Seine Skizzen korrigiert Sergej Tulenew am liebsten bei einer Tasse Kaffee. Mit harter Linie und greller Farbe greift der Karikaturist das lettische Staatsbürgerschaftsgesetz an. Da prügelt etwa eine giftige Alte einen Mann, der am Boden liegt: "Ich werde dir schon beibringen, deine Heimat zu lieben", brüllt die Alte, während der Mann wimmert: "Ich liebe Lettland, aber auf meine Weise."
Schon im Sozialismus hat der 62-jährige Russe kein Blatt vor den Mund genommen. In der Hauptstadt Riga stellte er sich sogar den sowjetischen Panzern entgegen, als Lettland um seine Freiheit kämpfte. Umso größer war seine Enttäuschung, als er nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1991 keinen lettischen Pass erhielt.
"Ich habe einen sogenannten Nichtbürgerpass. Er ist violett und nicht rot, wie der Ausweis der Letten. Wir sind in Lettland in zwei Klassen unterteilt. In Bürger und Nichtbürger. Ich darf kein Staatsbürger sein und nicht wählen, weil ich kein Lettisch spreche und deshalb das Land angeblich nicht liebe."
In Lettland ist jeder dritte Einwohner russischer Herkunft. Die meisten Russen sind wie Sergej Tulenew und seine Eltern in der Sowjetzeit auf Moskauer Direktive hin angesiedelt worden. Der heutigen lettischen Lesart zufolge sollten sie das kleine Land politisch unterwandern. Im Alltag gab damals die russische Sprache den Ton an. Nach Lettlands Unabhängigkeit wurde Lettisch Amtssprache. Nun ging es auch darum, diese russische Minderheit einzubürgern. Allerdings bekommt bis heute nur einen lettischen Pass, wer eine Sprach - und Geschichtsprüfung auf Lettisch besteht.
Eine große Hürde für 280.000 Russen der älteren Generation. Sie fühlen sich deshalb diskriminiert und sind bis heute ohne Staatsbürgerschaft und ohne Wahlrecht, klagt die russischstämmige Juristin Elisabeth Krivcova. Im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahl ruft sie alle Nichtbürger auf, ihre Stimme für den Verein Nichtbürgerkongress abzugeben.
"Es ist ungerecht, dass so viele Menschen in Lettland kein Stimmrecht haben. Dabei hatte die Volksfront, also die lettische Befreiungsorganisation, während des Kampfes um die Unabhängigkeit jedem einen lettischen Pass versprochen. Aber nicht mal an der Kommunalwahl können die Nichtbürger teilnehmen. Deshalb mischen wir uns ein und stellen 80 Vereinsmitglieder zur Wahl auf. Wir wollen von den lettischen Politikern wahrgenommen werden und fordern die automatische Staatsbürgerschaft."
Tatsächlich spielt die Integration der russischen Minderheit keine große Rolle mehr in Lettland. Das entsprechende Ministerium wurde im Zuge der Sparmaßnahmen aufgelöst.
Den Verein Nichtbürgerkongress und seine Forderung nach automatischer Einbürgerung lehnt die Regierung ab. Die Organisation diene Moskau, um Unruhe zu stiften und Lettland zu destabilisieren, meint Sarmite Elerte. Die ehemalige Kultusministerin berät den lettischen Ministerpräsidenten in Fragen der Integration.
"Unsere russischen Nichtbürger haben ihre Staatsbürgerschaft verloren, weil die Sowjetunion zusammenbrach. Sie wuchsen auf in einem autarken russischen Umfeld und erwachten plötzlich in einem unabhängigen Lettland, das zuvor 50 Jahre lang von Moskau besetzt war. Das ist ein Trauma für die Russen. Wir aber erwarten, dass sie unsere Sprache lernen und die Rechtmäßigkeit Lettlands anerkennen. Nur dann gibt es die Basis für ein Gespräch."
Tatsächlich seien die meisten Nichtbürger mit ihrem Status zufrieden, sagt Arnis Kaktins. Der Politologe untersucht in Umfragen, was zur Gründung des Vereins Nichtbürgerkongress geführt hat. Bis auf das fehlende Wahlrecht biete der Nichtbürger-Status dasselbe wie die lettische Staatsbürgerschaft. Zudem könnten die Nichtbürger sogar ohne Visum nach Russland einreisen. Den Leuten gehe es aber um Gerechtigkeit .
"Seit Lettlands Unabhängigkeit waren die russischen Parteien immer in der Opposition. Obwohl sie bei der letzten Wahl gesiegt haben, konnten sie weder die Regierung bilden, noch einen Minister stellen. Das führt zu Spannungen. Die lettischen Politiker müssten endlich zugeben, dass Lettland nicht nur den Letten, sondern auch den Russen eine Heimat ist. Würde die lettische Elite die Russen an der Regierung beteiligen, wäre die Forderung nach automatischer Staatsbürgerschaft sofort vom Tisch."
Sergei Tulenew, der Karikaturist, bereitet sich langsam auf den Wahlkampf vor. Er wird in Riga für einen Sitz im Nichtbürgerkongress kandidieren. 80 Freiwillige stellen sich landesweit zur Wahl, 30 Plätze sind zu vergeben. Auch wenn diese Abgeordneten nicht in die Rathäuser einziehen werden, wollen sie sich zukünftig in Beiräten für die lettischen Nichtbürger starkmachen.
