Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Lange Liste von schweren Menschenrechtsverletzungen"

Die EU will die Sanktionen gegen Simbabwe lockern und so politische Reformen honorieren. Auch für Barbara Lochbihler, Menschrechtsexpertin der Grünen im Europaparlament, gibt es Fortschritte im Land. Doch die ehemalige Chefin von Amnesty International mahnt zur Vorsicht. Menschenrechtsverletzungen unter dem Regime Robert Mugabes müssten juristisch geahndet werden.

24.07.2012
    Gerd Breker: Die Europäische Union hat Simbabwe die Aufhebung von Sanktionen in Aussicht gestellt. Die europäische Staatengemeinschaft sei von den Reformen in dem südafrikanischen Land ermutigt. Ein friedliches und glaubwürdiges Referendum über die neue Verfassung des Landes werde es rechtfertigen, Sanktionen gegen zahlreiche Personen aufzuheben. Derzeit sind es rund 110 Politiker und Anhänger des langjährigen Machthabers Robert Mugabe untersagt, nach Europa zu reisen und dort auch Geschäfte zu tätigen.
    Wir sind nun telefonisch verbunden mit Barbara Lochbihler, sie ist Europaabgeordnete, dort auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag, Frau Lochbihler.

    Barbara Lochbihler: Guten Tag.

    Breker: Was lernen wir aus den Informationen, die wir gerade gehört haben? Ist Robert Mugabe, der ja einst als Hoffnungsträger gestartet ist, vom Paulus zum Saulus wurde, nun wieder ein Paulus geworden?

    Lochbihler: Als er ein Hoffnungsträger war, das ist schon sehr lange her. Im Alter war er doch ein großer Diktator, der sehr schlecht für sein Volk gewirkt hat. Und ich glaube nicht – er ist ausgenommen von diesen Sanktionen -, dass die jetzt aufgehoben werden auch für den engsten Kreis um ihn herum. Aber wie das jetzt auch schon von Ihrem Korrespondenten gesagt wurde: es gibt ein paar Fortschritte in Simbabwe und die EU-Außenminister haben jetzt entschieden zu sagen, ja, wenn man jetzt so eine wenn auch etwas schlechte Verfassung hat, eine neue Verfassung hat, dann sollte man jetzt mit Sanktionen vorsichtig sein und die Sanktionen lockern. Ich arbeite im Menschenrechtsausschuss, ich kann da sagen, dass sich die Menschenrechtsagenda leider nicht verbessert hat, und wir haben da eine lange Liste von schweren Menschenrechtsverletzungen immer noch, und deshalb wird es unsere Aufgabe im Parlament sein, ganz genau hinzuschauen, ob sich das wirklich einlöst, dass es eine Verbesserung gibt.

    Breker: Aber die Strategie, Frau Lochbihler, da verstehe ich Sie richtig, die tragen Sie erst einmal mit, das Zuckerbrot, die Aufhebung der Sanktionen, dem Präsidenten Mugabe und seiner Regierung anzubieten?

    Lochbihler: Ich würde das nicht auf den Mugabe beziehen, weil die Aufhebung der Sanktionen von allen in dieser Koalitionsregierung gefordert wird. Also das wäre zu verkürzt. Man will wahrscheinlich die schon ermutigen, in dieser Koalitionsregierung weiterzumachen, auch im Hinblick auf die Wahlen in 2013, dass es nicht mehr zu offener Gewalt kommt, und da ist es ein Angebot. Aber das heißt nicht, dass man sich hinter Mugabe stellt.

    Breker: Ich habe eben den Kollegen Klaus Staecker gefragt, ob nicht die Tatsache, dass man nun ein Zuckerbrot anbietet, ob das nicht auch ein Eingestehen ist, dass die Peitsche gescheitert ist. Frau Lochbihler, die Sanktionen gegen Simbabwe, gegen Mugabe und sein Regime sind also gescheitert?

    Lochbihler: Sie haben auf jeden Fall nicht dazu geführt, dass wir 2008 gute Wahlen gehabt hätten. Sie haben dazu geführt, neben der internen Misswirtschaft, dass die Bevölkerung sehr verarmt ist, und deshalb muss man das wie beim Beispiel Simbabwe und anderer Beispiele sagen, dass die Sanktionen sehr oft ihr Ziel verfehlen. Manchmal erreicht man das, je nach politischer Konstellation, aber Mugabe und die Machtklicke um ihn herum zu schwächen oder zum Einlenken zu bewegen, das hat man nicht erreicht.
    Ich muss aber auch dazu sagen, dass die EU Simbabwe überhaupt nicht unterstützt hat, sondern es gibt sehr viele wirtschaftliche Einzelprojekte. Zum Beispiel hat man in 2010 80 Prozent aller lebenswichtigen Arzneimittel in Simbabwe von der EU bekommen, die Schulbücher fast zu 100 Prozent. Also diese Sanktionen waren bestimmte Sanktionen, die sich auf bestimmte Politiker gerichtet haben.

