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Lockerungen in der Coronakrise
Spahn (CDU): "Wir müssen zielgenauer eingreifen"

In der Debatte über Lockerungen in der Coronakrise plädiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dafür, lokaler zu denken. Nicht für Bundesländer, sondern für einzelne Regionen müssten Regelungen gefunden werden. Dort, wo Infektionsherde entstünden, müsse zielgenau eingegriffen werden, sagte Spahn im Dlf.

Jens Spahn im Gespräch mit Philipp May |
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU, aufgenommen vor Beginn einer Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt Berlin, 29.04.2020. Berlin Deutschland
Jens Spahn (CDU): Die größten Einschränkungen in die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in der Geschichte der Bundesrepublik (imago-images/ photothek)
Gemeinsam mit den Bundesländern sowie den kommunalen Vertretern vor Ort müssten nun Kriterien entwickelt werden. "Viel früher, viel zielgnauer, wo ein Ausbruchsgeschehen sich entwickelt, etwa in Altenheim oder Schulen, dort müssen wir sehr schnell mit einschränkenden Maßnahmen lokal vorgehen, damit daraus nichts Größeres werden kann", sagte der Bundesgesundheitsminister.
Die entscheidende Frage sei nicht, ob es Lockerungen gebe, sondern wie sie durchgeführt würden. "Diese Debatte müssen wir führen", sagte Spahn. Er sehe eine sehr große Kreativität, was Hygienemaßnahmen betrifft - so in der Gastronomie, bei Fitnesstudios, in Unternehmen und im Einzelhandel. "Wichtig ist, dass wir uns diese Konzepte anschauen. Da, wo es gelingt, kann man in einen neuen Alltag gehen", so Jens Spahn.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) spricht während einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei in Magdeburg. Sachsen-Anhalt lockert die seit sechs Wochen geltenden Kontaktbeschränkungen und wird damit zu einem Vorreiter. Von Montag an dürfen fünf Menschen zusammen unterwegs sein, auch wenn sie nicht in einem Haushalt leben
"Die Altmark muss anders behandelt werden als Tirschenreuth"
Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), hat die Lockerung der Kontaktbeschränkungen in seinem Bundesland verteidigt. Es habe zuletzt so wenige Neuinfektionen gegeben, dass weitere Beschränkungen den Menschen nicht zu vermitteln seien, sagte er im Dlf.

Das Interview mit Jens Spahn in voller Länge.
Philipp May: Eine einheitliche Linie wollten Bund und Länder fahren bei den Lockerungen der Maßnahmen der Coronakrise. Doch erst preschte Sachsen-Anhalt vor und kündigte an, Zusammenkünfte mit fünf Personen wieder erlauben zu wollen. Dann Nordrhein-Westfalen mit der Ankündigung, die Kitas notfalls im Alleingang zu öffnen. Dann Niedersachsen mit Restaurantöffnungen ab Montag, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern, wo die Strände Pfingsten auch wieder öffnen sollen. Die Länder preschen vor und Sie stehen an der Seitenlinie. Ist das in Ihrem Sinn?
Jens Spahn: Zuerst einmal, Herr May: Demokratie ist Diskussion und ich würde mir Sorgen machen, wenn es keine Debatte gäbe, auch über die Auswirkungen dieser stark ja in die Freiheit eingreifenden Maßnahmen, was das für die Wirtschaft bedeutet, aber auch vor allem, wie wir den Gesundheitsschutz sicherstellen. Debatte finde ich normal.
Gleichwohl sehen wir auch – das zeigen Umfragen und ich denke, das spürt jeder von uns auch -, Akzeptanz für die Maßnahmen steigt, wenn sie nachvollziehbar sind, wenn sie auch einheitlich sind in ihren Grundsätzen, vor allem möglichst Gesundheitsschutz sicherzustellen, und wenn wir auch einheitlich vorgehen. Und dass so wenige Tage vor einer Runde der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin, der Bundesregierung allzu viele unterschiedliche Signale durch Entscheidungen bereits gesetzt werden, das ist natürlich nicht das, was zu einem einheitlichen Vorgehen beiträgt.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
May: Sie sprechen die Debatte an. Man könnte ja auch sagen, die Ministerpräsidenten nehmen jetzt die Kanzlerin beim Wort, indem sie auf Öffnungsdiskussionsorgien einfach verzichten und einfach so öffnen, ohne Diskussionsorgie.
