Mittwoch, 17. April 2024

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Konsumklima stützt Konjunktur
"Regierung muss Einbruch am Arbeitsmarkt verhindern"

Trotz Rezessionsangst bleiben die Deutschen in Kauflaune. Das zeigt der Konsumklimaindex des Marktforschungsinstituts GfK. Die robuste Binnennachfrage erweist sich als Stütze der schwächelnden Wirtschaft. Wie lange, hänge von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab, sagte GfK-Experte Rolf Bürkl im Dlf.

Rolf Bürkl im Gespräch mit Silke Hahne | 28.08.2019
Menschenmenge in einer Kölner Fußgängerzone
Nicht nur in der Kölner Fußgängerzone sind die Deutschen nach wie vor in Shopping-Laune. (imago stock&people)
Silke Hahne: Inwiefern spiegelt das Konsumklima die konjunkturelle Lage insgesamt wieder?
Rolf Bürkl: Das Konsumklima hält sich im Vergleich zur gesamten konjunkturellen Lage immer noch überdurchschnittlich gut. Wir sehen ja vor allem bei den Konjunkturerwartungen der Verbraucher schon seit eineinhalb Jahren einen Rückgang des Indikators, und das belegt, dass eigentlich die Angst vor einer Rezession auch bei den Verbrauchern zuletzt doch spürbar angestiegen ist.
Ein Mann packt in einem Supermarkt in Flensburg Obst in einen Plastikbeutel 
Klimakonsum-Index: Gemischte Stimmung bei den Verbrauchern
Dass Deutschland von seinen Exporten abhängig ist, ist allgemein bekannt. Die Stimmung der deutschen Verbraucher ist aber auch wichtig, denn über 55 Prozent des Bruttoinlandproduktes beruht auf privatem Konsum.
Hahne: Sie haben die Konjunkturerwartungen angesprochen. Die haben ja besonders deutlich gelitten im August. Der Konjunktur setzen laut Ökonomen Faktoren von außen zu: der Brexit und der Handelskonflikt sind da die Stichworte. Jetzt mal salopp gesagt: Was juckt das eigentlich die Verbraucherinnen und Verbraucher?
Bürkl: Das Thema Handelskonflikt juckt natürlich in erster Linie die Beschäftigten, die in der exportorientierten Industrie tätig sind. Die sind natürlich bei diesem Thema sehr sensibel. Deutschland ist darauf angewiesen, dass der Handel möglichst frei und ungehindert funktionieren kann. Darauf beruht ja auch ein wesentlicher Teil des Wohlstandes der letzten Jahre und Jahrzehnte. Wegen der Schwächephase bei den Exporten sind die Konjunkturaussichten ja zuletzt auch so stark zurückgegangen. China ist zurzeit etwas rückläufig, was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft. Das heißt, hier kann man nicht mehr so viel exportieren. Von daher ist es schon etwas schwieriger geworden. Das betrifft sehr wohl vor allem die Beschäftigten, die in diesen Industrien und deren Zulieferern tätig sind. Paradebeispiel ist die Automobilindustrie, aber auch der Maschinenbau und die Chemieindustrie zum Beispiel.
Hahne: Sind das auch die besonders gut bezahlten Arbeitsplätze?
Bürkl: Sicherlich sind das Branchen, gerade wenn ich vom Maschinenbau spreche, die unter den Tarifbereich der IG Metall fallen. Dort wird überdurchschnittlich entlohnt. Da sind natürlich die Einschnitte dann umso stärker.
"Sparen keine attraktive Alternative zum Konsum"
Hahne: Erholt hat sich hingegen die Anschaffungsneigung. Da fragen Sie, ob Konsumentinnen und Konsumenten den Zeitpunkt für größere Anschaffungen für ratsam halten. Liegt das auch an den niedrigen Zinsen? Hilft die EZB-Geldpolitik da gerade nach?