Schon im Sozialismus hat der 62-jährige Russe kein Blatt vor den Mund genommen. In der Hauptstadt Riga stellte er sich sogar den sowjetischen Panzern entgegen, als Lettland um seine Freiheit kämpfte. Umso größer war seine Enttäuschung, als er nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1991 keinen lettischen Pass erhielt.
"Ich habe einen sogenannten Nichtbürgerpass. Er ist violett und nicht rot, wie der Ausweis der Letten. Wir sind in Lettland in zwei Klassen unterteilt. In Bürger und Nichtbürger. Ich darf kein Staatsbürger sein und nicht wählen, weil ich kein Lettisch spreche und deshalb das Land angeblich nicht liebe."
In Lettland ist jeder dritte Einwohner russischer Herkunft. Die meisten Russen sind wie Sergej Tulenew und seine Eltern in der Sowjetzeit auf Moskauer Direktive hin angesiedelt worden. Der heutigen lettischen Lesart zufolge sollten sie das kleine Land politisch unterwandern. Im Alltag gab damals die russische Sprache den Ton an. Nach Lettlands Unabhängigkeit wurde Lettisch Amtssprache. Nun ging es auch darum, diese russische Minderheit einzubürgern. Allerdings bekommt bis heute nur einen lettischen Pass, wer eine Sprach - und Geschichtsprüfung auf Lettisch besteht.
Eine große Hürde für 280.000 Russen der älteren Generation. Sie fühlen sich deshalb diskriminiert und sind bis heute ohne Staatsbürgerschaft und ohne Wahlrecht, klagt die russischstämmige Juristin Elisabeth Krivcova. Im Vorfeld der anstehenden Kommunalwahl ruft sie alle Nichtbürger auf, ihre Stimme für den Verein Nichtbürgerkongress abzugeben.
"Es ist ungerecht, dass so viele Menschen in Lettland kein Stimmrecht haben. Dabei hatte die Volksfront, also die lettische Befreiungsorganisation, während des Kampfes um die Unabhängigkeit jedem einen lettischen Pass versprochen. Aber nicht mal an der Kommunalwahl können die Nichtbürger teilnehmen. Deshalb mischen wir uns ein und stellen 80 Vereinsmitglieder zur Wahl auf. Wir wollen von den lettischen Politikern wahrgenommen werden und fordern die automatische Staatsbürgerschaft."
Tatsächlich spielt die Integration der russischen Minderheit keine große Rolle mehr in Lettland. Das entsprechende Ministerium wurde im Zuge der Sparmaßnahmen aufgelöst.
Den Verein Nichtbürgerkongress und seine Forderung nach automatischer Einbürgerung lehnt die Regierung ab. Die Organisation diene Moskau, um Unruhe zu stiften und Lettland zu destabilisieren, meint Sarmite Elerte. Die ehemalige Kultusministerin berät den lettischen Ministerpräsidenten in Fragen der Integration.
"Unsere russischen Nichtbürger haben ihre Staatsbürgerschaft verloren, weil die Sowjetunion zusammenbrach. Sie wuchsen auf in einem autarken russischen Umfeld und erwachten plötzlich in einem unabhängigen Lettland, das zuvor 50 Jahre lang von Moskau besetzt war. Das ist ein Trauma für die Russen. Wir aber erwarten, dass sie unsere Sprache lernen und die Rechtmäßigkeit Lettlands anerkennen. Nur dann gibt es die Basis für ein Gespräch."
Tatsächlich seien die meisten Nichtbürger mit ihrem Status zufrieden, sagt Arnis Kaktins. Der Politologe untersucht in Umfragen, was zur Gründung des Vereins Nichtbürgerkongress geführt hat. Bis auf das fehlende Wahlrecht biete der Nichtbürger-Status dasselbe wie die lettische Staatsbürgerschaft. Zudem könnten die Nichtbürger sogar ohne Visum nach Russland einreisen. Den Leuten gehe es aber um Gerechtigkeit .
"Seit Lettlands Unabhängigkeit waren die russischen Parteien immer in der Opposition. Obwohl sie bei der letzten Wahl gesiegt haben, konnten sie weder die Regierung bilden, noch einen Minister stellen. Das führt zu Spannungen. Die lettischen Politiker müssten endlich zugeben, dass Lettland nicht nur den Letten, sondern auch den Russen eine Heimat ist. Würde die lettische Elite die Russen an der Regierung beteiligen, wäre die Forderung nach automatischer Staatsbürgerschaft sofort vom Tisch."
Sergei Tulenew, der Karikaturist, bereitet sich langsam auf den Wahlkampf vor. Er wird in Riga für einen Sitz im Nichtbürgerkongress kandidieren. 80 Freiwillige stellen sich landesweit zur Wahl, 30 Plätze sind zu vergeben. Auch wenn diese Abgeordneten nicht in die Rathäuser einziehen werden, wollen sie sich zukünftig in Beiräten für die lettischen Nichtbürger starkmachen.