Sonnencreme, Soja, Süßstoffe
Gesund oder gefährlich?

Medfluencer verbreiten in sozialen Medien allerlei Gesundheitsmythen: von krebserregender Sonnencreme über ungesunde Pflanzenöle bis zu Soja, das Männer unfruchtbar machen soll. Doch was stimmt – und was nicht?

    Eine Frau im Bikini cremt sich ihre Schulter mit Sonnenmilch ein.
    Sonnencreme schützt vor Hautkrebs – trotzdem wird in sozialen Medien immer wieder vor angeblich schädlichen Inhaltsstoffen gewarnt. Doch was ist dran? (picture alliance / Shotshop / Addictive Stock)
    In sozialen Medien wimmelt es von Gesundheitsmythen: Sonnencreme soll krebserregend sein, Soja Männer unfruchtbar machen, Süßstoffe den Stoffwechsel stören und Rohmilch ein wahres Wundermittel sein. Sogenannte Medfluencer, also selbst ernannte Gesundheits-Experten mit Hunderttausenden Followern, sorgen dafür, dass solche Behauptungen millionenfach geteilt werden. Das verunsichert viele und beeinflusst, was Menschen essen, trinken oder meiden. Doch was steckt wirklich dahinter?

    Inhalt

    Enthält Sonnencreme krebserregende Stoffe?

    In sozialen Medien heißt es oft: Sonnencreme sei krebserregend und die chemischen Stoffe darin würden über die Haut in die Blutbahn gelangen.
    Tatsächlich können einige Inhaltsstoffe der Sonnenmilch in die Haut eindringen. Die zugelassenen Substanzen in der EU werden aber seit Jahrzehnten streng geprüft und stellen kein Risiko für den Menschen dar, erklärt Anne Hellwig, promovierte Lebensmittelchemikerin an der TU Dresden.
    Eine Ausnahme ist der chemische UV-Filter Octocrylen. Dieser chemische Filter kann bei längerer Lagerung oder unter UV-Strahlung zerfallen und dabei Benzophenon bilden, ein Stoff, der als möglicherweise krebserregend eingestuft wird. Deshalb ist Benzophenon seit 2023 in Kosmetikprodukten in der EU verboten. Octocrylen selbst darf noch enthalten sein.
    Viele Marken bieten aber inzwischen octocrylenfreie Alternativen an. Ob Octocrylen in Sonnencreme das Risiko, an Krebs zu erkranken, tatsächlich erhöht, lässt sich anhand der Studienlage nicht klar beantworten.

    Alte Sonnencreme kann riskant sein

    Problematisch könne vor allem alte Sonnencreme sein, die über Monate oder Jahre im Schrank oder in der Sonne lag, erklärt Anne Hellwig. „Da könnte dann schon ein signifikanter Anteil von dem Octocrylen zerfallen sein zu den Benzophenonen und dann sollte man sie nicht mehr verwenden“, so die Expertin.
    Octocrylen steckt teils auch in anderen Kosmetika. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte also die Inhaltsliste prüfen oder mineralische UV-Filter wie Zinkoxid wählen, die weniger gut in die Haut eindringen können.
    Belege dafür, dass Sonnencreme selbst Krebs verursacht, gibt es aber nicht. Sicher ist hingegen, dass UV-Strahlung das Erbgut der Hautzellen schädigt und Hautkrebs auslösen kann. Sonnencreme schützt zuverlässig davor, solange sie frisch ist, richtig angewendet wird und nicht als Freifahrtschein für ausgiebiges Sonnenbaden dient.
    Auch die Sorge vor Vitamin-D-Mangel ist unbegründet, da Cremes nie lückenlos und dick genug aufgetragen werden, um UV-Strahlen komplett zu blockieren.

    Sind Pflanzenöle ungesund?

    Ein weiterer Mythos, der im Netz kursiert: Pflanzenöle wie Raps- und Sonnenblumenöl seien ungesund oder sogar giftig. Kritisiert wird vor allem, dass es sich meist um raffiniertes Öl handelt. Dabei wird behauptet, bei der Verarbeitung würden schädliche Chemikalien entstehen, die später mitgegessen werden.
    Die Raffination läuft anders ab, erklärt Anne Hellwig von der TU Dresden: Das Öl wird mit heißem Wasserdampf behandelt, um unerwünschte Geruchs- und Farbstoffe zu entfernen. Mit giftigen Chemikalien kommt es dabei nicht in direkten Kontakt. Raffiniert wird vor allem, um die Haltbarkeit zu verlängern und den Geschmack zu mildern. An den wertvollen Fettsäuren ändert sich dadurch nichts. Sie bleiben erhalten und sind sogar besser vor dem Ranzigwerden geschützt, so Hellwig.

    Pflanzenöle wirken positiv auf die Herzgesundheit

    Gesundheitliche Risiken durch die Raffination sind nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung gering. Zwar können bei starker Erhitzung unerwünschte Nebenprodukte entstehen, sogenannte Fettsäure-Ester, die im Tierversuch auffällig waren. Doch in der EU gelten strenge Grenzwerte, die regelmäßig kontrolliert werden.
    Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht davon aus, dass für Erwachsene keine gesundheitliche Gefahr besteht. Nur für Säuglinge ist das Risiko noch nicht abschließend geklärt.
    Auch die Behauptung, Pflanzenöle würden Herzkrankheiten, Entzündungen oder sogar Krebs begünstigen, lässt sich nicht nachweisen. Im Gegenteil: Samenöle liefern mehrfach ungesättigte Fettsäuren, die sich sogar positiv auf Herz und Kreislauf auswirken.

