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Ludwigshafener Politiker: Nichts spricht für einen Brandanschlag

Der Sozialdezernent und Bürgermeister der Stadt Ludwigshafen, Wolfgang van Vliet, bezeichnete die Stimmung in seiner Stadt zehn Tage nach dem verheerenden Brand in einem Wohnhaus für "durchaus durchwachsen". Eine sehr große Gruppe unter den türkischen Mitbürgern sei voller Dankbarkeit gegenüber den Rettungsdiensten. Es kursierten jedoch "trotz des sehr positiven Auftritts des Ministerpräsidenten Erdogan" nach wie vor Verschwörungstheorien über die Brandursache.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Guten Morgen Herr van Vliet.

    Wolfgang van Vliet: Schönen guten Morgen.

    Meurer: Drückt das auf die Stimmung bei Ihnen, dass immer noch die Brandursache offen ist?

    van Vliet: Ja, selbstverständlich, das trägt zur Verunsicherung bei, die Stimmung in der Stadt ist von daher auch durchaus durchwachsen, es gibt eine sehr, sehr große Gruppe unter den Türken, die voller Trauer ist, aber auch voller Dankbarkeit gegenüber den Rettungsdiensten. Es ist aber auch nicht zu verschweigen, dass die Verschwörungstheorien trotz des sehr positiven Auftritts des Ministerpräsidenten Erdogan noch nicht ganz verschwunden sind und es gibt natürlich auch Angst unter der türkischen Bevölkerung.

    Meurer: Was meinen Sie mit Verschwörungstheorien?

    van Vliet: Brandanschläge mit fremdenfeindlichen, beziehungsweise Nazi-Hintergrund.

    Meurer: Für wie viele, glauben Sie, ist das ausgemachte Sache in der türkischen Gemeinde?

    van Vliet: Das ist nicht ausgemachte Sache, da haben ganz einfach die türkischen Mädchen, vor allen Dingen in den ersten beiden Tagen dazu beigetragen, diese Gerüchte zu nähren. Bisher kann man zwar einen Brandanschlag nicht ausschließen, es spricht aber auch nichts dafür.

    Meurer: Was haben Sie denn gehört, Herr van Vliet, wie lange das noch dauern wird, bis man weiß, woran es denn nun lag?

    van Vliet: Die Staatsanwaltschaft sagt, dass sie bis Ende der Woche eine Erklärung abgeben will.

    Meurer: Das könnte also schon morgen sein.

    van Vliet: Das könnte schon morgen sein. Wir haben allerdings nach dem, was bisher bei uns gelandet ist, Zweifel, ob es eine klare Brandursachenfeststellung geben kann. Dazu waren wohl auch die Auswirkungen des Brandes zu intensiv. Es ist ja kaum noch was da, was man untersuchen könnte.

    Meurer: Also, es kann sein, dass die Ursache für immer offen bleibt?

    van Vliet: Das ist eines der möglichen Ergebnisse.

    Meurer: Was würde das bedeuten für die Stimmung in der Stadt?

    van Vliet: Das würde natürlich Spekulationen weiter anheizen, wobei man sagen muss, dass die Stimmung im Wesentlichen ruhig ist. Es ist allerdings nicht nur auf die türkische Bevölkerung zu gucken, es gibt auch unter den Deutschen ein wenig Unruhe aufgrund der ungerechtfertigten Angriffe auf die Rettungskräfte, auch das hat nicht unbedingt integrationsförderliche Auswirkungen gehabt.

    Meurer: Was war da eigentlich genau passiert, bei diesen Angriffen auf die Rettungskräfte.

    van Vliet: Es ist behauptet worden, von einem traumatisierten Angehörigen auf der ersten Pressekonferenz, dem man da auch keinen Vorwurf machen kann, die Feuerwehr sei erst nach 20 Minuten am Brandort eingetroffen und habe nicht sofort professionell gelöscht. Diese Vorwürfe sind entkräftet, auch der Angehörige hat sich mittlerweile dafür entschuldigt, wurden aber begierig von Teilen der türkischen Presse aufgenommen, was dann so weit führte, dass während der nächsten Tage am Brandort Helfer vom Technischen Hilfswerk und Feuerwehr beleidigt, bedroht und teilweise auch bespuckt wurden in der Nähe von Ludwigshafen, in Limburgerhof, gab es einen tätlichen Angriff auf einen Feuerwehrmann. Das sind alles sehr unschöne Szenen gewesen. Ich bin nach wie vor Herrn Ministerpräsidenten Erdogan sehr dankbar, dass er bei seinem Auftritt am Donnerstag letzte Woche in Ludwigshafen da klar gesagt hat, dass diese Angriffe aufhören müssen.

