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Krankenversicherung
Immer mehr Menschen ohne Versicherung

Trotz Gesetzesreform ist die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung Ende Juli massiv angestiegen. Experten suchen nach Ursachen und Lösungen für dieses Phänomen.

Von Volker Finthammer | 14.08.2020
Elektronische Gesundheitskarte, Detail von Leonardo-da-Vinci-Logo und Datenchip.
Der Grund für die hohe Zahl von Nichtversicherten ist zurzeit unklar (imago / Martin Bäuml)
Es ist tatsächlich ein Thema das regelmäßig aufschlägt und vor der Einführung der gesetzlichen Pflicht zur Krankenversicherung sahen die Zahlen noch schlechter aus. Nach den alle vier Jahre durchgeführten Erhebungen des Statistischen Bundesamtes im Rahmen des Mikrozensus war die Zahl der Menschen ohne Absicherung von geschätzten 105.000 Personen im Jahr 1995 auf über 150.000 Personen im Jahr 1999 und auf 188.000 Personen im Jahr 2003 angestiegen.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Die Betonung muss dabei auf "geschätzt" liegen, weil es ob verschiedener Umstände gar keine Möglichkeit gibt, die Zahl exakt zu erfassen.
Gesetzesreform im Jahr 2007
Die steigenden Zahlen damals, die sich vor allem auf das schwierige konjunkturelle Umfeld zurückführen ließen, waren aber der Grund für eine Gesetzesreform im Jahr 2007. Mit dem "GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz" wurden alle Bürger, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung hatten, in die Versicherungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen. Und auch die privaten Krankenversicherungen wurden verpflichtet für Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die zuvor privat krankenversichert waren, und sich den Versicherungsschutz aus welchen Gründen auch immer nicht mehr leisten konnten, zumindest einen Versicherungsschutz im Basistarif versichern zu können. Deshalb gilt seit dem Jahr 2009 eine allgemeine Versicherungspflicht in Deutschland.
"Das heißt, niemand muss ohne Krankenversicherung sein. Selbst wenn jemand noch nie eine Krankenversicherung hatte, dann hat er das Recht, sich eine gesetzliche Krankenversicherung der Wahl auszusuchen und dort Mitglied zu werden und einen Versicherungsschutz zu bekommen", sagt Florian Lanz, der Sprecher des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung GKV.
Dennoch sind die Anzahl der Menschen wieder gestiegen die aktuell ohne einen Versicherungsschutz sind. Das statistische Bundesamt geht im aktuellen Mikrozensus von Ende Juli von 143.000 Menschen ohne Krankenversicherung aus. 2015 waren es noch 79.000, was eine Folge der vorausgegangenen gesetzlichen Änderungen gewesen sein dürfte.
Recht auf medizinsche Versorgung
Die Linken-Sozialpolitikerin Sabine Zimmermann forderte die Bundesregierung in der "Saarbrücker Zeitung" auf, das Recht auf medizinische Versorgung zu gewährleisten. Etwa über die sofortige Einrichtung eines Fonds, um die Behandlung von Menschen ohne Krankenversicherung zu finanzieren. GKV Sprecher Lanz verweist dagegen darauf, dass der Versicherungsschutz für alle Einwohner durch die zurückliegende Reform prinzipiell gewährleistet ist.
"Niemand muss in Deutschland ohne Krankenversicherung sein. Selbst wenn ein Mensch seine Kassenbeiträge aus persönlichen Gründen nicht begleichen kann, verliert diese Person trotzdem nicht die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung. Der Versicherungsschutz bleibt erhalten."
Über Ursachen und Gründe für eine fehlende Krankenversicherung lässt sich tatsächlich nur spekulieren. Obdachlosigkeit dürfte ein wichtiger sein. Unkenntnis sicherlich auch, aber auch der Wagemut Selbstständiger zeitweise ohne auskommen zu können, um Geld zu sparen.