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Luftverschmutzung durch Ozon
Lösung des Sommersmog-Rätsels

Das Reizgas Ozon entsteht aus den Stickoxiden in Autoabgasen und macht im Sommer vielen Menschen zu schaffen. Doch warum sind die Ozonwerte trotz Diesel-Fahrverboten in vielen Innenstädten unverändert hoch? Weil Pflanzen bei Dürre weniger davon aus der Luft filtern.

Von Volker Mrasek | 04.06.2020
Ozonalarm auf der A5: Am Vorabend war in Hessen an sieben Meßstellen der Wert von 215 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen worden
Ozon-Alarme wie hier im Jahr 1995 auf der A5 sind seltener geworden, doch der Klimawandel verschärft das Problem nun erneut (dpa)
Warum kommt es in heißen mitteleuropäischen Sommern noch immer zu unverändert hohen Ozon-Konzentrationen in der Luft? Obwohl doch der Ausstoß von wichtigen Vorläufersubstanzen, den Stickoxiden, EU-weit fast halbiert wurde?
Die Autoren der neuen Studie glauben, ein entscheidendes, bisher fehlendes Teil in diesem Sommersmog-Puzzle gefunden zu haben. Es liege an gestressten Wäldern, sagt Studienleiterin Meiyun Lin, Atmosphärenforscherin an der Universität Princeton in den USA:
"Wir haben eine überraschende Kette von Auslösern gefunden. Der Klimawandel führt zu heißeren und trockeneren Wetterepisoden. Daraus resultieren Dürren, die Pflanzen stressen und dazu führen, dass sie nicht mehr so viel Ozon aus der Luft entfernen. Diese Rückkopplung mit der Vegetation gab es auch während der stärksten Ozon-Episoden im Sommer 2018 und ‘19 in Deutschland und vielen anderen Regionen Europas."
Fahrzeuge passieren ein Verkehrsschild mit der Aufschrift Ozon Smog
Tempolimits - Im Kampf gegen das bodennahe Ozon
1994 verkündete der hessische Staatssekretär Rainer Baake Tempolimits im Bundesland: Die Maßnahmen waren umstritten – und das Ergebnis nicht so, wie erhofft. Doch es war der Auftakt zum Kampf gegen ein Phänomen, das den Menschen damals im wahrsten Sinne die Tränen in die Augen trieb.
Bei Dürre verlieren Bäume ihre reinigende Kraft
Die Blätter von Bäumen und anderen grünen Pflanzen haben an ihrer Oberfläche viele kleine Spalten. Durch die sogenannten Stomata nehmen sie Kohlendioxid auf, das sie zum Aufbau ihrer Biomasse benötigen, aber auch Ozon. Dadurch entziehen Wälder der Luft beträchliche Mengen des gesundheitsschädlichen Sommersmog-Gases.
Bei langanhaltender Hitze und Trockenheit funktioniert dieser natürliche Reinigungsprozess aber nicht mehr. Kim Pilegaard, Professor für Umweltwissenschaften an der Technischen Universität von Dänemark:
"Bei einer Dürre öffnen Pflanzen ihre Stomata kaum noch. Sie machen das, um Wasserverluste über ihre Blattoberflächen zu vermeiden. Dadurch nehmen sie dann aber auch nicht mehr so viel Ozon auf. Das heißt, es verbleibt mehr davon in der Atmosphäre. Das ist der zentrale Punkt in unserer Veröffentlichung."
Daten erklären das Sommersmog-Rätsel
Eingeflossen in die Studie sind unter anderem Langzeitmessungen des Deutschen Wetterdienstes am Hohenpeissenberg in Oberbayern. Auch sie waren bisher rätselhaft: Zwar ging der Gehalt von Stickoxiden in den Messdaten stark zurück - der Pool von Ausgangsstoffen für die Ozonbildung wurde also viel kleiner. Trotzdem blieb die Zahl von Sommersmog-Tagen mit Überschreitungen gesetzlicher Richtwerte praktisch gleich.
Die Physikerin Dagmar Kubistin leitet die Spurengas-Gruppe beim Wetterdienst und betreut die Messungen am Hohenpeissenberg: "Insgesamt wird die Luft sauberer, aber bei Extrembedingungen, vor allen Dingen in heißen Sommern, kommt es weiterhin zu hohen Ozon-Werten."
Die Ausdehnung des Ozonlochs, beobachtet mit einem kanadischen Instrument auf dem schwedischen ESA-Satelliten Odin 
Ozonkiller in der Stratosphäre - Aggressive Jod-Verbindungen nachgewiesen
Das Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht war eine Sternstunde globaler Umweltpolitik: Dank des FCKW-Verbots von 1987 schließt sich das Ozonloch allmählich wieder. Aggressive Jod-Verbindungen scheinen die Regenerierung aber zu verzögern.
Trotz sauberer Luft: Die Ozonwerte bleiben hoch
Für ihre Studie fütterten die Forscher die gemessenen Ozon-Trends in ein Erdsystem-Modell. Dabei zeigte sich: Simuliert man darin auch Wechselwirkungen mit der Vegetation, lassen sich die hohen Smog-Werte besser erklären. Wälder im Hitze- und Trockenstress nähmen bis zu 70 Prozent weniger Ozon auf als unter normalen Bedingungen, so Atmosphärenforscherin Meiyun Lin:
"Unsere Ergebnisse stimmen nicht mit vorherigen Studien überein. Diese legten nahe, dass sich der Klimawandel nur schwach auf die Ozon-Werte auswirkt. In diesen Studien wurde aber auch noch nicht berücksichtigt, dass die Vegetation unter Trockenstress viel weniger Ozon aus der Luft entfernt."
Hohe Ozon-Konzentrationen werden häufiger
Dagmar Kubistin fürchtet, dass hohe Ozon-Werte in Zukunft noch häufiger auftreten werden: "Man geht davon aus, dass Hitzewellen jetzt in den nächsten Jahren zunehmen werden. Man hat das schon in den letzten 20 Jahren gesehen, dass die in Europa zugenommen haben. Und dadurch könnte es zu vermehrten Überschreitungen von Ozon auch kommen."
Um das zu verhindern, müsse der Ausstoß von Stickoxiden noch stärker reduziert werden, folgert Umweltwissenschaftler Pilegaard. Demnach wären zum Beispiel noch effektivere Abgas-Katalysatoren für Autos nötig. Aber nicht nur das: "Wir müssen etwas gegen den Klimawandel tun, denn ohne ihn hätten wir nicht so viele Dürre-Episoden. Das würde uns also auch beim Ozon helfen."