Spahn: Die eigentliche Frage ist doch, was steckt dahinter, was bewegt uns alle, was erreicht uns alle. Und wir spüren ja, nachdem wir gemeinsam es geschafft haben, den Ausbruch des Virus aus einer dynamischen Entwicklung Anfang/Mitte März wieder in eine Kontrolle zu bringen, die wir jetzt jedenfalls, Stand heute, erreicht haben, mit der Zahl der Neuinfektionen, mit der Zahl der Akutinfizierten, mit einem Gesundheitswesen, das, Stand heute, damit umgehen kann, gibt es natürlich die berechtigte Frage auch der Bürgerinnen und Bürger nach Perspektive, nach Perspektive in diesen neuen Alltag – vor allem für diejenigen, die auch stark getroffen sind. Sie müssen sehen: Jemand, der in der Gastronomie ist, sich gerade selbständig gemacht hat, mühsam eine Stammkundschaft aufgebaut hat, einen Kredit aufgenommen hat, der steht natürlich vor der wirtschaftlichen Existenzfrage, und derjenige fragt nach einer Perspektive. Insofern verstehe ich die Debatte und ich finde auch wichtig, dass sie geführt wird, aber es ist auch genauso wichtig, dass wir Verlässlichkeit und Vertrauen geben durch klare Kriterien und durch ein gemeinsames Vorgehen.
"Schritt um Schritt auch in diesen neuen Alltag gehen"
May: Jetzt haben Sie gesagt, was aus Ihrer Sicht die Frage ist. Dann würde ich direkt meine Frage daran anschließen. Geht Ihnen das jetzt alles zu schnell, beziehungsweise sind die Maßnahmen eigentlich richtig, nur die Art und Weise des Vorpreschens, die ist falsch?
Spahn: Die entscheidende Frage ist ja, was sind die Kriterien, die Grundlage für die Entscheidungen.
May: Dass die Fallzahlen zurückgehen, jetzt über einen langen Zeitraum.
Spahn: Ich meine jetzt auch für die Frage, wer darf. Die Frage ist doch nicht, ob Restaurants zum Beispiel geöffnet werden können, sondern unter welchen Umständen, wie sie geöffnet werden können. Ich finde, die Debatte müssen wir führen. Es ist doch wichtig, gemeinsam ein Verständnis zu haben, dass es um Abstand geht, um die Minimierung von Infektionsrisiken geht, um Hygieneregeln geht, und ich sehe einfach eine ganz, ganz große Kreativität, eine ganz, ganz große Bereitschaft, ob es Fitness-Studios sind, ob es Teile der Gastronomie sind, ob es Unternehmen sind, Einzelhandel, Konzepte zu entwickeln, entwickelt zu haben, mit denen genau das möglich ist. Deswegen finde ich es sehr, sehr wichtig, dass wir uns diese Konzepte anschauen, dass wir nach Kriterien vorgehen, und da, wo es gelingt, das Infektionsrisiko so weit wie möglich zu minimieren, dort kann man dann Schritt um Schritt auch in diesen neuen Alltag gehen. Aber dieser neue Alltag heißt zum Beispiel an vielen Stellen Abstand halten.
Geschlossene Außengastronomie in Deutschland
Immer mehr Alleingänge statt Einigkeit
Es brauche Verlässlichkeit und keinen drohenden föderalen Überbietungswettbewerb in der Coronakrise, kommentiert Alexander Budde. Die Lockerungs-Alleingänge von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt seien daher ein verheerendes Signal.
May: Und genau so hat Stephan Weil, Ministerpräsident von Niedersachsen, ja gestern in den Tagesthemen seine Maßnahmen, sein Vorpreschen begründet und relativ unverhohlen Kritik auch an der bisherigen Lockerungsstrategie geübt. Er hat gesagt, es gäbe genau dieses Gesamtkonzept nicht. Das habe er aber jetzt für Niedersachsen vorgelegt. – Ziehen Sie sich den Schuh an, dass die Bundesregierung da zu langsam war bisher?
