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Lohengrin als Machtmensch

Die Oper "Lohengrin" von Richard Wagner wurde 1850 in Weimar uraufgeführt. Sie handelt vom Herzogtum Brabant, das ohne männlichen Thronfolger da steht. Lohengrin soll die unschuldige Elsa, der die Hinrichtung droht, aus dem Erbschaftsstreit retten – diesmal an der Deutschen Oper in Berlin.

Von Mascha Drost | 16.04.2012
    Der Komponist Richard Wagner, Foto eines Gemäldes von 1843
    Der Komponist Richard Wagner, Foto eines Gemäldes von 1843 (picture alliance / dpa / Zentralbild)
    Da ist er wieder – der Lohengrin, der mit seiner silbrig-glänzenden, auratischen Stimme von Berlin über Bayreuth, Mailand und New York Opernhäuser in Begeisterungsstürme versetzt. Klaus Florian Vogt ist der Schwanenritter der Stunde, der letzten und der kommenden Jahre – ob in Rüstung, schwarzem Anzug oder wie gestern mit zwei riesigen Schwanen – bzw. Engelsflügel auf den Schultern. Dabei war – oder sollte er zumindest – hier alles andere als ein Heilsbringer, eine mythische Lichtgestalt sein: vielmehr ein taktierender Narziss, ein Machtmensch der Kriegsgelüste schürt und sich der willfährigen Massen bedient. Ein Brutalo im weißen Gewand, der nicht davor zurückschreckt, seine Elsa am Arm zu zerren oder den Gegner Telramund mithilfe von Tricks außer Gefecht zu setzen. Und der auf Krieg statt Erlösung setzt. Wohin das führt, zeigt gleich zu Anfang eine Bühne voller gefallener Soldaten, die blutigen Uniformen aus verschiedenen Jahrhunderten. Wiedergänger der Geschichte die sich unisono und von Kampfeslust berauscht auf die Seite des Stärkeren schlagen – in dem Fall mit der geballten Kraft, Präzision und bewundernswerten Strahlkraft des Chores der Deutschen Oper Berlin.

    Lohengrin als Machtmensch – für dieses nicht uninteressante Konzept war die derzeit wohl beste Besetzung dieser Rolle trotzdem die falsche. Der Gesang strafte in diesem Fall die Regie Lügen, jeder Versuch in diese Richtung wurde von dem fast überirdischen Gesang Klaus Florian Vogts abgelenkt, so wacker er sich auch in der übrigens ziemlich dürftigen Personenregie schlug. Gegen seine Töne ist kein böses Kraut gewachsen, der gewollt negative Held machte sich selbst unglaubwürdig. Der Regisseur nach spätestens zwei Akten ebenso. Ein kruder Einfall reiht sich an den nächsten, der Held posiert mal als Goldelse von der Berliner Siegessäule mal als Erzengel Lohengrin inmitten von Gläubigen – und dass er sich am Schluss mit gereckter Faust Richtung Gral verabschiedete, trug auch nicht zur Klärung des ganzen bei.

    Grob fahrlässig allerdings war die Führung der anderen Hauptpersonen – Gordon Hawkins in der Rolle des Telramund bekam das besonders zu spüren, der seinen großen Auftritt im zweiten Akt an der Rampe verbringen durfte und von psychologischer Charakterisierung oder Zeichnung nur träumen konnte – nicht unwahrscheinlich, dass deshalb auch die musikalische Gestaltung etwas gelitten hat. Auch Albert Dohmen als König Heinrich enttäuschend, präsent zwar aber mit äußerst zweifelhafter Diktion. Ricarda Merberth war eine stimmlich anrührende und auch glaubwürdige Elsa, musste den ganz großen Jubel allerdings an ihre Gegenspielerin Ortrud abgeben, von Petra Lang mit packender Energie, Furor und großer Sinnlichkeit verkörpert.

    GMD Donald Runnicles im Graben hatte mit Lohengrin, Elsa und Ortrud eine Besetzung wie man sie nicht oft zu hören bekommt und mit seinem Orchester eines, das ihm mit neu gefundener Kraft in alle klanglichen Dimensionen zu folgen bereit ist – und vielleicht deshalb ging dieser Abend ein wenig enttäuschend zu Ende. Ein dichter, homogener Streicherklang, warme Holzbläser und strahlendes Blech – alles war da und trotzdem wollte der Funke nicht recht überspringen – vom mehr erd- als verbundenen Vorspiel bis zur fast nüchternen Szene im Brautgemach. Es fehlte nicht an schönen Stellen, es fehlte nicht an schönen Stimmen – was dem Abend fehlte war etwas, auf das die Inszenierung vielleicht verzichteten kann, die Oper aber nicht: Magie.