    Breker: Frau Lochbihler, Sie haben es erwähnt, dass die medizinische Versorgung von der Europäischen Union geleistet werden muss. Es gab so viele Menschenrechtsverletzungen, Mugabe hat aus einer Kornkammer ein Land voller Hungersnöte gemacht. Ist das alles vergeben und vergessen, sieht man das in Europa so?

    Lochbihler: Schwerste Menschenrechtsverletzungen können sie nicht einfach vergeben, die muss man juristisch ahnden. Und auch gegenüber denjenigen Personen, gegen die man jetzt keine Sanktionen mehr hat, da verjährt das nicht. Es kam ja zu Tötungen, zu Vertreibungen, zu Hinrichtungen, zu Folterungen, und auch jetzt nach wie vor. Aktivisten von politischen Parteien, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten müssen immer wieder mit willkürlichen Festnahmen und Misshandlungen in Haft rechnen, und das verjährt nicht. Also da sage ich eben, müssen wir ganz klar darauf schauen, dass man hier eine Verbesserung braucht, und man muss den Personen auch deutlich sagen, sie können jetzt nicht, weil sie vielleicht eine bessere Wirtschaftsentwicklung haben, sich loskaufen. Das was sie angeordnet haben, das müssen sie auch verantworten.

    Breker: Robert Mugabe gehört vor den Internationalen Strafgerichtshof?

    Lochbihler: Das Land hat das Statut nicht unterzeichnet, und nur dann können sie vor diesen Strafgerichtshof kommen. Sie müssen aber auch vor Gericht erscheinen, wenn ein nationales Gericht zur Rechenschaft zieht. Und wenn es eine andere Regierung gibt - Mugabe ist jetzt 88 Jahre alt, das wird dauern -, könnte er sich auch vor einem nationalen Gericht verantworten müssen. Aber vor dem Internationalen Strafgerichtshof können sie nur noch den Weg gehen über den Sicherheitsrat, und das sehe ich im Moment nicht.

    Breker: Europa wird da nicht initiativ werden, die ehemalige Kolonialmacht lässt das alles so laufen?

    Lochbihler: Wir haben da keinen eigenen Gerichtshof dafür. Was wir tun können, ist zum Beispiel, auch die Empfehlungen, die die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte hat gegenüber Simbabwe, und sie hat ja im Mai dieses Jahres das Land besucht, dass wir das nachhalten, dass wir zum Beispiel einfordern, auch wenn wir jetzt mehr Entwicklungshilfe geben, dass zum Beispiel bestimmte Gesetze, die die freie Meinungsäußerung einschränken, dass wir fordern, dass das zurückgenommen wird, dass die Medienkommission, die es da gibt, die eigentlich nur Kontrolle und Zensur ausübt und nicht das Gegenteil, nämlich freie Meinungsäußerung fördert, dass man die aufhebt, oder dass die umstrukturiert wird. Solche Forderungen können wir erheben als Regionalorganisation. Wir können aber nicht anstelle von Gerichten agieren.

    Breker: Glauben Sie denn, dass das Vorgehen der Außenminister und der Europäischen Union, dass das vom Europaparlament mitgetragen wird? Wird es da eine Mehrheit geben, dafür, dass man in der Tat die Sanktionen gegen Mugabe und sein Regime und Simbabwe überhaupt aufhebt?

    Lochbihler: Ich habe mal geschaut: Wir haben 2011 die letzte größere Resolution zu Simbabwe gemacht. Ich weiß nicht, ob wir jetzt einen neuen Bericht im Parlament dazu machen. Wenn Sie sich diese Lockerung der Sanktionen anschauen, dann sind sie nur in bestimmten Bereichen. Sollte sich dann jetzt eine Verschlechterung ergeben und keine Verbesserung, wie man sich das erhofft, können die sofort wieder eingesetzt werden. Und ich muss es auch noch mal sagen: Diese Lockerung der Sanktionen, die gilt nicht für Mugabe und seinen innersten Zirkel. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Parlament, genau hinzuschauen, ob sich jetzt etwas zum Guten verändert oder nicht, und sonst müssen wir wieder die Einsetzung fordern.

    Breker: Die Europaabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Barbara Lochbihler, war das im Deutschlandfunk. Frau Lochbihler, ich danke Ihnen für diese Erläuterungen.

    Lochbihler: Ich danke Ihnen.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.