Kommentar zur Aufnahmezusage
Zu spät, aber richtig

Nach langem Zögern hat die Bundesregierung das Aufnahmeprogramm für Afghaninnen und Afghanen wieder aufgenommen – ein überfälliger Schritt. Doch über 2000 Personen harren weiterhin in Pakistan aus und sind dort massiven Gefahren ausgesetzt.

Ein Kommentar von Luise Sammann |
Ein Mann und eine Frau umarmen sich am Flughafen Hannover-Langenhagen. Sie gehören zu einer Gruppe von Menschen aus Afghanistan, die mit deutscher Aufnahmezusage angekommen sind.
Menschen aus Afghanistan mit Aufnahmezusage nach ihrer Landung in Hannover – doch Tausende warten weiter in Pakistan auf ihre Ausreise. (picture alliance / dpa / Moritz Frankenberg)
Die etwa 50 Afghaninnen und Afghanen, die am Montag nach monatelanger Wartezeit in Deutschland gelandet sind, haben es geschafft. Sie sind vorläufig in Sicherheit. Endlich. Mehr als 2000 weitere Personen hingegen müssen noch immer in Pakistan ausharren. Und das obwohl Deutschland auch ihnen Schutz zugesagt hatte, weil sie vor der Machtübernahme der Taliban etwa als Ortskräfte oder Übersetzerinnen für deutsche Organisationen gearbeitet hatten.

Festnahmen und Abschiebungen in Pakistan

Seit Jahren schon zögert Berlin ihre Aufnahme nun hinaus – und brachte sie damit zuletzt in akute Lebensgefahr. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes nahmen die pakistanischen Behörden in den vergangenen Wochen etwa 450 Menschen mit Aufnahmezusage fest, schoben mehr als 200 von ihnen nach Afghanistan ab. Dort droht ihnen die neuerliche Verhaftung, Folter oder gar Todesstrafe. Viele leben mit ihren Familien seit Jahren auf der Flucht, klammern sich verzweifelt an die Hoffnung, dass Deutschland sie eines Tages wie versprochen aufnehmen wird.
Immerhin ist das nun zumindest theoretisch wieder möglich: Die Bundesregierung hat das kurz nach ihrem Amtsantritt ausgesetzte Bundesaufnahmeprogramm reaktiviert. Das ist richtig so. Denn mehrere Verwaltungsgerichte haben in den vergangenen Monaten klar gemacht, dass Deutschland nicht nur eine moralische, sondern auch eine rechtliche Verpflichtung hat, seine Versprechen einzuhalten.

Legale Migration statt gefährlicher Fluchtrouten

Doch auch unabhängig von den aktuellen Fällen ist die Wiederaufnahme der Programme richtig. Migrationsforscher fordern immer wieder: Illegale Fluchtrouten, wie die über das Mittelmeer, müssen bestmöglich unterbunden werden – gleichzeitig aber braucht es legale Wege für eine gesteuerte Zuwanderung. Wege, wie die humanitären Aufnahmeprogramme eben; aber auch den Familiennachzug oder das UN-Resettlementprogramm, das es anerkannten Flüchtlingen ermöglicht, in einen aufnahmebereiten Staat einzureisen. 
Lange waren dies die einzigen Möglichkeiten für Schutzsuchende, um sicher und legal nach Deutschland zu kommen. Auch erlaubten sie den Behörden vorab zu kontrollieren, wer kommt und wie die Aufnahme bestmöglich gestaltet werden kann. Win-Win also.
Dennoch hat die schwarz-rote Koalition ausgerechnet diese Wege kurz nach ihrem Amtsantritt gekappt. Trotz anfänglichen Widerstands einiger SPD-Politiker. In ihrem Eifer der AfD vorzugreifen und die Zahl der Menschen, die in Deutschland Schutz suchen, um jeden Preis zu senken, stellte sich die Regierung damit selbst ein Bein. Denn wer die legalen Fluchtwege nach Europa schließt, anstatt sie auszubauen, treibt Menschen, die häufig nichts mehr zu verlieren haben, in die Arme von Schleuserbanden und gibt das letzte bisschen Kontrolle aus der Hand, welches die Migrationsprogramme bieten. Ein politischer Irrweg – wie nun hoffentlich auch die Regierung Merz zu begreifen beginnt.
Der Schritt, die mit deutscher Zusage in Pakistan festsitzenden Afghanen doch aufzunehmen, kommt spät – aber er geht in die richtige Richtung.