Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Maisch: Private Altersvorsorge braucht "anständige Bedingungen"

Bei staatlich geförderten Produkten der Altersvorsorge müsse man künftig harte Verbraucherschutzstandards einziehen, sagt Nicole Maisch. Die Grünen-Politikerin fordert ein neues Beratungsverhältnis zwischen Kunden und Anbietern.

Gerd Breker im Gespräch mit Nicole Maisch | 27.12.2012
    Gerd Breker: Am Telefon sind wir nun verbunden mit Nicole Maisch, sie ist die verbraucherpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen und in gewisser Weise auch die Auftraggeberin dieser Studie der Bamberger Universität. Guten Tag, Frau Maisch!

    Nicole Maisch: Guten Tag!

    Breker: 50 Milliarden Euro zuviel - da müssen Sie doch schon einen Anfangsverdacht haben, bevor Sie überhaupt diese Studie in Auftrag gegeben haben. Worauf gründete sich dieser Anfangsverdacht?

    Maisch: Ja, es gab ja in den vergangenen Jahren immer wieder Studien, die zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind. Was wir jetzt neu hatten, war eben eine Zusammenschau aller Schäden, die die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der privaten Altersvorsorge treffen, und von daher hat mich die gigantische Zahl in ihrem Ausmaß überrascht, aber es hat mich nicht überrascht, dass es wirklich substanzielle Schäden sind.

    Breker: Kann man das so zusammenfassen: Nicht die Verbraucher profitieren, sondern eher die Banken und Versicherungen, die Anbieter?

    Maisch: Für den überwiegenden oder für einen großen Teil der privaten Altersvorsorge ist das so. Vor allem bei den Verträgen, die vorzeitig gekündigt werden, das sind ja sehr, sehr viele, bis zu drei Vierteln, ist es so, dass die Anbieter ein großes Geschäft machen und die Verbraucherinnen und Verbraucher real Geld verlieren.

    Breker: Nun hat die Riester-Rente ja schon einen schlechten Ruf ereilt. Der kann auf diese Art und Weise aber auch nicht besser werden.

    Maisch: Das stimmt, also das ist natürlich eine Schwierigkeit: Wir wollen ja, dass die Menschen weiter privat vorsorgen, die Idee der drei Säulen, privat, betrieblich, gesetzliche Rentenversicherung hat für uns immer noch Gültigkeit. Aber es bringt ja nichts, wenn wir die Schäden verschweigen, weil Riester eine rot-grüne Idee war. Jetzt sind eben zehn Jahre ins Land gegangen und jetzt muss man schauen: Was ist falsch gelaufen, was kann man besser machen, damit die staatlichen Zulagen die Rentnerinnen und Rentner wohlhabend machen und eben nicht die Versicherungsvertreter?

    Breker: Sie haben es gesagt, es ist gewollt, dass diese private Vorsorge betrieben wird. Aber ist das nicht ein Widerspruch, wenn Politik die Menschen auffordert, private Vorsorge zu betreiben und das wird eigentlich zu derem Nachteil?

    Maisch: Ja, eben deshalb müssen wir vor allem bei den Produkten, die staatlich gefördert sind durch Zulagen über Riester oder durch Steuernachlässe, ganz besonders harte Verbraucherschutzstandards einziehen. Und deshalb, denke ich, kann man den Leuten weiterhin mit gutem Gewissen empfehlen, privat vorzusorgen, aber eben zu anständigen Bedingungen.

    Breker: Und wie kann man das sicherstellen, dass die Bedingungen anständig sind? Sie sagen, schlechte Beratung sei mit ein Grund. Wird da vorsätzlich schlecht beraten?

    Maisch: Na ja, das hat ja der Herr Tenhagen [Anm. der Redaktion: Chefredakteur des Magazins "Finanztest"] im Beitrag auch schon gesagt: Die, die als Berater auftreten, sind in der Realität ja oft Verkäufer. Und wenn man sich überlegt, bei einer Lebensversicherung, die über 30 Jahre läuft, 100 Euro im Monat gespart wird - da verdient der sogenannte Berater über 1400 Euro an Provision, und die verdient er in den ersten Jahren, und danach hat er eigentlich kein Interesse mehr am Kunden. Und deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Beratungsverhältnis zwischen Kunden und Anbieter auf völlig neue Füße stellen. Dazu gehört eine Streckung der Provision über möglichst die gesamte Laufzeit, aber eben auch der Ausbau von unabhängiger Honorarberatung.

    Breker: Es braucht also Vorgaben für die Produkte, die zur privaten Altersvorsorge angeboten werden, aus der Politik. Die müssen Sie noch machen, die muss der Gesetzgeber erstellen.

