-Länder und Parlament den Vorschlag der Kommission?
- Welche Rolle spielt Dänemark bei den Verhandlungen zum Klimaziel?
- Was sagen Umweltverbände, Klimawissenschaftler und Unternehmen?
Warum legt die EU ein Klimaziel für das Jahr 2040 fest?
Die EU hat sich im Europäischen Klimagesetz (European Climate Law) 2021 zu Klimaneutralität verpflichtet. Damit dieses Ziel bis 2050 leichter zu erreichen ist, wurden Zwischenschritte festgelegt: Bis 2030 müssen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Was noch fehlt, ist das Zwischenziel für 2040. Die EU-Kommission schlägt vor, bis dahin 90 Prozent der Emissionen zu senken.
Was hat das Klimaziel 2040 mit dem Pariser Klimaabkommen zu tun?
Im Pariser Klimaabkommen haben sich 195 Länder auf der Welt dazu verpflichtet, die globalen Erwärmung auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Alle fünf Jahre sollen nationale Klimaziele und entsprechende Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Die nationalen Ziele für 2035 müssen spätestens bis Ende September bei den UN eingereicht werden.
Die EU will ihr Ziel von ihrem eigenen Klimaziel für 2040 ableiten. Es wäre dann höher gesteckt, als wenn sie es linear von ihren aktuellen Zielen ableiten würde. Ein hochgestecktes Klimaziel ist für die EU wichtig, um eine führende Rolle bei den Klimaverhandlungen auf der UN-Klimakonferenz COP30 in diesem Jahr in Brasilien einnehmen zu können.
Warum hat die EU eine Vorbildrolle bei den Klimazielen?
Die EU hat sich in den vergangenen Jahren auf der Klimakonferenz als Vorreiter präsentiert. Die Logik dahinter: Wenn die EU mit ambitionierten Klimazielen vorangeht, werden andere Länder wie China nachziehen. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra appelliert an andere Länder, bei den Klimazielen nachzuziehen: „Die EU wird mehr für den Klimaschutz tun. Es bedarf der Führungsstärke anderer, sich unseren Zielen anzuschließen.“
Will die EU auch bei der diesjährigen Klimakonferenz in Brasilien mitsprechen, brauche sie ein ambitioniertes Klimaziel für 2035, erklärt unter anderem Jens Mattias Clausen vom dänischen Think Tank Concito. Ana Toni, CEO der brasilianischen Klimakonferenz, betont, die Ambitionen der EU seien eine Garantie für die Stabilität in der Klimadiplomatie. Das liegt auch daran, dass die USA unter Donald Trump angekündigt haben, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen – somit fehlt ein großes Industrieland zum Erreichen der globalen Klimaziele. „Alle Augen sind nun auf China und der EU“, sagt Linda Kalcher, Geschäftsführerin des Brüsseler Think Tank Strategic Perspectives.
Welche Maßnahmen schlägt die EU vor, um das Zwischenziel zu erreichen?
Die EU-Kommission schlägt in drei Bereichen mehr Spielraum vor, um das Klimaziel 2040 erreichbarer zu machen.
Zum einen sollen sich EU-Länder ab 2036 für drei Prozent ihrer Emissionen Klimazertifikate aus dem Ausland anrechnen lassen können. Klimazertifikate waren in der Vergangenheit umstritten, weil sie als betrugsanfällig galten oder die Emissionsreduzierung mehrmals verbucht wurde. Neue Kriterien unter dem Pariser Klimaabkommen sollen das verhindern.
Bisher wurde für jeden Bereich wie Verkehr, Industrie, Landwirtschaft oder Energie einzeln festgelegt, wie viele Emissionen eingespart werden müssen. Künftig will die EU-Kommission erlauben, Emissionen aus den verschiedenen Bereichen gegenzurechnen – wenn zum Beispiel im Energiesektor mehr eingespart wird als nötig, im Verkehrssektor aber noch zu wenig. Die Gesamtbilanz muss künftig stimmen.
Außerdem will die EU-Kommission CO2-Entnahmen in den Emissionshandel aufnehmen; dabei wird Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre entfernt und gespeichert, damit es nicht zur weiteren Erderwärmung beitragen kann.
Wie bewerten EU-Länder und Parlament den Vorschlag der Kommission?
Schon vor der Veröffentlichung des Vorschlages waren viele EU-Länder skeptisch – die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag mehrfach verschoben, um einen möglichst großen Konsens herzustellen. Doch die 27 EU-Länder blicken immer noch sehr unterschiedlich auf das Klimaziel 2040.
Einige mahnen, das Klimaziel müsse zum europäischen Ziel der Wettbewerbsfähigkeit passen und dürfte die Wirtschaft dementsprechend nicht zu sehr belasten.
