Freitag, 26. April 2024

Kommentar zu Biden und Netanjahu
USA und Israel: Viel Druck, wenig Erfolg

Die USA und Israel sind seit Langem Verbündete. Doch schon seit geraumer Zeit hat US-Präsident Biden so seine Probleme mit Israels Premier Netanjahu. Dessen Sturheit habe etwas von Wahlhilfe für Donald Trump, meint Doris Simon.

Ein Kommentar von Doris Simon | 19.03.2024
US-Präsident Joe Biden wird von Israels Premier Benjamin Netanjahu auf dem Ben Gurion International Airport begrüßt.
Schwieriges Verhältnis: Israels Premier Benjamin Netanjahu und US-Präsident Joe Biden, hier auf dem Ben Gurion International Airport. (picture alliance / AP / Evan Vucci)
„Ich sag Dir, hör auf damit. Hör endlich auf damit. Und tu, was Du seit Monaten tun müsstest.“ Übersetzt man das polierte Diplomaten-Sprech der offiziellen Mitteilung über das letzte Telefonat zwischen US-Präsident Biden und Israels Premierminister Netanjahu in normales Deutsch, dann war das in etwa Bidens Aufforderung: keine willkürlichen Bombardements mehr und schon gar keine israelische Bodenoffensive in Rafah. Und endlich breiter Zugang für Hilfslieferungen, um die Not der Menschen im Kriegsgebiet zu lindern.
Es mag stimmen oder nicht, dass der US-Präsident nicht laut geworden ist in dem Gespräch. Fest steht: Joe Biden ist äußerst besorgt und ungehalten darüber, wie wurstig Benjamin Netanjahu die Bedenken und Bitten von Israels wichtigstem Verbündeten ignoriert.
Nicht erst seit gestern. Dem Weißen Haus ist seit Monaten bekannt, dass Israel in Gaza auch Ziele angreift, die nicht in die Kategorie „militärisch legitim“ fallen. Und ebenfalls seit Monaten wird in Washington kritisiert, es gebe keinen Plan, wie das israelische Militär Hamas besiegen könne. Schon gar keinen, der mit der US-Regierung besprochen worden sei. Es ist und bleibt ein Dauer-Thema in vielen Biden-Netanjahu-Gesprächen.

Biden erlebt die Grenzen seiner Verhandlungstechnik

Doch der US-Präsident, ein lebenslanger enger Freund Israels, erlebt mit Benjamin Netanjahu die Grenzen seiner typischen Biden-Verhandlungstechnik: Unter Verbündeten nach außen kein böses Wort, egal, wie groß der Ärger ist, dafür Klartext im direkten Gespräch. Die Methode funktioniert nicht bei Israels Premier. Der dürfte nicht vergessen haben, dass Joe Biden ihn letztes Jahr in der diplomatischen Warteschleife hängen ließ, wegen seines Versuchs, den Rechtsstaat in Israel auszuhöhlen.
Die Weigerung Netanjahus über Monate, auf die Bedenken und Forderungen der US-Regierung einzugehen, hat die Autorität der Vereinigten Staaten beschädigt. Das ist ein Problem für den US-Präsidenten.
Netanjahus Sturheit im Angesicht eines Krieges ist aber auch ein Problem für den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden: Eine kleine, zunehmende Minderheit in den USA lässt keinen Zweifel daran, dass sie von Biden mehr erwartet, Druck auf Israels Regierung, spürbare Hilfe für die Menschen in Gaza und einen Waffenstillstand. Die ersten US-Senatoren unterstützen Forderungen, Washingtons Milliarden für Israel mit Bedingungen zu verknüpfen. All das sind nicht die Auslöser von Joe Bidens Druck auf Netanjahu, aber zweifellos Verstärker.
Dass beide nun vereinbart haben, ihre Teams demnächst in Washington über das weitere Vorgehen beraten zu lassen, ist für den US-Präsidenten ein kleiner Erfolg. Ohne Garantie, dass dies den Menschen in Gaza hilft und unzufriedene demokratische Wähler einfängt.
Israels Premierminister würde es sicher nicht stören, wenn Joe Biden die Wahl im November verliert. Netanjahus Sturheit hat etwas von Wahlhilfe für Donald Trump. Selbst wenn der israelische Premier vollauf damit beschäftigt ist, sein eigenes politisches Überleben zu sichern.
Porträt: Doris Simon
Porträt: Doris Simon
Doris Simon, geboren 1964 in Bonn, ist Deutschlandradio-Korrespondentin für die USA und Kanada. Nach ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München und einem Studium der Geschichte, Politik und Kommunikation arbeitete sie als freie Journalistin für Fernsehen und Hörfunk in Bonn und Berlin. Für RIAS Berlin und später Deutschlandradio berichtete sie als Korrespondentin aus Bonn und Brüssel, sie hat als CvD und in der Programmdirektion im Deutschlandfunk gearbeitet und war viele Jahre Moderatorin und Redakteurin der "Informationen am Morgen".