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Linke wählt neue Fraktionsspitze
Wer beerbt Sahra Wagenknecht?

Nach dem Rückzug von Sahra Wagenknecht wählt die Bundestagsfraktion der Linken heute ihr neues Führungstandem. Der bisherige Co-Vorsitzende Dietmar Bartsch gilt als gesetzt. Bei der Entscheidung um Wagenknechts Nachfolgerin rechnen die Lager in der Fraktion mit einem knappen Ausgang.

Von Johannes Kuhn | 12.11.2019
Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag
Sahra Wagenknecht zieht sich aus der ersten Reihe der Links-Partei zurück (picture alliance/ dpa/ Sina Schuldt)
Gleich zwei Kandidatinnen wollen Sahra Wagenknecht an der Spitze der Fraktion nachfolgen. Eine davon ist Caren Lay, seit 2009 Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis rund um Bautzen und Hoyerswerda. Lay gilt als Zentristin. Die 46-Jährige ist Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitik, nach dem Mietendeckel in Berlin das Linke Thema der Stunde.
"Machen wir es besser - als Linke. Machen wir es besser - als rot-rot-grüner Senat. Dort wird es endlich einen wirkungsvollen Mietendeckel geben. Und daran sollten sich die Länder, aber vielleicht auch mal die Bundesregierung ein Beispiel nehmen."
Caren Lay (Die Linke) redet bei der Plenarsitzung des Deutschen Bundestages 
Kandidatin Caren Lay (dpa / Bernd von Jutrczenka)
Linker Flügel mit unerfahrener Kandidatin
Die zweite Kandidatin: Amira Mohamed Ali. Die 39-jährige Oldenburgerin sitzt erst seit dieser Legislaturperiode im Bundestag. Ihre Schwerpunkte: Tierschutz- und Verbraucherthemen - hier zum Beispiel bei einer Debatte zum Thema Stromabschaltung: "Das DAX-Unternehmen Eon machte im vergangenen Jahr drei Milliarden Euro Gewinn. Und diesem Unternehmen soll es nicht zumutbar sein, Menschen in Not weiter mit Strom zu versorgen, auch wenn ein Zahlungsrückstand besteht? Das ist doch lächerlich."
Mohamed Ali gehört zum linken Flügel, der von Sahra Wagenknecht angeführt wird. Der bisherige Co-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat intern signalisiert, sie zu bevorzugen - und damit das bisherige Bündnis aus Reformern und Wagenknecht-Linken weitführen zu wollen. Ob er dabei die vollständige Unterstützung seines Lagers hat, ist gegenwärtig unsicher.
Die Linken-Politikerin Amira Mohamed Ali spricht während der Sitzung des deutschen Bundestags, Berlin 25.10.2019
Kandidatin Amira Mohamed Ali (imago images / Christian Spicker)
Bartsch – gesetzt aber nicht unumstritten
Bartsch selbst hätte sich wohl auch die alleinige Fraktionsführung zugetraut. Wenn die Linksfraktion um 13 Uhr zusammenkommt, gilt er als zweiter Teil des Führungstandems gesetzt.
Er hatte sich schon vor der Thüringen-Wahl positioniert: "Es ist vermutlich keine Überraschung. Ich werde bei dieser Wahl als Fraktionsvorsitzender antreten. Und ich hoffe, dass wir auch nach dieser Wahl und nach dem anstehenden Parteitag dann wirklich neu am Start sind."
Bartsch selbst ist in der Fraktion dennoch nicht unumstritten. Die bekannt schlechte Stimmung wird nicht nur Wagenknechts konfrontativem Führungsstil, sondern auch ihm angelastet.
Knappes Wahlergebnis erwartet
Die Baupolitikerin Lay setzt deshalb auf die Unterstützung einer größeren Zahl Abgeordneter, die sich unter dem Duo Wagenknecht/Bartsch nicht genug gewürdigt sah: "Unsere Fraktion hat 69 engagierte und gute Abgeordnete. Wir haben große Potenziale, die vielleicht zu wenig zur Geltung gekommen sind. Ich würde diesen Potenzialen gerne wieder mehr zum Durchbruch verhelfen."
Dass Lay einst als Vertraute von Co-Parteichefin Katja Kipping galt, macht sie wiederum für den Wagenknecht-Flügel unwählbar. Kipping und Wagenknecht sind sich in herzlicher Abneigung verbunden. Andererseits gilt Mohamed Ali als unerfahren, ihr Gewicht gegenüber Bartsch wäre unklar.
Beide Kandidatinnen haben angekündigt, die Fraktion einen zu wollen. Ob das gelingen wird? Vertreter aller Lager rechnen mit einem knappen Wahlergebnis.