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Leyendecker: Informationen aus Pakistan wenig verlässlich

Kann die Bundesregierung nach dem US-Drohnenangriff für Aufklärung sorgen? Hans Leyendecker, bei der "Süddeutschen Zeitung" für investigative Recherche verantwortlich, über die Informationsbeschaffung der deutschen Regierung.

Hans Leyendecker im Interview mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Beim Abendessen, heißt es, saßen die Männer, als die Rakete einschlug. Ausgeführt wurde der Angriff wohl mit einer unbemannten Drohne, gelenkt vom amerikanischen Geheimdienst CIA. Acht mutmaßliche deutsche Islamisten sollen dabei ums Leben gekommen sein. Ob das stimmt, wie ihre Namen lauten, wir wissen es nicht. Bekannt ist aber schon länger, dass Deutsche am Hindukusch das Terrorhandwerk lernen wollen. Auch deshalb wird jetzt wieder über die Gefahr eines Anschlages in Deutschland diskutiert. Am Telefon begrüße ich jetzt den Kollegen Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung", dort verantwortlich für investigative Recherchen. Er ist auch mit diesem Thema befasst und vertraut. Einen schönen guten Tag, Herr Leyendecker.

    Hans Leyendecker: Guten Tag, ich grüße Sie.

    Barenberg: Der Geheimdienst in Pakistan, von ihm stammen ja erste Informationen über die mutmaßlich getöteten Deutschen. Dort heißt es, acht deutsche Islamisten seien getötet worden, drei türkischer Herkunft, fünf gebürtige Deutsche. Nun sagt de Maizière, einiges passt nicht zusammen. Wir haben es gerade in dem Beitrag auch noch mal gehört: Erkenntnisse aus Deutschland liegen nicht vor. Wie verlässlich sind denn die Informationen aus Pakistan überhaupt?

    Leyendecker: Sehr wenig verlässlich. Die Aussage von Herrn de Maizière, er halte das für möglich, aber nicht für bestätigt, ist doch eine vorsichtige Umschreibung, bei allem, was vom pakistanischen Geheimdienst kommt, muss man äußerst vorsichtig sein.

    Barenberg: Welche Möglichkeiten hat nun die Bundesregierung selber, für Aufklärung zu sorgen?

    Leyendecker: Gut, sie muss die Amerikaner fragen, auch die Amerikaner, was vorliegt. Im Moment ist das Klima nicht das beste. Die Amerikaner sind ein Stückchen irritiert darüber, dass die Deutschen erklären – egal ob wir das mit abstrakter Gefahr, konkreter Gefahr so machen -, sie sehen das doch eher ein Stückchen auch ruhig. Die Amerikaner benutzen dieses Thema seit einiger Zeit. Es gibt deutsche Gesprächspartner, die meinen, das alles hängt mit den Kongresswahlen in Wahrheit im November zusammen, dass die Amerikaner das so hochfahren, die angebliche Bedrohung, die jetzt aktuell ausgehen soll von den Terroristen, dass da Anschläge in Deutschland geplant seien. Da wird ja alles genannt, vom Adlon in Berlin bis zum Brandenburger Tor, oder Flugzeuge, was auch immer. Aber die Deutschen haben dafür keine Bestätigung, dass das nun tatsächlich so heiß ist, und in diesem Zusammenhang, glaube ich, ist das Klima auch zwischen beiden ein bisschen angespannt.

    Barenberg: In welchem Maße, Herr Leyendecker, muss sich denn die Bundesregierung überhaupt verlassen auf Informationen, die aus den USA kommen, und wie viel eigene Möglichkeiten hat sie, Informationen vor Ort zu erhalten?

    Leyendecker: Man hat das ja über das Auswärtige Amt, das dann versucht, da Informationen zu bekommen. Herr de Maizière hat noch mal darauf hingewiesen, eben im Beitrag für den Deutschlandfunk, dass er auch ein bisschen erstaunt ist, das ist unzugängliches Gebiet und dann hat man die Ausweise und glaubt zu wissen, um welche Gruppierung es sich handelt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ich will jetzt kein Verschwörungstheoretiker sein, im Gegenteil, aber ich bin mir nicht ganz sicher, ob sozusagen nachdem man die Deutschen so vorgestellt hat – und alle Warnungen, die derzeit sind, sollen ja im Wesentlichen auf der Aussage eines in Kabul festgenommen Deutsch-Afghanen resultieren -, dass man ein bisschen die deutsche Karte jetzt reingebracht hat, um zu zeigen, das was wir sagen ist tatsächlich wahr, die Gefahr ist groß und wir haben erfolgreich etwas unternommen, um einen Anschlag in Europa zu verhindern, wobei ja völlig unklar ist, ob, egal um welche Gruppe es sich handelt, dieser Drohnenschlag etwas damit zu tun hat, dass es angeblich Vorbereitungen auf einen Anschlag in Europa gibt.

