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Lieberknecht: Schluss mit den Preistreibereien an den Tankstellen

Das EU-Parlament stimmt über eine Änderung der Steuer für Kraftstoffe ab. Diese sollen in Zukunft nach ihrem Energiegehalt und den Emissionen besteuert werden. Diesel könnte dadurch teurer werden. Die Menschen hätten bewusst in Dieselfahrzeuge investiert, da könne man nicht auf einmal die Pferde wechseln, sagte Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht.

Christine Lieberknecht im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Mario Dobovisek: Die Kraftstoffpreise bleiben auf Rekordniveau. Für den Liter Super zahlen Autofahrer derzeit rund 1,70 Euro, auch der Diesel ist mit 1,50 Euro teuer wie nie zuvor und könnte nach dem Willen des EU-Parlaments künftig sogar noch mehr kosten. Heute diskutieren die Abgeordneten in Straßburg darüber, ob Deutschland und die anderen EU-Staaten Kraftstoffe in Zukunft nach ihrem Energiegehalt und den Emissionen besteuern müssen. Da Diesel eine höhere Energiedichte als Benzin aufweist und damit mehr CO2-Ausstoß verursacht, könnte der Steuersatz nach Berechnung der Automobilwirtschaft um bis zu 22 Cent je Liter steigen. – Am Telefon begrüße ich Thüringens CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Guten Morgen, Frau Lieberknecht!

    Christine Lieberknecht: Guten Morgen.

    Dobovisek: Ihr Verkehrsminister, Christian Carius, lehnt eine solche Neuordnung der Besteuerung ab, bezeichnet sie als kontraproduktiv. Was ist falsch daran, die Besteuerung am Klimaschutz auszurichten?

    Lieberknecht: Es geht ja jetzt nicht nur um den Klimaschutz, sondern es geht darum, dass man nicht ständig die Pferde wechseln darf. Diesel gilt als wirklich die effizienteste Möglichkeit in Deutschland im Vergleich zu den Benzinern und die Menschen haben bewusst in Dieselfahrzeuge investiert, haben gut angelegt, und dann kann man nicht Menschen, die im Glauben daran ihre Investitionen getätigt haben, nun auf einmal sagen, wir wechseln die Pferde, wir machen jetzt den Diesel mit der Dieselsteuer um 22 Cent teurer. Das hat nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen hier zu tun und ich kann den EU-Parlamentariern wirklich nur empfehlen, sich einmal die Wirklichkeit unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzusehen, diejenigen, die jeden Tag zum Teil auch mit geringen Gehältern die Autos brauchen, Spritpreise, die in Rekordhöhe ohnehin schon sind. Ich kann nur sagen, damit schadet man am Ende auch Europa, das findet keine Akzeptanz bei den Menschen.

    Dobovisek: Diesel, wie Sie sagen, wurde seit Jahren als effizient gefördert. Heute sprechen wir aber auch über Feinstaub und Dieselruß. Einige Dieselfahrzeuge dürfen die Umweltzonen der Innenstädte gar nicht mehr befahren. Wann wird es Zeit für ein Umdenken?

    Lieberknecht: Es gibt schon genügend Besteuerung auch von Feinstaub, genügend Gegenmaßnahmen, und man kann diese Gegenmaßnahmen nicht immer nur beim kleinen Mann – und darum geht es ja in der Breite – ablagern, sondern man muss insgesamt die Industriepolitik sehen. Man muss auch sehen, wo in der Welt die meisten Ausstöße sind. Wir müssen uns weiter für die Klimaabkommen und deren Durchsetzung einsetzen. Da stehe ich wirklich an vorderer Front. Aber ich wehre mich dagegen, ...

    Dobovisek: Und hat Diesel dabei eine Chance auch für private Autos in Zukunft?

    Lieberknecht: Diesel muss weiter als diese effiziente Art gelten und kann nicht jetzt auf einmal neu klassifiziert werden mit einer neuen Besteuerung, sondern es muss Schluss sein mit den ständigen Benzin- und Spritpreistreibereien an den Tankstellen. Im Gegenteil: Wir brauchen eine Spritpreisbremse, dafür setze ich mich ein, und wir müssen wirklich den kleinen Mann auch mal in Ruhe lassen und sollen lieber in den großen Maßnahmen als Politik unsere Hausaufgaben machen und wie gesagt nicht ständig die Menschen verunsichern.

    Dobovisek: Kommen wir von einem fossilen Brennstoff zu erneuerbaren Energien. Die Solarwirtschaft gilt als Leuchtturm in den industriell schwachen neuen Bundesländern. Die Bundesregierung kürzt nun ein weiteres Mal die Solarförderung und prompt folgt eine Pleite oder Werksschließung der nächsten, SOLON in Berlin zum Beispiel, Q.CELLS in Bitterfeld, First Solar nun gerade in Frankfurt/Oder. Rund 5000 Jobs hängen auch in Thüringen an der Solarindustrie. Wie stark sind diese Arbeitsplätze gefährdet, Frau Lieberknecht?

    Lieberknecht: Diese Arbeitsplätze sind gefährdet. Deswegen gehören wir zu den Kritikern der neuesten Novelle des EEG und sagen, ...

    Dobovisek: Des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

    Lieberknecht: Ja, des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. - ... und sagen ganz klar, das schadet einer Branche, die wir mit viel Mühe aufgebaut haben, eine Zukunftsbranche. Die Solarbranche wird Zukunftsbranche bleiben. Es ist nur die Frage, mit unseren deutschen Firmen oder mit dem chinesischen Markt, mit anderen Firmen aus anderen Ländern. Ich bin dafür, dass wir selber die Wertschöpfung in Deutschland betreiben sollen. Die Zukunftsbranche Solar ist insgesamt weltweit ganz klar. Es ist nur die Frage unserer deutschen Beteiligung. Und eine Erfolgsbranche gerade in Mitteldeutschland so auf das Spiel zu setzen, das kann unsere Zustimmung nicht finden.

