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Leitfaden gegen Rassismus
Endloser Kreuzweg

Die Soziologin Robin DiAngelo tourt in den USA mit ihrem Buch "White Fragility" durch Talk Shows und erläutert, wie man als weißer Mensch seinen Rassismus los wird. Bei aller Zustimmung gibt es auch Kritik, etwa an ihrer Aussage, dass zur Überwindung des inneren Rassisten Selbstkasteiung nötig sei.

Von Sacha Verna | 24.07.2020
Teilnehmerin einer Demonstration gegen Rassismus Ende Juni 2020 in München
Reicht ein T-Shirt Aufdruck als Kampf gegen Rassismus? (imago / Sachelle Babbar)
Robin DiAngelo ist die zurzeit prominenteste Rassismus-Exorzistin der Vereinigten Staaten. Vor zwei Jahren schrieb sie mit "White Fragilty" ein Buch, das weißen Menschen Tipps gibt, wie sie ihren Rassismus loswerden können. In den Vereinigten Staaten ist sie seitdem eine Art Pop Star. Sie gilt als Expertin für korrektes Verhalten und seit dem Tod von George Floyd ist ihr Ansehen noch einmal gestiegen.
Puritanische Vorstellung
Ihr Buch ist nun unter dem Titel "Wir müssen über Rassismus sprechen" auf Deutsch erschienen. Hier wie dort gibt es am Buch und an seiner Autorin auch Kritik. Die Vorwürfe lauten unter anderem, dass diAngelo von Rassismus eine sehr puritanische Vorstellung hat. "Nur mit ganz viel harter Arbeit und der Lektüre beispielsweise ihres Buches kann man den Rassimus überwinden", erläutert Dlf-Resenzent Sacha Verna.
"DiAngelo bezeichnet mit "White Fragility" die Weigerung von Weissen anzuerkennen, dass sie praktisch genetisch dazu verdammt sind, Rassisten zu sein – und die Empfindlichkeit, mit der Weisse auf Rassismusvorwürfe reagieren. Dass sie sich sofort angegriffen fühlen und in Verteidigungsstellung gehen, wenn an ihnen irgendeine Kritik in diese Richtung geäußert wird," fasst Sacha Verna den Text zusammen.
Schmerzhafte Selbsterkenntnis
Das Buch, so Verna, sei ein Leitfaden dafür, diesen inneren Rassisten loszuwerden. Bemerkenswert ist zweierlei. Erstens: Robin DiAngelo ist weiß. Zweitens: Sie verspricht keine Erlösung. Sie bereitet ihr weißes Publikum vielmehr auf einen möglicherweise endlosen Kreuzweg vor, auf einen Weg des Leidens und der schmerzhaften Selbsterkenntnis. Nur wer sich der lebenslangen Selbsterforschung und vor allem der Selbstkasteiung widmet, hat eine Chance, die angeborenen Vorurteile vielleicht überwinden.
Kritik kommt auch aber von Menschen, die tatsächlich Rassismus ausgesetzt sind. "Sie fühlen sich von ihr als Zuckerpüppchen dargestellt."
Allerdings glauben selbst die schärfsten Gegner von DiAngelo an ihre guten Absichten. Dennoch lautet der Vorwurf, dass sie sich weder in ihren Vorträgen noch in ihrem Buch aktiv um Veränderungen auf politischer Ebene bemüht.
"In DiAngelos Universum ist nämlich jeder Aktivist, der noch kein idealer Anti-Rassist ist, ein Heuchler. Wer nicht die letzte rassistische Faser im eigenen Leib getilgt hat, steigert mit politischen Initiativen lediglich den eigenen Wohlfühlquotienten."