Umwelt
Ziele für 2035 und 2040: Bleibt die EU Vorreiter beim Klimaschutz?

Die EU-Umweltminister haben sich beim Klimaziel für 2035 nur auf eine Absichtserklärung geeinigt. Eine verbindliche Vorgabe für 2040 fehlt weiter. Dabei drängt die Zeit. Noch vor der Weltklimakonferenz im November sollte Europa Antworten liefern.

Von Annabell Brockhues |
    Mehrere große Windkraftanlagen stehen auf einem Feld. Im Vordergrund liegen Rotorblätter auf dem Boden, die für den Bau neuer Windräder vorbereitet werden. Über den Anlagen ziehen dichte Wolken am Himmel.
    Bau von Windkraftanlagen im Rheinischen Braunkohlerevier: Erneuerbare Energien spielen eine Schlüsselrolle für die EU-Klimaziele. (picture alliance / Jochen Tack)
    Die EU will bis 2050 klimaneutral sein. Dafür hat sie mit einem umfassenden Maßnahmenpaket, den Green Deal, die Weichen gestellt.
    Am 18. September 2025 einigten sich die EU-Umweltminister in Brüssel allerdings nur auf einen Minimalkompromiss: eine Absichtserklärung für 2035. Demnach sollen die Emissionen bis dahin um 66 bis 72,5 Prozent gegenüber 1990 sinken. Ein verbindliches Ziel für 2040 scheiterte am Widerstand mehrerer Mitgliedsstaaten. Nun liegt der Ball bei den Staats- und Regierungschefs, die im Oktober weiterverhandeln sollen.

    Inhalt

    Warum legt die EU ein Klimaziel für das Jahr 2040 fest?

    Die EU hat sich im Europäischen Klimagesetz (European Climate Law) 2021 zu Klimaneutralität verpflichtet. Damit dieses Ziel bis 2050 leichter zu erreichen ist, wurden Zwischenschritte festgelegt: Bis 2030 müssen die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden. Was noch fehlt, ist das Zwischenziel für 2040. Die EU-Kommission schlägt vor, die Emissionen bis dahin um 90 Prozent zu verringern.

    Was hat das Klimaziel 2040 mit dem Pariser Klimaabkommen zu tun?

    Im Pariser Klimaabkommen haben sich 195 Länder dazu verpflichtet, die globale Erwärmung auf „deutlich unter“ zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
    Alle fünf Jahre sollen nationale Klimaziele und entsprechende Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Die nationalen Ziele für 2035 sollen spätestens bis Ende September 2025 bei den Vereinten Nationen eingereicht werden.
    Ein hochgestecktes Klimaziel ist für die EU wichtig, um eine führende Rolle bei den Klimaverhandlungen auf der UN-Klimakonferenz COP30 in diesem Jahr in Brasilien einnehmen zu können.

    Warum hat die EU eine Vorbildrolle bei den Klimazielen?

    Die EU hat sich in den vergangenen Jahren auf der Klimakonferenz als Vorreiter präsentiert. Die Logik dahinter: Wenn die EU mit ambitionierten Klimazielen vorangeht, werden andere Länder wie China nachziehen. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra appelliert: „Die EU wird mehr für den Klimaschutz tun. Es bedarf der Führungsstärke anderer, sich unseren Zielen anzuschließen.“
    Ana Toni, CEO der brasilianischen Klimakonferenz, betont, die Ambitionen der EU seien eine Garantie für die Stabilität in der Klimadiplomatie. Das liegt auch daran, dass die USA unter Donald Trump angekündigt haben, das Pariser Klimaabkommen zu verlassen – somit fehlt ein großes Industrieland zum Erreichen der globalen Klimaziele.

    Welche Maßnahmen schlägt die EU vor, um das Ziel für 2040 zu erreichen?

    Die EU-Kommission schlägt in drei Bereichen mehr Spielraum vor, um das Klimaziel 2040 erreichbarer zu machen.
    Zum einen sollen sich EU-Länder ab 2036 für drei Prozent ihrer Emissionen Klimazertifikate aus dem Ausland anrechnen lassen können. Klimazertifikate waren in der Vergangenheit umstritten, weil sie als betrugsanfällig galten oder die Emissionsreduzierung mehrmals verbucht wurde. Neue Kriterien unter dem Pariser Klimaabkommen sollen das verhindern.

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    Bisher wurde für jeden Bereich wie Verkehr, Industrie, Landwirtschaft oder Energie einzeln festgelegt, wie viele Emissionen eingespart werden müssen. Künftig will die EU-Kommission erlauben, Emissionen aus den verschiedenen Bereichen gegenzurechnen – wenn zum Beispiel im Energiesektor mehr eingespart wird als nötig, im Verkehrssektor aber noch zu wenig. Die Gesamtbilanz muss künftig stimmen.
    Außerdem will die EU-Kommission CO2-Entnahmen in den Emissionshandel aufnehmen; dabei wird Kohlendioxid aktiv aus der Atmosphäre entfernt und gespeichert, damit es nicht zur weiteren Erderwärmung beitragen kann.

    Wie bewerten EU-Länder und Parlament den Vorschlag der Kommission?

