Kommentar zum Ukrainekrieg
Der Sieger sitzt in Peking

Im vierten Jahr von Putins Krieg in der Ukraine wächst Russlands Abhängigkeit von China. Xi Jinping profitiert – mit günstigeren Rohstoffen, wachsendem geopolitischen Einfluss und der Rolle des neutralen Akteurs.

Ein Kommentar von Julian Hans |
Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und Chinas Staatspräsident Xi Jinping geben sich vor ihrem Treffen in der Großen Halle des Volkes in Peking die Hand.
Wladimir Putin (l.) und Xi Jinping beim Treffen in der Großen Halle des Volkes in Peking. (picture alliance / Associated Press/ Sergei Bobylev)
Im vierten Jahr des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zeichnet sich langsam ein klarer Gewinner ab – und der sitzt in Peking. Während in der Ukraine ganze Landstriche verwüstet werden, während Wladimir Putin hunderttausende Männer in den Tod schickt und seine Wirtschaft ruiniert, während die europäische Sicherheitsordnung zerbröselt und das transatlantische Bündnis wankt, kann Chinas Herrscher Xi Jinping in Ruhe die Ernte einfahren.
Auf dem Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit haben Xi und Putin ein weiteres Mal innige Freundschaft zueinander und feste Entschlossenheit in der Konfrontation mit dem Westen demonstriert. Aber es sind unterschiedliche Bedürfnisse, die die beiden zusammenführen: Russland braucht Verbündete. China braucht Rohstoffe und Absatzmärkte. Putin kommt in dieser Situation als Bittsteller – und Xi ist klug genug, ihn dabei nicht öffentlich vorzuführen. 

Moskaus Abhängigkeit von China wächst

Peking profitiert von diesem Gefälle sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Seit der Gasexport nach Europa beinahe zum Erliegen gekommen ist, drängte Moskau darauf, eine zweite Pipeline nach China zu bauen. Peking zierte sich lange; man hätte das Gas gern zu russischen Inlandspreisen abgenommen und die Kosten für den Bau der Röhre den Russen überlassen. Zum Gipfeltreffen in Peking verkündet Gazprom jetzt, man habe sich geeinigt. Zu welchem Preis, ist unklar. Und bis die Exporte nach China auch nur die Hälfte des Volumens erreichen, das vor der russischen Vollinvasion nach Europa strömte, werden noch Jahre vergehen.
Russlands Abhängigkeit von seinem östlichen Nachbarn wächst auch aufgrund der Sanktionen. Die Rüstungsindustrie braucht chinesische Chips und Technologien für die Produktion von Raketen und Marschflugkörpern. Und Russlands Außenhandeln wickelt mehr und mehr Geschäfte in Yuan ab. Bereits bei Xis Moskau-Besuch im Mai hatten beide Länder eine engere Zusammenarbeit im Banken-Sektor vereinbart.
Die Kooperation mit Russland stärkt außerdem Chinas Position als globaler Gegenspieler der USA, ohne selbst allzu direkt in die Konfrontation gehen zu müssen. Xi kann Moskau als geopolitischen Hebel benutzen, und sich gleichzeitig selbst als neutraler Akteur inszenieren. In dieser Rolle wird der chinesische Präsident zum begehrten Partner von Staaten, die sich von Donald Trumps Hau-Ruck-Politik verunsichert und vor den Kopf gestoßen fühlen. Der Auftritt von Indiens Premierminister Modi hat das veranschaulicht nach den verhängten US-Zöllen gegen Indien.
In der globalen Verunsicherung, die Putin und Trump jeder auf seine Weise hervorgerufen haben, rücken andere Staaten enger zusammen: Die Demokraten in Europa, die Autokraten in Peking.