Donnerstag, 28. März 2024

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Logo-Ausstellung in Ingolstadt
Die Aldi-Tüte kommt ins Museum

Wegwerfartikel werden zum Sammlerstück: Alltagsgegenstände sind längst in der Kunst angekommen. Manche Künstler leiden aber unter ihrem massenhaften Erfolg. Einer entschuldigt sich sogar für seinen Ausflug zum Discounter.

Von Julian Ignatowitsch | 24.10.2016
    Auf Aldi-Nord Tüten sind blau-weiße Streifen zu sehen: Entworfen hat sie der Künstler Günter Fruhtrunk.
    Das Muster mit den blau-weißen Streifen ist ein Kunstwerk von Günter Fruhtrunk. (DPA / Roland Weihrauch)
    "Maler verdient mit fünf Strichen 100.000 Mark", so titelte die "Bild"-Zeitung 1974. Ein Aufreger! Ja, ein Skandal! Und so ist das ja oft, wenn es um hohe Preise für scheinbar simple Kunstwerke geht. Die fünf blauen Striche sind: das Logo der Deutschen Bank. Der glückliche Maler und Designer war Anton Stankowski.
    Theres Rohde: "Ein Logo das weltweit funktioniert, ohne dass man das Produkt oder den Dienstleister nennen muss. Jeder erkennt das Quadrat mit der Schrägen beziehungsweise das Schrägstrich im Quadrat. Es entfachte Aufmerksamkeit und das will ein Logo. Es will Aufmerksamkeit und überall erkannt werden."
    Kuratorin Theres Rohde lacht verschmitzt angesichts dieses Coups, der, nebenbei gesagt, heute sicher weit mehr wert ist als 100.000 Mark. Stankowski hat damit nicht nur ein unverwechselbares Markensymbol erschaffen, sondern auch einen Meilenstein der Kunstgeschichte:
    "Besonders weil viele auch Fragen: 'Was ist denn Konkrete Kunst'? Und wir können sagen: 'Schaut Euch das Deutsche Bank-Logo an'. Weil viele auch denken Konkrete Kunst ist etwas Sperriges, Weltfremdes, aber tatsächlich gehört das zu unserem Leben dazu."

    16 bunte Logos von Konstantin Voit
    Konstantin Voit Die Malfabrik, Block 7 (Werbeblock): 16 Logos, 2005/2006 Spray auf Leinwand (Konstantin Voit)
    Alltag, Design und Konkrete Kunst. Diese drei Kategorien verschwimmen in der Ausstellung mit jedem gezeigten Beispiele mehr und mehr. Eigentlich ist es ja überspitzt gesagt so: Der Künstler ist ein freidenkendes, unbeschränktes Genie. Der Designer ein von Zwängen und Unternehmensforderungen fremdgeleiteter Dienstleister. Diese Auslegung hat schon Stankowski nicht gefallen:
    Theres Rohde: "Er hat mal gesagt: 'Ich kann nicht morgens Kunst und nachmittags Design machen. Design oder Kunst, es muss einfach gut sein.‘ Kunst und Design kann sich ausschließen muss es aber nicht."
    Und genau das zeigt die Ausstellung in Ingolstadt und holt die Logos ins Museum. Ein begrüßenswerter Ansatz! Form und Farbe, das sind sowohl für die Markengestaltung als auch die Konkrete Kunst die zwei zentralen Kategorien. Warum also nicht beides zeigen?
    Da sind zum Beispiel die vier Ringe von Audi, die ursprünglich den Zusammenschluss von vier unterschiedlichen Firmen signalisieren sollten. Oder das rote Dreieck von Apollinaris, vielfach kopiert und nachgeahmt. Die berühmte Raute von Renault von Victor Vasarely, passend zum kantigen Chassis der Autos. Oder das Rechteck der Deutschen Bahn, das dem Betrieb nach einer farblichen Umkehr - rote Schrift auf weißem Grund statt umgekehrt - Millionen einsparte. Dem Gestalter Kurt Weidemann ("Mach es gut, mach es gleich, mach es gern.") sei Dank. So beschwert sich auch niemand über die 200.000 Mark Honorar!
    Selbstbild des Künstlers kann Schaden nehmen
    Manchmal leidet dann aber doch der Ruf oder gar das Selbstbild des Künstlers. Günter Fruhtrunks Design für die Aldi-Tüte ließ plötzlich viele seiner Bilder wie, tja, eben Aldi-Tüten aussehen. Und er selbst entschuldigte sich vor seinen Schülern dafür. Für zeitgenössische Künstler ist das eher kein Problem. Guido Münch malt Logos auf Wand und Leinwand, beispielsweise das Master-Card / Maestro-Symbol. Er meint zum Fall Fruhtrunk:
    "Dass man als Künstler eine Aldi-Tüte entwirft, sehe ich als total unproblematisch. Und auch dass es in Richtung Grafikdesign und Gestaltung geht, sehe ich als unproblematisch, weil dort ja eigentlich die gleichen Kräfte am Werk sind. Problematisch wird es, wenn Kunst in ihrer Freiheit beschränkt wird oder man Kompromisse machen muss."
    Wenn die Telekom also ihre ganze Produktlinie nach der Farbe Magenta ausrichtet, dann ist sie formal gar nicht so weit weg von Künstler Rupprecht Geiger, der knallige Neonfarben zu seinem künstlerischen Markenzeichen machte. Das pinke Geiger-T neben einem magentafarbenen Telefonkasten – eine erhellende wie provokative Schlusspointe.
    Ein Plakat der Ausstellung mit einer alten Schwarzweißfotographie eines Rauchers der Ringe bläst
    „Logo. Die Kunst mit dem Zeichen“ Plakatmotiv zur Ausstellung. Darin Verwendung: Anton Stankowski, Raucherspaß, 1935 (Museum für Konkrete Kunst / Stankowski-Stiftung)
    Zusammenfassend kann man sagen: Viele Logos unterschieden sich im optischen Ergebnis, in ihrer reduzierten Genialität gar nicht vom Konkreten Kunstwerk, und einige sind ja auch von Künstlern entworfen worden, aber der Entstehungsprozess und Funktionszweck ist eben doch ein ganz anderer. Denn ein Logo definiert eine Marke, soll zum Kauf anregen, hat einen klaren Zweck. Was ein Kunstwerk soll, das entscheidet der Betrachter, es hat keinen primären Zweck. Und solange die Telekom Telefonleitungen verkauft, wird ein Platz im Museum eher die Ausnahme bleiben.