Spahn: Zuerst einmal sind wir das ja immer gemeinsam, Bundes- und Landesregierungen, auch in den letzten Wochen gewesen in der Entscheidung in die Maßnahmen hinein. Ich erinnere mich noch sehr gut an den 13. März, die Ministerpräsidentenkonferenz, wo wir auch über Kita- und Schulschließungen zum ersten Mal gesprochen haben – übrigens zu einem Zeitpunkt, der uns überhaupt erst möglich gemacht hat, so erfolgreich dieses Virus einzudämmen. Ich würde mir manchmal wünschen, auch in der Debatte, wie wir sie heute führen, dass wir wahrnehmen als Gesellschaft, was wir zusammen erreicht haben. Wir haben es geschafft, auch dadurch, dass ganz, ganz viele Bürgerinnen und Bürger mitgemacht haben, aufeinander Acht gegeben haben, den Ausbruch bis hierhin miteinander in den Griff zu bekommen, dass das Gesundheitswesen an keiner Stelle überfordert war, und das, was in anderen Ländern passiert ist, bei uns nicht passiert ist. Ich habe manchmal den Eindruck, den Teil, den nehmen wir gar nicht mehr wahr, aber das war ja auch notwendig, um etwas zu vermeiden. Manchmal sind Familienprobleme diejenigen, die dann am schnellsten vergessen werden.
Oberleitschnur: so viel Normalität wie möglich, so viel Schutz wie nötig
May: Herr Spahn, das verstehe ich – lassen Sie mich da ganz kurz einhaken -, dass Sie das noch mal hervorheben. Aber die Kritik kommt jetzt genau so verstärkt gerade von denen, die diese Maßnahmen am Anfang, von denen Sie gerade gesprochen haben, am 13. März mitgetragen haben, aus voller Überzeugung mitgetragen haben, die aber sagen, den Shutdown anzuordnen, das sei vergleichsweise leicht gewesen, aber jetzt kommt der schwere Teil, nämlich die Rückkehr in eine, wie auch immer geartete neue Wirklichkeit, und da agieren die politisch Verantwortlichen zunehmend planlos. – Können Sie das verstehen?
Spahn: Ich verstehe, dass es den Wunsch nach möglichst einheitlichem Vorgehen gibt, nach möglichst klaren Kriterien. Das ist auch das, was ich ja immer wieder sage und worauf ich immer wieder hinweise. Ich finde, die Oberleitschnur ist, so viel Normalität wie möglich, so viel Schutz wie nötig. Aber ich sage noch einmal, Herr May: Das sind die größten Einschränkungen in die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in der Geschichte der Bundesrepublik. Und gleichzeitig ist die Bedrohung durch dieses Virus so unwägbar, so auch zum Teil ja unsichtbar, und damit auch mit Sorgen und Ängsten verbunden wie wenig anderes in unserer Geschichte. Und dass es da auch eine Kontroverse gibt, eine Debatte gibt – ich weiß nicht, wie Sie das sehen. Ich spüre das ja auch in meinem Freundeskreis, in der Familie, wie die einen sagen, Vorsicht, bloß nicht, große Sorgen und Angst, und die anderen sagen, aber es muss doch endlich zurückgehen in den Alltag, es ist doch nichts passiert.
May: Der Preis wird langsam zu hoch, sagen die einen.
Spahn: Genau, und das sind die Extrempositionen. Jetzt muss es uns doch gelingen, damit die Gesellschaft auch zusammen bleibt – ich habe die Tage in einem ICE einen richtigen Streit erlebt zwischen Maskenträgern und Nicht-Maskenträgern mit gegenseitigen Vorwürfen.
May: Haben die Sie erkannt?
Spahn: Ja.
"Geschafft, wieder zu einem Gemeinschaftsgefühl zu kommen"
May: Haben Sie den Schiedsrichter dann gespielt?
Spahn: Das hat aber nicht den Streit verändert. Aber ich habe dabei gespürt, was gerade in der Gesellschaft ja passiert, und ich finde, wir müssen sehr aufpassen durch eine gute Debatte, in der auch jede Position stattfindet, auch gehört wird und abgewogen wird, aber zu Kompromissen zu kommen, die uns zusammenhalten. Wir haben es geschafft, wieder zu einem Wir-Gefühl, einem Gemeinschaftsgefühl zu kommen, nach Monaten von Aggressivität in der Debatte vor Corona, und ich fände es sehr, sehr wichtig, dass wir es jetzt auch schaffen, durch Debatte und nachvollziehbare Kompromisse genau dieses Gefühl uns zu erhalten.
