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Krisensitzung
Streit um Air France-KLM

Die Entscheidung kam überraschend: In dieser Woche hatte sich die niederländische Regierung einen Anteil von 14 Prozent am Luftfahrtkonzern Air France-KLM gesichert - ohne die Franzosen zu informieren. Das sorgte in Paris für Unmut. In einem gemeinsamen Gespräch wurde heute ein Konsens gesucht.

Jürgen König im Gespräch mit Katja Scherer | 01.03.2019
Logo der Air France-KLM Group
Logo der Air France-KLM Group (ERIC PIERMONT / AFP)
Scherer: In Paris trafen sich heute Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire und sein niederländischer Amtskollege Wopke Hoekstra, um über den Streit um die Fluggesellschaft Air France-KLM zu reden. Die beiden Fluglinien gehören seit 2004 zusammen und Dienstagabend wurde bekannt, dass sich die niederländische Regierung nun überraschend 14 Prozent an dem Unternehmen gesichert hat – ohne die französische Regierung vorab zu informieren. In Paris stieß das auf Unverständnis. Herr König, ist denn bei den klärenden Gesprächen etwas herausgekommen?
König: Bruno Le Maire wollte zunächst einfach mal wissen, was das denn für eine Aktion der niederländischen Regierung war, warum die sich heimlich, ohne irgendeine Absprache, als Eigner bei Air France/KLM eingekauft haben und das gleich mit 14 Prozent der Anteile, die noch auf 14,3 Prozent aufgestockt werden sollen, was heißt, sie liegen gleichauf mit den Franzosen. Die Niederländer haben damit die Franzosen völlig überrumpelt, von Affront ist die Rede. Medienberichten zufolge wurde dieser Coup schon 2017 eingefädelt, aber nur vier Regierungsmitglieder hätten davon gewusst: Ministerpräsident Mark Rutte und die Minister für Wirtschaft, Finanzen und Infrastruktur.
Heute Vormittag hat der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra zwar eingeräumt, die Aktion sei "unorthodox" abgelaufen, aber in guter Absicht.
Und herausgekommen ist: Beide Eigner-Staaten kümmern sich gemeinsam um die Zukunft des Konzerns. Ein "Arbeitsprozess" soll in Gang gesetzt werden, mit dem bis Ende Juni das Erscheinungsbild, überhaupt die ganze Zusammenarbeit von Air France/KLM verbessert werden soll, mit dem Ziel, den Konzern zur erfolgreichsten Fluggesellschaft der Welt zu machen.
Niederländer sind profitabler als Franzosen
Scherer: Aber warum haben sich die Niederlande überhaupt eingekauft?
König: Weil bei der niederländischen Regierung, wie auch bei der Konzern-Tochter KLM, das Gefühl vorherrscht, von den Franzosen immer mehr dominiert zu werden. Zuletzt hatte der neue Konzernchef Ben Smith Absichten geäußert, beide Airlines stärker zu integrieren. Die KLM ist zwar der kleinere Partner im Konzern, hat aber im letzten Jahr im Vergleich zu Air France einen viermal so hohen operativen Gewinn erzielt. Dass nun von diesen Gewinnmargen etliches zu Air France abfließen soll – das ist die große Sorge bei KLM. Hinzukommt die Befürchtung, der Konzern werde künftig immer mehr Flugverbindungen nach Paris verlegen, was für den Großflughafen Amsterdam-Schiphol bitter wäre, denn 114 000 Arbeitsplätze hängen an diesem Flughafen. Dies alles zusammen hat offenbar einen solchen Druck aufgebaut, dass die niederländischen Regierung gesagt hat: Wir brauchen mehr Einfluss, wir kaufen uns da jetzt ein.
Gegen- statt miteinander
Scherer: Die französische Regierung hält selbst gut 14 Prozent an Air France-KLM. Warum ist der Ärger darüber, dass der niederländische Staat nun gleichgezogen hat, so groß?
König: Die Franzosen sind zunächst verärgert über die ganze Vorgehensweise und dann natürlich, kurz gesagt, weil sie jetzt im Konzern einen mächtigen staatlichen Partner bekommen, der eben in vielem nicht als Partner, sondern immer wieder auch als Gegner wahrgenommen wird.
Politische Einflussnahme wächst
Scherer: Das klingt, als sei der aktuelle Vorfall ein Tropfen auf einen eh schon heißen Stein. Hat der Konzern grundsätzliche Probleme?
König: Das Grundproblem besteht darin, dass Air France und KLM unter dem Dach einer Holding zusammenarbeiten, ihre Unternehmenskulturen aber völlig verschieden sind. Beide Gesellschaften agieren rechtlich eigenständig, was auch dazu führt, dass sie sich ständig misstrauisch beäugen. Dadurch gibt es immer wieder Reibereien, auch heftige Spannungen. Zudem ist, wie gesagt, die kleinere KLM deutlich profitabler als die streikgeplagte Air France, also Schräglagen, wohin man sieht. Jetzt kommt noch hinzu, dass zwei Staaten die größten Eigner des Konzerns werden, die politische Einflussnahme wird zunehmen – das ist alles zu beobachten, das wird sehr interessant.