Andere stellen das Klimaziel grundsätzlich infrage, weil ihnen die Unterstützung der Bevölkerung fehlt. So heißt es in Polen, das Land sei noch nicht bereit für den Plan. Auch Tschechien will sich lieber auf die Umsetzung der bereits vereinbarten Ziele konzentrieren, statt neue festzulegen. In Tschechien finden im Oktober Parlamentswahlen statt. Dort erlebt gerade die populistische Autofahrer-Partei einen Aufschwung.
Zu den deutlicheren Unterstützern des Kommissionsvorschlages zählt Schweden. Man gehe offensiv in die Verhandlungen, das Klimaziel 2035 sei die wichtigste Aufgabe für die EU.
Auch Deutschland stellt sich hinter den Kommissionsvorschlag. Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich bereits in ihrem Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, internationale Klimazertifikate auf die Treibhausgasreduzierung in Deutschland anzurechnen.
Bewertung der Parteien: ambitioniert bis "Dummheit"
Im Europäischen Parlament ist der tschechische Abgeordnete Ondřej Knotek dafür zuständig, einen Konsens für das Klimaziel 2040 zu erarbeiten und anschließend mit den Mitgliedstaaten zu verhandeln. Knotek gehört zur Rechtsaußenfraktion PfE, den selbst ernannten Patrioten für Europa. Er hat deutlich gemacht, das Ziel ablehnen zu wollen. Einfach dürfte die Debatte im Europäischen Parlament also nicht werden.
Aus Sicht der CDU-Europaabgeordneten ist der Kommissionsvorschlag ambitioniert – der Spielraum bei internationalen Klimazertifikaten mache ihn aber realistischer. Die sozialdemokratische Fraktion sowie die Liberalen sind hingegen besorgt. Die Zertifikate würden Investitionen von der europäischen Industrie ins Ausland umleiten.
Die europäischen Grünen teilen diese Befürchtung und sprechen von einer „wirtschaftlichen Dummheit“. Die Europäischen Konservativen und Reformer, eine Rechtsaußen-Fraktion im Parlament, warnt, die Klimaziele könnten der europäischen Wettbewerbsfähigkeit schaden.
Welche Rolle spielt Dänemark bei den Verhandlungen zum Klimaziel?
Dänemark hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne und will die Gespräche zügig vorantreiben. Immerhin ist die grüne Transformation eine Priorität für die Präsidentschaft des Landes bis Ende Dezember.
Für den 18. September hat Dänemark einen Sonder-Umweltrat angesetzt, um das Klimaziel für 2035 zu beschließen – rechtzeitig zur Deadline für die Klimakonferenz COP30 und die UN-Vollversammlung.
Was sagen Umweltverbände, Klimawissenschaftler und Unternehmen?
Der wissenschaftliche Klimabeirat der EU hatte bereits 2023 eine Treibhausgasverringerung von 90 bis 95 Prozent vorgeschlagen – und die Forderung kurz vor dem Vorschlag der Kommission wiederholt. Außerdem hat sich der Beirat bereits zuvor gegen internationale Emissionsgutschriften ausgesprochen. Das verzögere nur den Klimaschutz und führe dazu, dass im Ausland statt in der EU investiert werde.
Das Europäische Umweltbüro (EEB ), ein Dachverband europäischer Umweltverbände, hebt positiv hervor, dass die EU mit dem Emissionsreduktionsziel von 90 Prozent ihren Kurs hält. Allerdings stelle die Anrechnung internationaler Zertifikate die Glaubwürdigkeit des Klimaziels infrage. Die EU solle sich stattdessen auf Maßnahmen in den Mitgliedsstaaten konzentrieren und Klimaschutzmaßnahmen sozialverträglich sowie ökologisch ausrichten.
Unternehmen ohne einheitliche Linie
Im Mai hatten sich über 150 Unternehmen in einem Brief an die EU-Kommission, das Parlament und die Mitgliedstaaten gewandt. Sie forderten ein Klimaziel von mindestens 90 Prozent Emissionsreduzierung. Das Ziel spiegele die Dringlichkeit kurzfristiger Maßnahmen wider. Außerdem verbessere die Dekarbonisierung die Wettbewerbssicherheit langfristig, anstatt ihr zu schaden. Zu den Unterzeichnern gehören SAP, die Henkel AG, Unilever oder H&M.
Der Verband der Automobilindustrie (VDA ) sieht den Vorschlag der Kommission kritisch. Es sei nicht erkennbar, wie das Klimaziel erreicht werden soll. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI ) fordert bessere Rahmenbedingungen für Investitionen in der EU, um die Klimaziele erreichen zu können.