Freitag, 19. April 2024

Archiv

Lobby-Affäre um Philipp Amthor
"Hier ist eine Grenze überschritten"

Das Engagement von Philipp Amthor für eine US-Firma wecke den Eindruck der Käuflichkeit, meint Timo Lange von Lobbycontrol. Zwar sei Lobbyarbeit nichts Ungewöhnliches. Fragwürdig sei dies jedoch bei einem Bundestagsabgeordneten, der die Interessen der Bürger vertreten soll, sagte Lange im Dlf.

Timo Lange im Gespräch mit Stefan Heinlein | 16.06.2020
Philipp Amthor (CDU), Bundestagsabgeordneter
Dass im Fall von Philipp Amthor der Eindruck der Käuflichkeit entstehe, sei fatal, mein Timo Lange von Lobbycontrol (dpa/Michael Kappeler)
Die Tätigkeit des Bundestagsabgeordneten Philipp Amthor für ein US-Unternehmen sorgt für Kritik – auch parteiintern. Ein Fehler, wie die christdemokratische Zukunftshoffnung inzwischen einräumt. Doch Philipp Amthor bleibt unter Beschuss. Nicht nur die eigene Partei und die Opposition fordern eine lückenlose Aufklärung der Anschuldigungen. Aufklärungsbedarf sieht auch Timo Lange von Lobbycontrol, einem gemeinnützigen Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, über Machtstrukturen und Einfluss-Strategien in Deutschland aufzuklären. Amthor selbst habe bisher zur Aufklärung des Falles nur ungenügend beigetragen, sagte er im Interview mit dem Dlf.
Philipp Amthor (CDU), Mitglied des Bundestages, spricht mit Buergern im Rahmen der Abschlussveranstaltung des CDU-Wahlkampfes in Leipzig, 30.08.2019.
Lobbying-Affäre - Philipp Amthor muss sich schnell erklären
Die Tätigkeit des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor für ein US-Unternehmen stößt auf Kritik. Der 27-Jährige könne zwar noch CDU-Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern werden – aber nur, wenn reinen Tisch mache, kommentiert Silke Hasselmann.
Aufklärungsbedarf sieht auch Timo Lange von Lobbycontrol, einem gemeinnützigen Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, über Machtstrukturen und Einfluss-Strategien in Deutschland aufzuklären. Auch Amthor selbst habe bisher zur Aufklärung des Falles nur ungenügend beigetragen, sagte er im Interview mit dem Dlf.
"Da liegen noch nicht alle Fakten auf dem Tisch"
Heinlein: Ist der Fall Amthor ein Paradebeispiel für erfolgreiche Lobbyarbeit in Berlin?
Timo Lange von der Organisation Lobbycontrol
Timo Lange von der Organisation Lobbycontrol (dpa/Hannibal)
Timo Lange: Ja, das ist schon bemerkenswert, wie hier vorgegangen wurde: Dass Herr Amthor mit dem Briefpapier des Bundestages, mit dem offiziellen Bundesadler an das Wirtschaftsministerium herangetreten ist wie ein Lobbyist, mit großem Einsatz hier Termine vereinbart hat, auch an zwei dieser Termine mit einem Staatssekretär persönlich teilgenommen hat. Hier stellt sich schon die Frage: Woher kam denn eigentlich dieser große Einsatz für ein Unternehmen, das ja nicht aus seinem Wahlkreis stammt, sondern aus New York, dort mit unklarem Geschäftsmodell operiert. Und hier hat Herr Amthor zumindest mal einen großen Einsatz an den Tag gelegt, die Türen zu öffnen in der Bundesregierung. Fragwürdig und brisant wird es dann natürlich vor allem durch den darauf folgenden Direktorenposten, den er bekommen hat, und die Aktienoption, über die ja gerade berichtet wurde.
Stefan Heinlein: War Philipp Amthor käuflich? Kann man das jetzt schon sagen?
Lange: Dieser Eindruck der Käuflichkeit, der entsteht hier natürlich, und das ist fatal. Das ist dieser Eindruck, der die Menschen dann wirklich auf die Palme bringt, wo viele sagen: Das kann doch nicht sein, dass hier jemand so vorgeht und einen persönlichen Vorteil zieht, möglicherweise eine Gegenleistung bekommen hat für die Lobbyarbeit, die er gemacht hat. Ganz klar kann man das nicht sagen, auch weil die Gesetze, die es da gibt, teilweise sehr unklar sind. Das muss vor allem dann noch mal weiter aufgeklärt werden. Da liegen noch nicht alle Fakten auf dem Tisch. Wann wurde zum Beispiel zuerst über Aktienoption und einen Direktorenposten gesprochen? Wie ist eigentlich dieser Brief zustande gekommen, der ja wohl vorher auch bei Augustus Intelligence herumgereicht wurde und abgestimmt wurde.