    Macht Soja Männer unfruchtbar?

    In sozialen Medien wird oft behauptet, Soja schade Männern. Es senke den Testosteronspiegel, mache unfruchtbar und „verweibliche“ den Körper. Der Hintergrund: Soja enthält sogenannte Isoflavone. Diese pflanzlichen Inhaltsstoffe können an die gleichen Hormonrezeptoren im Körper andocken wie das körpereigene Östrogen. Ihre Wirkung ist aber viel schwächer. Außerdem hängt sie davon ab, wie alt jemand ist, wie die eigenen Hormonwerte aussehen und wie das Darmmikrobiom zusammengesetzt ist.
    Studien mit Männern zeigen klar: Weder Testosteron noch Fruchtbarkeit werden durch Soja beeinträchtigt. Vanadin Seifert-Klauss, Professorin für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der TU München, erklärt, dass eher ein Zuviel an Testosteron die Zeugungsfähigkeit beeinträchtigen könne.

    Risiko nur bei hochdosierten Präparaten

    Für Frauen nach der Menopause gibt es außerdem Hinweise auf positive Effekte. Isoflavone können dort eine milde östrogenähnliche Wirkung entfalten, die sich positiv auf die Knochendichte auswirken kann. Ergebnisse aus Tierversuchen, in denen extrem hohe Isoflavonmengen negative Effekte zeigten, lassen sich hingegen nur eingeschränkt auf Menschen übertragen.
    Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt nur vor hochdosierten Isoflavon-Präparaten, wie sie manchmal als Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Normale Mengen Tofu, Sojamilch oder Fleischersatzprodukte gelten als unbedenklich. Ernährungsexperten empfehlen lediglich Abwechslung: Soja ist eine gute Eiweißquelle, sollte aber nicht die einzige sein.

    Machen uns Süßstoffe krank?

    Eine weitere Behauptung: Süßstoffe wie Aspartam oder Sucralose sollen den Stoffwechsel stören und den Insulinhaushalt durcheinanderbringen.
    In der EU sind alle zugelassenen Süßstoffe streng geprüft. Krebserregend sind sie nicht. Anders sieht es bei möglichen Effekten auf den Stoffwechsel aus: Einige neuere Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Süßstoffe bei manchen Menschen – vor allem bei Übergewichtigen – den Insulinstoffwechsel beeinflussen könnten. Insulin ist das Hormon, das den Blutzucker reguliert. Gerät es aus dem Gleichgewicht, steigt langfristig das Risiko für Diabetes oder Herzprobleme.

    Aktuelle Datenlage unzureichend

    Als mögliche Ursache wird eine „Darm-Gehirn-Achse“ diskutiert, bei der Darmbakterien, Fettgewebe und Nervensystem zusammenwirken. Belegt ist das aber nicht.
    Andere Studien, zum Beispiel zu Sucralose, zeigen überhaupt keinen Einfluss auf den Insulinstoffwechsel. Mögliche Effekte auf das Darmmikrobiom sind nicht eindeutig belegt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung kommt daher zu dem Schluss: Die aktuelle Datenlage reicht nicht aus, um eine abschließende gesundheitliche Risikobewertung vorzunehmen.

    Wie gesund ist Rohmilch wirklich?

    Rohmilch, also Kuhmilch, die direkt nach dem Melken unbehandelt bleibt und weder pasteurisiert noch ultrahocherhitzt wird, wird von vielen Influencern als natürliches Superfood beworben. Sie soll angeblich Allergien lindern, das Darmmikrobiom stärken und wertvolle Vitamine enthalten, die durch Erhitzen verloren gingen.
    Die wichtigsten Nährstoffe der Milch – allen voran Calcium und hochwertige Proteine – bleiben auch beim Erhitzen erhalten, erklärt Thomas Henle, Professor für Lebensmittelchemie an der TU Dresden. Lediglich geringe Vitaminverluste treten auf. Eine besondere Wirkung von Rohmilch auf das Darmmikrobiom ist wissenschaftlich nicht belegt.

    E.-coli-Bakterien in Rohmilch

    Rohmilch kann allerdings krankmachende Keime enthalten, zum Beispiel E.-coli-Bakterien, die giftige Stoffe bilden und schwere Durchfälle verursachen können, Campylobacter, einen der häufigsten Erreger von Magen-Darm-Infektionen, oder in seltenen Fällen sogar Viren. „Diese E. coli sind in der Lage, Toxine zu produzieren, die bei Menschen ein sehr gravierendes Krankheitsbild auslösen können, in ganz seltenen Fällen auch zum Tod führen können“, warnt Anja Buschulte, Fachtierärztin für Lebensmittelsicherheit am Bundesinstitut für Risikobewertung.
    Deshalb raten auch die Weltgesundheitsorganisation und das Robert-Koch-Institut Menschen mit geschwächtem Immunsystem vom Verzehr ab, darunter Kinder, Schwangere, ältere Menschen oder Patienten unter immunsuppressiver Therapie. Für sie kann schon ein Glas Rohmilch gefährlich sein.
    Und die vielzitierte „Heilwirkung“? Einzelne Studien deuten zwar auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Rohmilch und einer geringeren Allergiehäufigkeit hin, eindeutige Beweise gibt es aber nicht. Selbst wenn dieser Effekt existieren sollte, überwiegen die gesundheitlichen Risiken klar.

    Olga Herschel / ema