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Lagarde-Prozess
Gericht urteilt über IWF-Chefin

Das Urteil über die IWF-Chefin Christine Lagarde soll am Montagnachmittag verkündet werden. Fest steht: Die Ermittlungsrichter sahen in der Millionenzahlung an den Geschäftsmann Tapie jedenfalls weit mehr als nur eine schlechte politische Entscheidung. Wie auch immer das Urteil ausfallen wird, Lagardes Glaubwürdigkeit ist beschädigt.

Von Martin Zagatta | 19.12.2016
    Lagarde unterhält sich mit einem Mann, der nur von hinten zu sehen ist; ebenso wie ein zweiter Mann neben ihr. Dahinter sieht man unscharf Pressefotografen, die ihre Kameras in die Höhe recken.
    Vor Gericht hat Christine Lagarde jetzt eingeräumt, den Geschäftsmann Bernard Tapie auch persönlich getroffen zu haben. IWF-Chefin Lagarde am 12.12.2016 zu Beginn des Prozesses. (DPA / PHOTOPQR / LE PARISIEN / Jean Nicholas Guillo )
    Ins Gefängnis wird die IWF-Chefin nicht müssen und auch keine Geldstrafe zahlen. Jedenfalls wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht. Die hat sich im Laufe der Verhandlung ausdrücklich gegen eine Verurteilung von Christine Lagarde ausgesprochen. Der früheren Finanzministerin wird zwar angelastet, dass sie dem windigen Geschäftsmann Bernard Tapie einen unberechtigten Schadensersatz zukommen ließ von 403 Millionen Euro für ein angebliches Fehlverhalten einer Staatsbank. Der Vorwurf, sie sei dabei nachlässig mit öffentlichen Geldern umgegangen, habe sich aber nicht belegen lassen.
    "Sie hat ihre Entscheidung damals auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen getroffen", beteuert Lagardes Anwalt, "und sie hat sich in keiner Weise strafbar gemacht".
    Lagarde könnte groß angelegten Betrug ermöglicht haben
    Kein strafbares Delikt, allenfalls eine schlechte politische Entscheidung. Dieser Ansicht des Generalstaatsanwalts hatten Ermittlungsrichter allerdings vehement widersprochen. Ihrer Ansicht nach hat Lagarde höchst fahrlässig gehandelt, indem sie in dem Rechtsstreit seinerzeit ein privates Schiedsgericht eingeschaltet und dann eine völlig überzogene Schadensersatz-Summe hingenommen hat, darin enthalten sogar ein Schmerzensgeld von sage und schreibe 45 Millionen. Vorwürfe, die der frühere Leiter der Behörde für Staatsbeteiligungen jetzt vor dem Gerichtshof der Republik ausdrücklich bestätigt hat. Lagarde habe sich über die Aufforderung hinweggesetzt, die Entschädigung abzulehnen und anschließend auch den Schiedsspruch nicht zu akzeptieren. So könnte die Ministerin einen groß angelegten Betrug ermöglicht haben.
    Den Verdacht, sie habe die Millionenzahlung an Tapie wegen dessen Nähe zum damaligen Präsidenten Sarkozy gebilligt, hat Lagarde zurückgewiesen. Von den zahlreichen Besuchen des Geschäftsmannes im Elysee-Palast habe sie nichts gewusst und sei keiner Anweisung gefolgt. Man habe sie vielleicht getäuscht oder ausgenutzt, aber sie habe verantwortungsvoll gehandelt.
    Ermittlungen wegen bandenmäßigen Betrugs
    Als Ministerin muss man doch die Verantwortung übernehmen und für eine so eklatante Fehlentscheidung gerade stehen, meint der Abgeordnete Charles de Courson.
    Vor Gericht hat Christine Lagarde jetzt eingeräumt, Bernard Tapie auch persönlich getroffen zu haben. Der Unternehmer wurde inzwischen verurteilt, die 403 Millionen zurückzuzahlen. Gegen ihn wird jetzt wegen bandenmäßigen Betrugs ermittelt, genauso gegen Lagards damaligen Büroleiter, gegen Stephane Richard, den heutigen Chef des Telekommunikations-Konzerns Orange. Ob Lagarde verurteilt wird oder freigesprochen, wird am Nachmittag verkündet. Die Glaubwürdigkeit der IWF-Chefin, das hat der Prozess gezeigt, hat aber schon jetzt schwer gelitten.