    Dobovisek: Sie sagen, Frau Lieberknecht, dass das Kürzen der Solarförderung durch die Bundesregierung der falsche Weg sei. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Haseloff droht mit einer Blockade im Bundesrat, wenn die Bundesregierung so weitermacht wie bisher. Wie weit würden Sie gehen, gegen Ihre im übrigen noch mal gesagt eigene Partei?

    Lieberknecht: Es gibt viele Themen, die durchaus kontrovers sind zwischen Bund und Ländern, und Sachsen-Anhalt und Thüringen haben hier einen absoluten Schulterschluss. Wir sind eng abgestimmt, weil wir die gleichen Probleme haben. Es geht um unsere Arbeitsplätze, es geht um unsere Zukunftsbranche und dafür kämpfen wir und das ist auch die Pflicht, die wir eingegangen sind als Ministerpräsidenten unserer Länder.

    Dobovisek: Wird das also das Aus der Solarförderungskürzung bedeuten?

    Lieberknecht: Das müssen wir sehen, wie dann die Mehrheitsverhältnisse am Ende sind. Aber unsere Aufgabe ist es, zunächst einmal auf die Folgen aufmerksam zu machen. Die sind so, wie Sie sie beschrieben haben: Arbeitsplätze sind akut in Gefahr. Der Zubau wird weiter erfolgen, es ist nur die Frage, ob mit oder gegen unsere deutschen Arbeitsplätze.

    Dobovisek: Nun steht allerdings auch der Vorwurf im Raume, dass die Solarunternehmen schlecht gewirtschaftet hätten, dass es Managementfehler gegeben habe. Warum sollte also der deutsche Steuerzahler dafür aufkommen?

    Lieberknecht: Das kann man so nicht verallgemeinern. Das ist wie in jeder Branche: Es gibt auch mal ein Fehlmanagement. Aber insgesamt gilt, dass man der Branche einen technologischen Fortschritt abverlangt hat, wie kaum einer anderen Branche, dass innerhalb weniger Jahre tatsächlich die Kosten halbiert werden konnten. Aber dann sagen wir auch, damit ist das Limit erreicht und jetzt soll auch da mal Verlässlichkeit, Kontinuität möglich sein und vor allen Dingen diese Branche, die weiter auf effizient setzt, mit Forschung, mit Entwicklung eher flankiert werden, als dass man sie so unter Druck setzt, dass man die Schraube am Ende überdreht, und dann haben wir die Firmeninsolvenzen und daran kann uns nicht gelegen sein.

    Dobovisek: Ich möchte diesen Punkt aber noch mal gerne aufgreifen, denn Solarzellen können viel günstiger in China produziert werden. Das ist seit Langem ebenso kein Geheimnis mehr wie die Tatsache, dass Häuslebauer sich eher für ein günstiges Angebot entscheiden, sofern die Qualität stimmt. Warum hat die deutsche Solarindustrie hierfür keine Strategie gefunden?

    Lieberknecht: Die chinesischen Module werden mit einer massiven Staatsförderung, mit Dumpingpreisen letztlich auf den Markt gebracht. Das müssen wir auch anprangern. Deswegen gibt es ja auch die Überlegung, ob wir so eine Art europäischen Local Content als einen Lösungsweg sehen. Frankreich und Italien gehen bereits diesen Weg. Es entspricht also auch nicht der chinesischen Effizienz der Produktion, es ist die Staatsförderung, die uns dort zu schaffen macht, ein ernsthaftes Problem.

    Dobovisek: Aber die Solarförderung in Deutschland ist doch auch eine Staatsförderung.

    Lieberknecht: Aber nicht in diesem Ausmaße, wie das im chinesischen Markt der Fall ist, und vor allen Dingen ist es bisher eine akzeptierte Förderung durch die Verbraucher. Es ist der Einspeisepreis, der von den Energieverbrauchern gezahlt wird, und er hat eine hohe Akzeptanz. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gehört hier nicht zu den Kritikern. Es ist auch hier ein Wettbewerb unter den verschiedenen Energieformen, die wir haben, wo wir sagen, Solar ist auf einem Erfolgsweg, und diesen Erfolgsweg möchte ich nicht abschneiden, sondern für den möchte ich mich weiter einsetzen.

    Dobovisek: Der Chef der Firma Solarworld, Frank Asbeck, sagt, Deutschland befinde sich mitten in einem Industriekrieg mit China. Lässt die Bundesregierung die Solarwirtschaft, die deutsche Solarwirtschaft jetzt alleine und riskiert damit, die gezahlten Millionensubventionen abschreiben zu müssen?

    Lieberknecht: Ich hoffe es nicht. Ich hoffe, man sieht die Folgen und entwickelt die tatsächlich wirksamen Gegenstrategien, und das heißt, mehr in Forschung und Entwicklung noch zu investieren, um die technologische Weiterentwicklung, die ich sehe mit dem Potenzial, was wir haben, tatsächlich zu ermöglichen. Und wie gesagt: Um 50 Prozent sind die Preise durch Technologiefortschritt schon gesunken auch bei deutschen Modulen. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber es braucht eben alles auch seine Zeit und da brauchen wir ein bisschen mehr, als dieser abrupte Abbruch der Förderung uns im Moment ermöglicht.

    Dobovisek: Thüringens Ministerpräsidentin, die CDU-Politikerin Christine Lieberknecht. Ich danke Ihnen für das Gespräch.

    Lieberknecht: Ja bitte sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.