Bürkl: Ja. Die Anschaffungsneigung bekommt derzeit sicherlich Schützenhilfe von der EZB durch die Niedrigzinspolitik. Sparen ist momentan für die Konsumenten keine attraktive Alternative zum Konsum und deshalb tendieren sie eher, das Geld auszugeben, zumal auch die Arbeitsmarktsituation in Deutschland immer noch überaus gut ist. Diese konjunkturelle Schwächephase zeichnet sich bislang zumindest am Arbeitsmarkt noch nicht ab. Das hat zur Folge, dass die Angst vor Arbeitslosigkeit noch relativ gering ist, und dann sind die Leute natürlich auch eher bereit, Geld auszugeben.
"Regierung soll Einbruch am Arbeitsmarkt verhindern"
Hahne: Zugespitzt schreiben Sie auch in Ihrer Analyse, dass mehr oder weniger alles von der Entwicklung am Arbeitsmarkt abhängt. Ist das gleichzeitig eine Empfehlung an die Regierung?
Bürkl: Ja, dahinter verbirgt sich durchaus auch eine Empfehlung an die Regierung, und zwar möglichst dafür zu sorgen, dass ein Einbruch und eine starke Verschlechterung am Arbeitsmarkt jetzt in dieser konjunkturellen Schwächephase verhindert wird. Paradebeispiel ist ja das Jahr 2008/2009. Hier wurde ja durch ein kluges Miteinander von Gewerkschaften, Regierung, Politik und auch den Unternehmen verhindert, dass es trotz einer sehr starken Rezession zu einem Einbruch am Arbeitsmarkt gekommen ist. Ähnliches wäre sicherlich auch im Moment wieder ratsam, um wirklich zu verhindern, dass die Arbeitslosigkeit spürbar ansteigt.
Hahne: Die Unternehmensverbände fordern jetzt zum Beispiel eine Senkung der Unternehmenssteuer und nutzen die Konjunkturangst, nenne ich es mal, um Werbung zu machen für wirtschaftsfreundliche Maßnahmen der Politik. Dabei ist die Situation ja nicht ganz so schlimm wie nach der der von Ihnen erwähnten Finanzkrise Ist vielleicht doch erst mal auch ein bisschen Ruhe und Bedacht angesagt?
Bürkl: Ja, man soll jetzt sicherlich hier nicht in dramatische Verhaltensweisen fallen. Man muss natürlich sehen, dass in vielen Bereichen der Wirtschaft, vor allem im Dienstleistungsbereich, die Nachfrage nach Arbeitskräften immer noch sehr hoch ist. Das heißt, hier ist sicherlich von einem weiter zunehmenden und stabilen Arbeitsmarkt auszugehen. Im Moment sprechen wir von möglichen Problemen, was den Arbeitsmarkt betrifft, vor allem in den Branchen und Industrien, die jetzt primär von den Exporten abhängig sind. Deshalb sollte man jetzt wirklich im Moment die Kirche im Dorf lassen und vielleicht auch noch ein bisschen im Hinterkopf behalten: Wir hatten jetzt fast zehn Jahre Hochkonjunktur und einen Aufschwung, und dann ist es irgendwie ja fast schon normal, dass jetzt auch wieder im Zuge dieser Konjunkturzyklen mal eine schwächere Phase eintritt. Da heißt es jetzt, entsprechend darauf mit Bedacht zu reagieren und darauf eingestellt zu sein. Dann sind, glaube ich, die Chancen ganz gut, dass man relativ zügig dann wieder aus dem Tal kommt.
"Mehr als die Hälfte des BIP besteht aus privatem Konsum"
Hahne: Schlussendlich stützt ja gerade auch der inländische Konsum die Wirtschaft aktuell sehr stark. Kann man das beziffern, wie wichtig der Konsum für die Wirtschaft ist, der Konsum privater Haushalte?
Bürkl: Ja, der spielt eine sehr wichtige Rolle. Über 55 Prozent des Bruttoinlandsproduktes besteht aus privatem Konsum. Das heißt, die Verbraucher entscheiden doch zu einem wesentlichen Teil mit, wie sich die Gesamtwirtschaft entwickelt. Von daher ist es natürlich wichtig, auch gerade in der Phase, wo die Außenwirtschaft etwas schwächelt, dass die Binnenkonjunktur solide und robust bleibt und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung entsprechend stützen kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.