    Meurer: Werden morgen auch Türken an der Lichterkette teilnehmen, die ja für die Rettungskräfte gedacht ist, diese Lichterkette.

    van Vliet: Die Lichterkette ist organisiert von einem deutschen Förderverein Rettungswesen nennt der sich. Ich weiß nicht, ob da türkische Teilnehmer dabei sein werden.

    Meurer: Sollte es nicht auch eine Lichterkette für die Opfer geben?

    van Vliet: Halte ich nichts davon. Lichterkette kennen wir aus Mölln und Solingen, Ludwigshafen ist weder Mölln noch Solingen.

    Meurer: Was tun Sie für die Angehörigen und die Opfer dieses Brands?

    van Vliet: Wir sind sehr intensiv in Gesprächen mit Vertretern der Angehörigen, die Arbeiterwohlfahrt hat die Rolle einer ersten Anlaufstelle übernommen. Wir ermitteln im Moment den Wohnbedarf. Die weitaus meisten Angehörigen sind zur Zeit noch bei den Trauerfeierlichkeiten in der Türkei. Wir versuchen hier Ersatzwohnraum anzubieten. Es gibt ein sehr, sehr großes Spendenaufkommen und eine sehr, sehr große Spendenbereitschaft, vor allen Dingen der deutschen Bevölkerung. Wir versuchen, den Angehörigen zu helfen, wieder zu einer Wohnung und insbesondere zu einer Ausstattung zu kommen.

    Meurer: Herr van Vliet, hat sich an diesem Sonntag gezeigt, vor anderthalb Wochen, dass ein Riss in der Stadt geht und man kann mutmaßen, in anderen Städten wird das nicht viel anders sein, zwischen Deutschen und Türken?

    van Vliet: Es gab deutliche Irritationen zwischen Deutschen und Türken. Es ist aber wesentlich ruhiger geblieben, als es hätte werden können. Es ist ja nicht so, dass wir mit Integration jetzt morgen anfangen. Es gibt eine 30-jährige Geschichte der Integration in der Stadt Ludwigshafen. Wir haben auch von Anfang an nicht mit Fremden geredet, sondern mit Menschen, die wir kannten, mit denen wir ohnehin Kontakte pflegten, mit denen es auch institutionelle Zusammenarbeit gegeben hat. Das hat vieles erleichtert. Erleichtert hat auch der Umstand, dass es sowohl bei Feuerwehr, als auch bei der Polizei türkischstämmige und türkischsprechende Mitarbeiter gibt.

    Meurer: Wird das Verhältnis erschwert dadurch, dass es in Ludwigshafen doch recht nennenswerte rechtsradikale Szenen geben soll?

    van Vliet: Also es gibt nicht in Ludwigshafen eine nennenswerte rechtsradikale Szene, den harten Ludwigshafener Kern schätze ich nach wie vor auf fünf bis zehn Personen. Es ist bedauerlicher Weise so, dass es überregionale Aktivitäten im gesamten Rhein-Neckar-Raum gibt. Die rechte Szene versucht sich hier zu etablieren. Es gibt aber in Ludwigshafen unter der Bevölkerung keinen Nährboden für Rechtsextremismus. Ludwigshafen ist eine Einwanderungsstadt, die weitaus meisten auch der Deutschen, haben eine Einwanderungsgeschichte und da fällt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus nicht auf fruchtbaren Boden.

    Meurer: Wolfgang van Vliet, Sozialdezernent und Bürgermeister der Stadt Ludwigshafen über die Stimmung in der Stadt, zehn Tage nach dem verheerenden Brand in einem Wohnhaus. Herr van Vliet, danke und auch Wiederhören.