    Barenberg: Und für wie glaubhaft halten Sie diese Informationen und Einschätzungen, dass es Pläne gibt für Angriffe, beziehungsweise es ist ja auch immer wieder davon die Rede, dass eine ganze Anzahl von Deutschen dort sich im Terrorhandwerk ausbilden lässt? Was wissen Sie darüber?

    Leyendecker: Gut, das ist ja nachweisbar. Es gibt in der Tat verstärkte Reisebewegungen aus Deutschland, aber die gibt es schon seit Anfang 2009. Es kommen Leute zurück, in der Regel wollten die gegen Amerikaner kämpfen, oder gegen andere Ungläubige. Manche von denen haben tatsächlich dann auch gelernt, mit Sprengstoff umzugehen, manche von denen sind auch sehr frustriert, sind enttäuscht über das, was sie erlebt haben. Also man wird die Zahl der Rückkehrer nicht gleichsetzen können mit potenziellen Gefährdern. Aber ich halte dieses ganze Szenario, das derzeit aufgebaut wird, für viel zu schrill und die Begleitmusik stimmt überhaupt nicht.

    Barenberg: Und dazu gehört auch dieses Detail, dass angeblich die Ausweise der Deutschen gefunden worden seien. Das hat der Innenminister Thomas de Maizière ja heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk auch in Zweifel gezogen.

    Leyendecker: Ja. Es ist jedenfalls für halbwegs seriöse Menschen schwer nachzuvollziehen. Es mag alles so sein am Ende des Weges, doch würde ich im Moment mehr Zweifel haben als das Gefühl, dass wir von den Pakistanis hier sauber informiert werden.

    Barenberg: Werden wir denn überhaupt in nächster Zeit oder grundsätzlich Informationen haben, ob es stimmt, dass Deutsche dort getötet worden sind, wie viele es gewesen sind, wie die Namen lauten? Glauben Sie, das wird sich aufklären lassen?

    Leyendecker: Es wird Namen geben, das glaube ich schon. Ob es Aufklärung ist, ist eine andere Frage. Es werden Namen genannt werden. Manchmal werden ja auf den Web-Seiten der Islamisten die Märtyrer präsentiert. Das ist in der Regel verlässlich, muss man sagen. Von daher kann es durchaus sein, dass wir auf diesem Weg erfahren werden, wer da umgekommen ist.

    Barenberg: Sie haben davon gesprochen, dass das Klima zwischen der Bundesregierung und den USA nicht zum besten steht in dieser Angelegenheit. Wie sauber, wie verlässlich und wie gründlich versorgen die USA denn die Bundesregierung mit ihren geheimdienstlichen Informationen? Man hört ja immer wieder, dass es da Vorbehalte gibt in den USA und man den Deutschen nicht alles sagt, was man weiß.

    Leyendecker: Die Amerikaner sagen das ja. Auf der einen Seite sind es Partnerdienste. Man versucht auch tatsächlich, sich gegenseitig zu helfen im Kampf gegen Terrorismus. Aber die Amerikaner behaupten, dass sie den Deutschen nicht alles geben könnten, was sie anderen geben – beispielsweise geben sie den Israelis sehr viel mehr, heißt es immer -, weil in Deutschland alles so löchrig sei und da stünden dann in den Medien Details und das würde die Geheimdienstarbeit nicht leichter machen. Das wäre einer der Gründe dafür, dass jedenfalls die deutschen Dienste mitunter nicht das bekämen, was andere Dienste bekämen.
    Traditionell ist es so, dass die Amerikaner einen sehr starken Draht haben zu den Briten und dass sie auch mit den Israelis sehr eng zusammenarbeiten.

    Barenberg: Diese gezielten Angriffe in Pakistan mit Hilfe von Drohnen, es ist ja immer wieder die Frage, ob sie vom Völkerrecht eigentlich gedeckt sind oder nicht. Wie ist Ihre Einschätzung?

    Leyendecker: Wahrscheinlich nicht, aber ich glaube auch nicht, dass sich irgendjemand daran stört. Das Problem ist mehr, wie Pakistan damit umgeht, wie Pakistan dies löst. Ich glaube auch nicht, wie Herr Steinberg eben sagte, dass die Angehörigen dann klagen werden und dass die Bundesregierung in eine schwierige Lage gerät. Das ist ein Stückchen Normalfall geworden, man kann sagen leider, man kann auch sagen Gott sei Dank. Neulich ist auch wieder einer der wirklichen El Kaida-Führer, Abdul Jabbar, durch eine Drohne ums Leben gekommen. Es ist ein wirksames Instrument. Erstaunlich an dieser Geschichte ist natürlich, dass es sich hier bei den acht Leuten, wenn es die tatsächlich waren, um Fußvolk gehandelt hätte. Das ist eigentlich unüblich, dass man einfache Rekruten oder Soldaten dann angreift.

    Barenberg: …, sagt der Journalist Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung". Vielen Dank für das Gespräch, Herr Leyendecker.

    Leyendecker: Danke Ihnen!