    Schon vor der Veröffentlichung des Vorschlages waren viele EU-Länder skeptisch – die EU-Kommission hatte ihren Vorschlag mehrfach verschoben, um einen möglichst großen Konsens herzustellen. Doch die 27 EU-Länder blicken immer noch sehr unterschiedlich auf das Klimaziel 2040. Einige mahnen, das Klimaziel müsse zur Wettbewerbsfähigkeit passen und dürfte die Wirtschaft dementsprechend nicht zu sehr belasten.
    Andere stellen das Klimaziel grundsätzlich infrage, weil ihnen die Unterstützung der Bevölkerung fehlt. So heißt es in Polen, das Land sei noch nicht bereit für den Plan. Auch Tschechien will sich lieber auf die Umsetzung der bereits vereinbarten Ziele konzentrieren, statt neue festzulegen. In Tschechien finden im Oktober Parlamentswahlen statt. Dort erlebt gerade die populistische Autofahrer-Partei einen Aufschwung.
    Zu den Unterstützern des Kommissionsvorschlages zählt unter anderem Schweden. Man gehe offensiv in die Verhandlungen, das Klimaziel 2035 sei die wichtigste Aufgabe für die EU. Auch Deutschland stellt sich hinter den Kommissionsvorschlag. Die schwarz-rote Bundesregierung hat sich bereits in ihrem Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen, internationale Klimazertifikate auf die Treibhausgasreduzierung in Deutschland anzurechnen.

    Bewertung der Parteien: ambitioniert bis "Dummheit"

    Im Europäischen Parlament ist der tschechische Abgeordnete Ondřej Knotek dafür zuständig, einen Konsens für das Klimaziel 2040 zu erarbeiten und anschließend mit den Mitgliedstaaten zu verhandeln. Knotek gehört zur Rechtsaußenfraktion PfE, den selbst ernannten Patrioten für Europa. Er hat deutlich gemacht, das Ziel ablehnen zu wollen. Einfach dürfte die Debatte im Europäischen Parlament also nicht werden.
    Aus Sicht der CDU-Europaabgeordneten ist der Kommissionsvorschlag ambitioniert – der Spielraum bei internationalen Klimazertifikaten mache ihn aber realistischer. Die sozialdemokratische Fraktion sowie die Liberalen sind hingegen besorgt. Die Zertifikate würden Investitionen von der europäischen Industrie ins Ausland umleiten, heißt es.
    Die europäischen Grünen teilen diese Befürchtung und sprechen von einer „wirtschaftlichen Dummheit“. Die Europäischen Konservativen und Reformer, eine Rechtsaußen-Fraktion im Parlament, warnt, die Klimaziele könnten der europäischen Wettbewerbsfähigkeit schaden.

    Welche Rolle spielt Dänemark bei den Klimaziel-Verhandlungen?

    Dänemark hat derzeit den EU-Ratsvorsitz inne und will die Gespräche zügig vorantreiben. Das Land hat die grüne Transformation zur Priorität für seine Präsidentschaft bis Ende Dezember erklärt.
    Für den 18. September setzte Dänemark einen Sonder-Umweltrat an – mit dem Ziel, noch vor der UN-Generalversammlung und der Klimakonferenz COP30 ein Signal zu senden. Allerdings einigten sich die EU-Länder nur auf eine Absichtserklärung mit einem Zielkorridor: Sie wollen ihre Emissionen demnach bis 2035 zwischen 66,25 Prozent und 72,5 Prozent im Vergleich zu 1990 senken.
    Der dänische Umweltminister Magnus Heunicke fand dennoch, es sei sehr positiv, dass die EU im Konsens die Richtung vorgegeben habe. Linda Kalcher von der Brüsseler Denkfabrik Strategic Perspectives bezeichnet es hingegen als „peinlich“, dass die EU die UN-Frist verpasst. Die Absichtserklärung sei nur ein hart erkämpfter Trostpreis. Die Aufgabe müsse nun sein, das 2040-Ziel vor der Weltklimakonferenz im November zu verabschieden.

    Was sagen Umweltverbände, Klimawissenschaftler und Unternehmen?

    Der wissenschaftliche Klimabeirat der EU hatte bereits 2023 eine Treibhausgasverringerung von 90 bis 95 Prozent vorgeschlagen – und die Forderung kurz vor dem Vorschlag der Kommission wiederholt. Außerdem hatte sich der Beirat bereits zuvor gegen internationale Emissionsgutschriften ausgesprochen. Das verzögere nur den Klimaschutz und führe dazu, dass im Ausland statt in der EU investiert werde.
    Das Europäische Umweltbüro (EEB ), ein Dachverband europäischer Umweltverbände, hebt positiv hervor, dass die EU mit dem Emissionsreduktionsziel von 90 Prozent ihren Kurs hält. Allerdings stelle die Anrechnung internationaler Zertifikate die Glaubwürdigkeit des Klimaziels infrage. Die EU solle sich stattdessen auf Maßnahmen in den Mitgliedsstaaten konzentrieren und Klimaschutzmaßnahmen sozialverträglich sowie ökologisch ausrichten.

    Unternehmen ohne einheitliche Linie

    Im Mai hatten sich über 150 Unternehmen in einem Brief an die EU-Kommission, das Parlament und die Mitgliedstaaten gewandt. Die Forderung: mindestens 90 Prozent weniger Emissionen. Ein solches Ziel spiegele die Dringlichkeit kurzfristiger Maßnahmen wider. Außerdem verbessere die Dekarbonisierung die Wettbewerbssicherheit langfristig, anstatt ihr zu schaden. Zu den Unterzeichnern gehören SAP, die Henkel AG, Unilever oder H&M.
    Der Verband der Automobilindustrie (VDA ) sieht den Vorschlag der Kommission hingegen kritisch. Es sei nicht erkennbar, wie das Klimaziel erreicht werden soll. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI ) fordert zudem bessere Rahmenbedingungen für Investitionen in der EU, um die Klimaziele erreichen zu können.