May: Die Chance wurde jetzt ein Stück weit genommen, durch das – sagen wir es einfach mal so – Vorpreschen einiger Länder. Schauen wir mal, was das jetzt in der Praxis bedeutet. Sie vertreten den Landkreis Steinfurt. Das ist direkt an der Grenze zu Niedersachsen. Ist es vorstellbar, dass beispielsweise in Osnabrück die Restaurants demnächst offen sind, aber bei Ihnen, wenige Kilometer weiter, nicht ab Montag?
Spahn: Das ist in der Übergangsphase sicherlich das, was auch im Föderalismus ja schon in den letzten Wochen passiert ist. Aber auch da würde ich wieder sagen, Herr May: Was wir, glaube ich, miteinander entwickeln müssen, ist gar nicht Regelungen an den Landesgrenzen, sondern regionale Unterschiede. Wir haben Landkreise, da gab es in den letzten sieben Tagen gar keine neue Infektionen, oder nur eine Hand voll, und damit kann man natürlich in so einer Region gerade auch im Norden anders umgehen als in Landkreisen, wo wir 70, 80 Infektionen, zum Teil in den letzten Wochen über 100 Neuinfektionen in den letzten sieben Tagen hatten.
Ich finde, was wir entwickeln müssen, mit den Bundesländern zusammen, sind Kriterien, wann gehen wir frühzeitig auch bei solchen Landkreisen mit den kommunalen Behörden vor Ort stärker rein und kommen dann wieder zu Einschränkungen. Viel früher, viel zielgenauer, regional, wo ein Ausbruchsgeschehen sich entwickelt. Da muss man schauen: ist es in einer Pflegeeinrichtung, in einer Schule, ist es nach einer Veranstaltung. Dann sehr, sehr schnell auch mit einschränkenden Maßnahmen lokal vorgehen, damit daraus erst gar nicht was Größeres werden kann.
Wenn wir da das Instrumentarium – da sind wir dabei – richtig miteinander entwickeln, dann wird es immer mal wieder Regionen geben, wo man stärker auch eingreift, auch vielleicht beschränkt, aber damit den Rest des Landes tatsächlich auch schützt.
Markus Söder (l-r, CSU), Ministerpräsident von Bayern, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), und Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, äußern sich bei einer Pressekonferenz nach der Schaltkonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und der Bundesregierung mit den Ministerpräsidenten der Länder im Bundeskanzleramt zum weiteren Vorgehen in der Corona-Krise.
"Das ist Wettbewerbsföderalismus"
Das unterschiedliche Vorgehen der Bundesländer bei den Lockerungen der Corona-Maßnahmen sei kein Flickenteppich, sondern ein Wettbewerb der Ideen, sagte der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte im Dlf. Dabei seien gerade die Parlamente und die Medien gefordert.
Immer bessere Antikörpertests
May: Dann schauen wir mal auf einen Landkreis, der in aller Munde ist im Zusammenhang mit Corona: Heinsberg. Gestern sind weitere Ergebnisse der sogenannten Heinsberg-Studie veröffentlicht worden, erster Corona-Hotspot in Deutschland. Demnach haben sich deutlich mehr Menschen mit dem Corona-Virus angesteckt, als offiziell erfasst. Wenn man das auf Deutschland hochrechnet, dann käme man auf eine Zahl von 1,8 Millionen mit Corona-Infizierten. Die Zahl ist mit Vorsicht zu genießen, das wissen wir. Dennoch: Die Sterblichkeitsrate des Virus sankt demnach auf 0,37 Prozent. Ist das eine gute Nachricht, oder ist das eher eine schwierige Nachricht für den Bundesgesundheitsminister?
Spahn: Es ist zuerst einmal gut, solche Studien zu haben auf Heinsberg bezogen. Wir haben jetzt auch immer bessere Antikörpertests. Wir machen parallel auch mit dem Robert-Koch-Institut gerade bundesweit repräsentative Studien, um wirklich zu wissen, wieviel Prozent der Bevölkerung waren infiziert.
