Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Künstlerprotest in Wien
Spaßguerilla gegen Kurz

Als Ende 2017 in Wien die rechtskonservative Regierung unter Sebastian Kurz an den Start ging, schien die kritische Kunstszene ratlos. Eine neue Initiative will nun die vielen Gegenpositionen zu konkreten Aktionen bündeln, indem eine alte Protesttradition reaktiviert wird.

Von Paul Lohberger | 04.10.2018
    Ein Porträt der Netz-Autorin Stefanie Sargnagel
    "Politikersprache muss immer was Populistisches haben", meint Autorin Stefanie Sargnagel (picture alliance / dpa / Horst Ossinger)
    Jelinek-Puppe: "Oh du mein Österreich - da bist du ja wieder!"
    Es begann mit einem Internet-Video Anfang September: Elfriede Jelineks Text "Oh du mein Österreich - da bist du ja wieder!" wird gesprochen von einer Jelinek-Puppe - respektive Puppenspieler Nikolaus Habjan - das alles, um einem neuen Protest Aufmerksamkeit zu garantieren.
    Jelinek-Puppe: "… wir wiederholen uns, jedes Mal schlechter …"
    Reale Präsenz statt digitaler Ereiferung, dafür soll heute Abend am Ballhausplatz im Zentrum Wiens, nahe dem Kanzleramt und dem Sitz des Bundespräsidenten, eine Stand-Kundgebung stattfinden. Ein vielfältiges Line-up aus Sprach- und Musikbeiträgen ist geplant, darunter die Sängerin Gustav, die mit der Verbindung von Protestposen und Ironie bekannt wurde.
    Musik: "… und stürzt das System, und trennt euren Müll …"
    Aber Gustav stand auch immer für klare Positionen.
    Politische Anliegen mit Witz vorgetragen
    "Es gibt unterschiedliche Leute, manche waren bei den ersten Donnerstagsdemos, manche bei den Omas gegen Rechts, manche sind erst 18, 19 und haben noch nie was Größeres organisiert. Aber alle sind politische Subjekte", meint Can Gülcü - er hat das Video mit Elfriede Jelinek gepostet. Gut vernetzt, arbeitet Can Gülcü an der Schnittstelle von Kunst und politischem Aktivismus. Beim Kulturfestival Wienwoche, der Shedhalle Zürich, oder nun hier: Wichtige Anliegen mit Witz zu transportieren, ist seine Methode. Für die neu aufgelegten Proteste hat er Kappen mit einem Donnerstag-Schriftzug im Metallica-Stil entwickelt. Die Balance zwischen Spaß und Inhalt zählt mehr denn je, sonst würde man wohl niemanden erreichen. Die digitalen Kanäle müssen den Druck erzeugen, um realen Protest zu motivieren. Anfang der 2000er gab es weniger virtuelle Ventile und mehr Motivation, wöchentlich auf die Straße zu gehen, erinnert sich der Autor Kurto Wendt.
    "2000 ging's darum, den Tabubruch der ÖVP anzukreiden, die zum ersten Mal in Österreich mit der extremen Rechten eine Regierung gebildet hat." Wendt, hauptberuflich Agenturjournalist, ist eine weitere zentrale Figur in der Organisation der neuen Donnerstagsdemos. "Heute ist es so, dass man gar nicht weiß, wen man alles einschließen soll in die Proteste, um auf die Straße zu gehen, um auch eine positive Utopie zum Sprechen zu bringen."
    Alte Arbeiterlieder als Vorbild
    Die neuen Demos sollen die real und digital verstreuten Initiativen sammeln, um mit einer Stimme zu sprechen. Aber in welcher Sprache soll man den Optimierern und Rechtspopulisten begegnen? Stefanie Sargnagel:
    "Politikersprache muss immer was Populistisches haben. Man will ja emotionalisieren, aber man muss deswegen nicht eine Rhetorik aufbauen, die nur auf Angst und Hass aufbaut. Man kann auch anders emotionalisieren." Als zeitgenössische Autorin setzt Stefanie Sargnagel gerne auf direkte und oft derbe Schilderungen. Für die Donnerstags-Bühne überlegt sie noch, ob sie einfach einen Text vortragen soll, oder neue Register ziehen.
    "Das sind die Dinge, die mir fehlen, ein linker Pathos - so wie früher die Arbeiterlieder. Das singen wohl nur noch linke Akademiker in ihrer Freizeit, aber in Wirklichkeit erreicht das niemanden mehr. Ich bin ja auch Mitglied einer Burschenschaft, der Hysteria, da machen wir diese ganzen Burschenschafter Rituale, und ich merk, wie der Pathos, den man durch solche Lieder entwickelt, wie das die Leute erhebt - vielleicht brauchts das auch wieder mehr."
    Protest gegen Genussfeindlichkeit
    Dafür wird heute Tanzbares geboten, Ankathie Koi bringt Clubmusik auf die Protestbühne. Kurto Wendt:
    "Wir wollen jedenfalls mehr ausdrücken als die Verzweiflung, und dafür braucht es ein selbstbewusstes Auftreten - so wollen wir einen 'Dönerstag' machen, um gegen die Verbotsgesellschaft zu protestieren."
    Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die Regierung. Wegen Verschmutzung und auch wegen starker Gerüche haben die Verkehrsbetriebe im sozialdemokratisch dominierten Wien begonnen, das Essen in U-Bahnen zu verbieten. Da wird jeder Döner zum Transparent.
    Can Gülcü: "Ich denke, ein bisschen Spaß an einer besseren Gesellschaft kann man auch haben, die Lust daran ist nichts Falsches, das Begehren, zusammen zu sein, das ist, warum man Schmähs reißt zwischendurch."