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Lettland
Fast schon eine Euro-Euphorie

Als vor fünf Jahren der Euro in Lettland eingeführt wurde, gab es auch dort viele kritische Stimmen. Für die Mehrheit der Letten ist die Gemeinschaftswährung aber längst zur Normalität geworden. Sie hat dem Land mehr als nur einen wirtschaftlichen Aufschwung beschert.

Von Björn Dake | 29.12.2018
    Flagge Lettland u. a.
    Flagge Lettland u. a. (imago/blickwinkel)
    Seit fünf Jahren zahlen die Menschen in Lettland mit dem Euro. Aus der Skepsis vom Anfang ist fast eine Euro-Euphorie geworden. Denn die europäische Währung bedeutet Stabilität für das kleine Land im Baltikum.
    Zuerst waren die Menschen in Lettland noch etwas skeptisch. So wie Galina. Eine russischstämmige Verkäuferin auf dem Zentralmarkt in Riga.
    "Der Lat, das war unser eigenes Geld. Aber das hier…das ist fremd. Das ist nicht unser Geld. Wir wollen den Lat zurück, bitte!"
    Den Lat hatten die Letten ähnlich lieb, wie die Deutschen die D-Mark. Der Abschied fiel schwer. Aber vielen Menschen war klar: Wenn wir zur Mitte Europas gehören wollen, brauchen wir auch den Euro.
    Vor 15 Jahren wurde Lettland EU-Mitglied - zusammen mit den Nachbarn Litauen und Estland. Die Letten erlebten danach erst einen beispiellosen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch dann ging es abwärts. Jeder fünfte Einwohner verlor in der Wirtschaftskrise vor zehn Jahren seinen Job, jeder Zehnte ging dauerhaft ins Ausland. Ein Staatsbankrott drohte. Mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds konnte Lettland die Krise überwinden. Vor fünf Jahren kam der Euro.
    Lettische Wirtschaft wächst
    Der damalige Finanzminister Andris Vilks empfand das als den gerechten Lohn für die Anstrengungen.
    "Lettland und das ganze Baltikum liegen in der ökonomischen Entwicklung Europas im Moment ganz vorne. Wir haben das umgesetzt, was ein großer Teil der EU-Länder auch machen müsste. Wir werden in einigen Jahren deutlich und messbar vom Euro profitieren."
    Aktuelle Zahlen scheinen dem früheren Finanzminister recht zu geben. Die lettische Zentralbank geht davon aus, dass die Wirtschaft im zurückliegenden Jahr um fast fünf Prozent gewachsen ist. Für das neue Jahr geht sie von einem Plus von dreieinhalb Prozent aus. Für Zentralbank-Chef Ilmars Rimsevic ist der Euro eine Erfolgsgeschichte.
    "Keine einzige Prophezeiung der Euroskeptiker hat sich erfüllt. Der Euro ist nicht zerstört und Lettland hat keine Schulden machen müssen, um anderen Länder zu retten."
    Aktuell laufen Korruptionsermittlungen gegen Rimsevic. Er ist suspendiert. Im Interview mit dem lettischen Radio sagte er vor einem Jahr, dass der Euro eine Versicherung sei für weitere Krisen.
    Der Euro bedeutet Stabilität
    "Die Euroeinführung hat mögliche Erschütterungen verhindert, die durch die Annektion der Krim eingetreten wären. Das hat die Finanzmärkte für einen Moment aus dem Gleichgewicht gebracht."
    Der Euro bedeutet für Lettland und die Nachbarn Litauen und Estland Stabilität. Finanziell und geopolitisch. Das sagt auch Andrejs Meters von der deutsch-baltischen Handelskammer in Riga. Rufe nach einem Euro-Austritt gebe es kaum im Baltikum.
    "Es gibt ein paar, aber die sind nicht sehr laut und einflussreich. Es gibt ja immer Irgendwen, der sagt: Es war schlecht und es ist schlecht. Aber das ist die absolute Minderheit."
    Für die Mehrheit der Letten ist der Euro nach fünf Jahren längst zur Normalität geworden. Die Menschen sind ohnehin schnell anpassungsfähig und offen für Neues. Sie ertragen Änderungen fast mit stoischer Ruhe – so wie Lidija.
    "Vier Mal haben wir schon neues Geld bekommen. Wir hatten den Rubel zu Sowjetzeiten, dann das russische Übergangsgeld, dann den Lat und jetzt den Euro."