"Fehlendes Bewusstsein für Interessenkonflikte"
Heinlein: Nun ist Philipp Amthor immer noch ein sehr junger Mann mit seinen 27 Jahren. Er hat klar und offen erklärt: Es war ein Fehler. Das hat er auf seiner Homepage geschrieben. Muss man einem jungen Mann wie Philipp Amthor nicht zugestehen, Fehler zu machen, sich dafür zu entschuldigen, ohne ihn direkt politisch zu beerdigen?
Lange: Na ja, das ist immer so eine Frage mit den Fehlern und auch einem jungen Alter. Herr Amthor möchte gerne Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern werden. Er möchte vielleicht dort dann Ministerpräsident werden. Die Ambitionen sind hoch. Dementsprechend ist es auch klar, dass hier Verantwortung übernommen werden muss, dass man ihn an seinen Handlungen messen muss, und er hat bisher zur Aufklärung des Falles nur ungenügend beigetragen. Sein Statement ist doch relativ dünn.
Heinlein: War Philipp Amthor nach Ihrer Einschätzung einfach nur naiv oder besonders dreist, dass er sich jetzt hat einspannen lassen von diesem US-Startup?
Lange: Ja, das ist auch eine Frage. Ich bin kein Psychologe. Vielleicht hat er sich hier beeindrucken lassen von der teuren Adresse in New York, von dem aus seiner Sicht illustren Kreis an Unternehmern und Ex-Politikern, die dort beteiligt waren. Er hat zumindest aus meiner Sicht ein sehr fehlendes Bewusstsein für Interessenkonflikte an den Tag gelegt, auch eine Fehleinschätzung begangen, wie sieht das denn aus, wenn ich mich hier als Lobbyist quasi einsetze für ein Unternehmen und hinterher dafür dann mit einem Posten und Anteilsoptionen, vielleicht auch noch mit Reisen belohnt werde.
Rollenvermischung krass und fragwürdig
Heinlein: Darf denn ein Abgeordneter sich grundsätzlich für die Interessen eines Unternehmens einsetzen, wenn er es für sinnvoll erachtet, oder sind ihm da in jeder Hinsicht durch Recht und Gesetz die Hände gebunden?
Lange: Anders als ein Beamter eines Ministeriums darf ein Abgeordneter sich durchaus für Einzelinteressen einsetzen, und es ist ja auch nicht unüblich, dass sich Abgeordnete für Unternehmen aus ihrem Wahlkreis politisch stark machen. Fragwürdig wird es auch da, wenn man zum Beispiel einen Tabak-Konzern im Wahlkreis hat und dann im Bundestag verhindert, dass es strengere Tabakgesetze gibt. Das sind dann fragwürdige Vorgänge. Aber grundsätzlich ist das nicht verboten. Hier geht es ja um ein New Yorker Unternehmen, das mit dem Wahlkreis von Herrn Amthor auch gar nichts zu tun hat.
Heinlein: Ist der Fall Amthor, abschließend die Frage, nur ein besonders krasses Beispiel für politische Lobbyarbeit in Berlin, oder sind diese Abläufe, so wie sie bekannt sind, bisher die Regel, wenn ein Unternehmen das Ohr der Politik erhalten will?
Lange: Dieses Türöffnen in den Ministerien, Türöffnen in der Politik, das gehört zur Lobbyarbeit dazu. Da gibt es auch Lobby-Dienstleister, Agenturen, die man damit beauftragen kann, die über ein gutes Netzwerk verfügen. Das ist an sich jetzt nichts Ungewöhnliches. Krass ist und fragwürdig ist diese Rollenvermischung als Bundestagsabgeordneter, der die Interessen der Bürgerinnen und Bürger vertreten soll und nicht die von einzelnen Unternehmen primär. Lobbyarbeit neben dem Abgeordneten-Mandat kommt zwar immer mal wieder vor, aber das sollte wirklich nicht sein. Hier ist eine Grenze überschritten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.