    Maisch: Ganz genau und da gibt es im Moment eine Diskussion, das sogenannte Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz, schreckliches Wort, aber da geht es genau darum, und da merkt man eben, dass Schwarz-Gelb nicht grundsätzlich die Probleme in dem Markt angehen will, sondern kleine Detailkorrekturen vornehmen will wie eine Begrenzung der Wechselkosten. Aber das reicht lange nicht. Also was wir eigentlich brauchen, ist zum Beispiel Vorgaben, welche Sterbetafeln darf ich verwenden, weil das ist auch ein Punkt, wo die Anbieter durch geschicktes Herumrechnen entsprechend viel verdienen und zu Ungunsten der Kundinnen und Kunden agieren. Und da braucht es klare gesetzliche Vorgaben: Was sind zulässige Kosten, die ich einkalkulieren darf, was sind Sterbetafeln, an denen ich mich orientieren muss, inwieweit darf ich Risikogewinne selber einstecken oder muss es an die Kunden ausschütten? Und das sind Fragen, wo Schwarz-Gelb eben nicht bereit ist, den Banken und Versicherungen auch mal auf die Finger zu klopfen.

    Breker: Jetzt haben wir die seltsame Situation, Frau Maisch, dass die Menschen Vorsorge betreiben müssen, weil die gesetzliche Altersvorsorge nicht reicht. Die Renten werden nicht reichen, Altersarmut ist ein drohendes Problem der kommenden Jahre. Und wenn sie dann private Vorsorge betreiben wollen, dann werden sie über den Tisch gezogen. Das kann doch nicht sein!

    Maisch: Also es ist ja so, dass ... Unter den 5000 Riester-Produkten gibt es natürlich auch gute. Und für uns als Verbraucher ist es dann die Schwierigkeit: Wie finde ich das gute Produkt, das auch zu mir passt? Und da gibt es natürlich schon unabhängige Stellen, wo ich mich informieren kann, sei es Zeitschriften wie "Finanztest", aber auch die unabhängige Honorarberatung der Verbraucherzentralen. Das sind Quellen, wo man sich selbst schlau machen kann und wo man dann auch etwas finden kann, was auch ein sinnvolles Produkt ist, weil bei aller Kritik an Riester - gerade für Leute, die Kinder haben, sind durch die staatlichen Zulagen da einfach sehr attraktive Verträge möglich. Man muss eben die Zulagen dann auch entsprechend abrufen, das machen ja viele Leute leider auch nicht.

    Breker: Also wäre Ihre Empfehlung, Frau Maisch, als verbraucherpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, dass ein jeder, der private Vorsorge betreiben möchte, dass er hingeht zur Verbraucherzentrale oder sich die Zeitschrift "Finanztest" zulegt, um dann das für sich passende Produkt zu finden?

    Maisch: Ja, es gibt natürlich noch andere Quellen, auch "Ökotest", obwohl das ja nicht unbedingt nur ein Umweltthema ist, testet manchmal Finanzprodukte. Man kann auch in Finanzteilen großer Tageszeitungen manchmal was finden. Ich würde jedem raten, sich mit der privaten Altersvorsorge mindestens so intensiv zu beschäftigen, wie man sich mit dem Kauf eines neuen Autos beschäftigt. Also da überlegt man ja auch hin und her, brauche ich eine besondere Form der Felgen, welche Farbe gefällt mir, wie stark soll der Motor sein? Das entscheidet man ja auch nicht an einem Nachmittag im Autohaus, sondern da macht man sich ja auch länger Gedanken, spricht auch mit Freunden, informiert sich aus der Presse, liest Testberichte. Und genauso sollte man auch seine private Altersvorsorge angehen, also ganz stark auch auf den eigenen Verstand und auch unabhängigen Sachverstand vertrauen.

    Breker: Nur auf das Auto kann ich möglicherweise verzichten, aber auf die private Altersvorsorge kann ich nicht verzichten.

    Maisch: Das hört jetzt eine Grüne natürlich sehr gerne, dass Sie sagen, dass ein Auto im Zweifelsfall auch verzichtbar ist. Na ja, das kommt darauf an, also wenn Sie als Beamter in einer hochdotierten Stelle gearbeitet haben, ist es vielleicht nicht so notwendig, privat vorzusorgen, aber man sollte sich schon ganz genau anschauen, was die Mitteilung der gesetzlichen Rentenversicherung sagt, und dann sollte man sagt: Habe ich Lücken in meiner Altersvorsorge, möchte ich da privat noch was machen? Und ja, für den überwiegenden Teil von uns wird das in Zukunft notwendig sein.

    Breker: Die Einschätzungen der verbraucherpolitischen Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Nicole Maisch war das im Deutschlandfunk. Frau Maisch, ich danke Ihnen für dieses Gespräch!

    Maisch: Ich bedanke mich auch. Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.