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Übergriff auf Jennifer Hermoso
Journalist Reng über Rubiales: "Gesellschaftlich erledigt"

Dass Luis Rubiales nach dem sexuellen Übergriff auf Jennifer Hermoso nicht zurücktritt, sei in der spanischen Kultur begründet, sagt Buch-Autor Ronald Reng. In Rubiales' Kommunikationsstrategie sieht Reng eine Parallele zum Verhalten Donald Trumps.

Ronald Reng im Gespräch mit Marina Schweizer |
Luis Rubiales, der Präsident des spanischen Fußball-Verbandes, schaut nachdenklich zur Seite.
Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fußball-Verbandes, verweigert derzeit noch seinen Rücktritt. (IMAGO / ZUMA Wire / IMAGO / Oscar J. Barroso)
"Ich werde nicht zurücktreten": Diesen Satz sagte Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fußballverbandes, auf einer Generalversammlung am vergangenen Freitag gleich fünf Mal. "Ich trete nicht zurück. Ich werde kämpfen bis zum Ende", sagte der 46-Jährige. Er sehe sich als Opfer: "Hier geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um eine soziale Hinrichtung."

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Rubiales war zuvor unter massiven Druck geraten, nachdem er die Spielerin Jennifer Hermoso bei der Siegerehrung nach dem spanischen Triumph bei der Fußball-WM der Frauen gegen ihren Willen auf den Mund geküsst hatte. Mittlerweile hat die Disziplinarkommission des Fußball-Weltverbands FIFA Rubiales vorläufig gesperrt. Jennifer Hermoso erfährt indessen weltweit Solidarität.

Rücktritt in Spanien "das Schlimmste"

Um Rubiales' Entscheidung, nicht zurückzutreten, zu verstehen, müsse man die spanische Kultur verstehen, sagte der Fußball-Experte und Buch-Autor Ronald Reng im Deutschlandfunk. "Man tritt nicht zurück. Ein Rücktritt ist das Schlimmste. Das ist das Eingeständnis allen Übels", sagte Reng.
Seit dem Bürgerkrieg sei die spanische Bevölkerung zwischen rechts und links so polarisiert, "dass man sich als Mann oder Frau an der Macht immer bedroht fühlt. Und da ist das Denken aufgekommen: Ich darf nicht zurücktreten, denn die anderen wollen ja nur meinen Rücktritt. Und dieses Muster kann man eindeutig bei Luis Rubiales erkennen, der nicht erkannt hat, dass er die ganze Gesellschaft gegen sich hat", sagte Reng.
Rubiales führe den spanischen Fußballverband "sehr autoritär", sagte Reng. Ein solcher Führungsstil sei im Fußball weit verbreitet: "In sehr vielen Ländern haben wir die Struktur, dass ein Mann - und es ist fast immer ein Mann - bestimmt, wo es lang geht. Diesen autoritären Führungsstil lebt die FIFA auf die traurigste Weise mit Gianni Infantino vor, der ist im Fußball noch sehr verankert. Und deswegen ist im Fußball dieses Denken verankert: Wenn ich etwas falsch mache, komme ich schon irgendwie davon. Ich würde es mal das 'Prinzip Donald Trump' nennen: Ich kreiere ein Freund-Feind-Bild und wenn ich etwas Schlimmes tue, stelle ich mich als Opfer dar", sagte Reng.

Feste ethische Regeln gelten noch nicht überall

Das sei aber nicht in jedem Verband so: "Im DFB ist es nicht vorstellbar, dass der Präsident überhaupt auf die Idee kommt, eine Spielerin auf den Mund zu küssen. Und der wäre auch relativ schnell zurückgetreten oder zum Rücktritt gedrängt worden", so Reng. "Die Idee einer Corporate Governance, dass man sich an genaue, fast ethische Regeln hält, erhält mehr und mehr Einzug im Fußball. Aber am verbreitetsten ist immer noch das alte Modell, dass ein Mann regiert."
Victor Franco, Präsident der obersten Sportbehörde Spaniens, sagte zum Fall Rubiales: "Wir wollen, dass das zum 'MeToo' des spanischen Fußballs wird." Der Wendepunkt sei aber schon erreicht, sagte Reng: "Die Zivilgesellschaft ist in einer Geschlossenheit gegen Luis Rubiales aufgestanden. Der ist eigentlich gesellschaftlich erledigt."

Reng rechnet mit erzwungenem Rücktritt

Am Montag kommt der spanische Verband erneut zu einer Krisensitzung zusammen. "Man wird seinen Rücktritt, auf welche Art auch immer, in den nächsten Tagen sicherlich vollziehen. Er hat sich so in der Opfer-Rolle, in diesem 'Ich trete nicht zurück' verschanzt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass er jetzt einen Rückzieher macht und doch zurücktritt. Ich denke, er wird, auf welchem formalen Weg auch immer, in den nächsten Tagen zum Rücktritt gezwungen."