Und ja, es gibt viele, die auch symptomfreie Verläufe haben, die gar nicht gewusst haben und wissen, dass sie infiziert waren, und das relativiert natürlich dann im Verhältnis der Zahl der Infizierten zu den Todesfällen und den schweren Verläufen tatsächlich etwa die sogenannte Todesrate. Wir müssen die Zahlen jetzt mal auswerten. Aber natürlich sagt die Frage, wie viele müssten intensiv behandelt werden und wie viele sind verstorben, was über die Gefährlichkeit dieses Virus, und deswegen sind solche Informationen sehr, sehr wichtig.
May: Heißt das, dass wir verstärkt lockern können, weil das Virus nicht so gefährlich ist mit einer Todesrate von 0,37 Prozent? Oder müssen wir eher aufpassen, weil einfach viel mehr Leute ansteckend sind, als man das denkt – politisch gesehen auch?
Spahn: Es ist tatsächlich beides. Es sind viele ansteckend, die symptomfrei sind, die es gar nicht merken. Das haben wir gerade auch bei Testungen im Sport gesehen – viele, die es gar nicht wissen. Deswegen macht auch in bestimmten Situationen in der U-Bahn ein Mund-Nasen-Schutz zum Beispiel Sinn. Oder aber, dass wir Acht geben aufeinander, etwa beim Einkaufen, wenn wir uns nahe kommen. Gleichzeitig ist die Frage, wie viele Menschen brauchen Intensiv- und Beatmungsmedizin – und das sind ja leider auch diejenigen, wo das Risiko zu versterben besonders hoch ist -, das sagt ja was darüber aus, wie sehr das Gesundheitswesen unter Stress kommen kann – dann, wenn die Zahlen zu schnell zu groß werden. Deswegen ist das eine sehr, sehr wichtige Kennziffer. Aber die Studie ist gestern veröffentlicht worden. Die müssen wir jetzt natürlich auch vernünftig auswerten.
"Das grundsätzliche Konzept der DFL macht Sinn"
May: Herr Spahn, mit Blick auf die Zeit. Einen Schlenker können wir noch machen. Lassen Sie uns noch kurz über die Fußball-Bundesliga reden. Die will ab nächster Woche, das Wochenende 15. Mai, ihre Saison wieder fortsetzen – mit Geisterspielen und einem Hygienekonzept. Sie standen dem sehr positiv gegenüber. Jetzt hat es insgesamt zehn positive Corona-Tests schon gegeben in der Bundesliga und ein Kabinen-Video, das gerade für Aufsehen sorgt, eines Hertha-Spielers, bei dem in kurzer Zeit ziemlich viele Hygieneregeln verletzt worden sind. Ändert das Ihre Einschätzung?
Spahn: Das grundsätzliche Konzept – das ist ja auch vom Arbeitsschutz her, auch vom Arbeitsministerium betrachtet worden und auch von uns und anderen unter gesundheitlichen und Hygieneaspekten -, das grundsätzliche Konzept macht Sinn, kann auch Vorbild sein im Übrigen für andere Profisportbereiche durchaus. Aber dann muss es natürlich auch gelebt werden und deswegen war es wichtig, dass dieser Verein nach diesem Video auch Konsequenzen gezogen hat. Und ich hoffe, dass jetzt alle verstanden haben, dass es hier um was geht, und zwar geht es einerseits um was bei der Bundesliga natürlich, die auch übrigens wirtschaftlich ein Exportschlager ist. Insofern, wenn das Infektionsrisiko auch dort minimiert ist und vor allem auch klar ist, wo die Priorisierung beim Testen ist. Das ist aber auch klar. Natürlich müssen die Tests zuerst fürs Gesundheitswesen verwendet werden, und wenn dann noch was geht, kann da getestet werden. Dann, glaube ich, macht es Sinn, auch im Profisport Schritt um Schritt in einen neuen Alltag zu kommen. Aber der muss dann auch gelebt werden und die Vereine müssen dann auch garantieren können, in der Lage sein, dass ihre Spieler, egal wie jung oder alt, das dann auch umsetzen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.