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Mentoring für Nachwuchswissenschaftlerinnen
„Frauen müssen selbstbewusster sein“

Die Wissenschaft ist eine Männerdomäne, Wissenschaftlerinnen sind in der Minderheit – immer noch. Die Universität Köln bietet Frauen nun Hilfe, indem sie Nachwuchswissenschaftlerinnen mit Professorinnen zusammenbringt, die sie auf dem Karriereweg begleiten und beraten sollen.

Von Stephanie Gebert | 06.03.2020
Eine Frau pipettiert in einem Labor.
Laut statistischem Bundesamt liegt der Frauenanteil innerhalb der Professorenschaft zuletzt bei 25 Prozent (dpa / picture alliance / Sebastian Gollnow)
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe: Frauen in Führungspositionen – Nur mit Quote oder was? (4/4)

Später Nachmittag am Uniklinikum Köln. Oberärztin Kerstin Rhiem ist spät dran. Ihre Sprechstunde hat heute etwas länger gedauert. Eigentlich ist sie mit Medizin-Studentin Wibke Schumacher verabredet ist. Nach einer herzlichen Begrüßung, geraten die beiden Frauen schnell in ein Fachgespräch über die Doktorarbeit von Wibke Schumacher. Die 26-Jährige hat dafür ein Freisemester genommen und verbringt viele Stunden im Labor, um an Mäusen zu forschen. Ein Schritt, der die Studentin ihrem Wunsch, eine Karriere in der klinischen Forschung, näher bringt. Der aber auch wertvolle Zeit kostet. Deshalb war Wibke Schumacher erst mal skeptisch:
"Aber durch Frau Dr. Rhiem, die ähnliche Dinge gemacht hat und die mir gesagt hat: Das macht Spaß, das lohnt sich und bis heute hat sie das nicht bereut, hat mir den Mut gegeben, da auch zu sagen: Ich mach das, ich nehme mir ein Jahr Zeit. Und das ist keine vergeudete Zeit, sondern im Gegenteil, sondern das wird mir ein Leben lang nutzen wahrscheinlich und da bin ich sehr froh über das Mentoring."
Frauen müssen sich mehr beweisen
Seit einem Jahr ist die leitende Oberärztin Kerstin Rhiem Mentorin von Wibke Schumacher. Die beiden sind vom Cornelia-Harte-Mentoring-Programm der Universität Köln zusammengebracht worden. Ziel ist es, Nachwuchswissenschaftlerinnen auf ihrem Karriereweg zu begleiten und zu unterstützen, erzählt Programm-Koordinatorin Marlene Thomas. Angesprochen sind Promovendinnen und Postdocs aller Fachbereiche. Nach einer erfolgreichen Bewerbung, dürfen die Frauen selbst entscheiden, wer ihr künftiger Mentor oder ihre Mentorin werden soll:
"Die recherchieren, was sind interessante Arbeitsfelder für mich, was sind auch inspirierende Personen, die ich schon mal kennengelernt habe und wir von Seiten des Programms fragen die Person dann an."
Wissenschaftlerinnen - Es fehlt an Vorbildern und Beratung
Professorinnen verdienen pro Monat bis zu 650 Euro weniger als ihre Kollegen. Und das ist nicht das einzige Problem von Frauen in der Wissenschaft
Im Fall des Tandems Rhiem-Schumacher war es eine schnelle Entscheidung. Beide Frauen sind sich sichtlich sympathisch und die leitende Oberärztin Kerstin Rhiem kämpft schon lange für mehr weiblichen Nachwuchs in ihrer sehr männlich-geprägten Disziplin. Nicht selten sei sie auf Konferenzen oder bei ihrer Arbeit in Fachgremien nach wie vor die einzige Frau, erzählt die Gynäkologin. Sie und ihre wenigen Mitstreiterinnen hätten sich den Weg nach oben oft hart erkämpfen müssen:
"Ich würde auch aus eigenen Erfahrung sagen, dass Frauen stärker beweisen mussten, über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sie verfügen und welches Interesse sie daran haben, erfolgreich Wissenschaft und Klinik zu betreiben. Und deshalb ist es vielleicht ein höheres Durchsetzungsvermögen, mehr Fleiß auch, ja und höhere Einsatzbereitschaft."
Bis heute sei diese Bereitschaft notwendig, beobachtet Kerstin Rhiem. Sie will ihre junge Nachwuchskollegin darin bestärken, sich trotzdem durchzubeißen und vor allem: Laut und deutlich eigene Ambitionen kundzutun. Denn:
"Es nützt gar nichts, dass eine Frau sich mit der Idee trägt, sie möchte Karriere machen und habilitieren zum Beispiel. Aber das nie formuliert. Und da sind Männer ganz anders. Männer tragen das eher vor sich her und formulieren es. Und es ist ja nicht selten so, dass aus solchen gesagten Dingen dann fast schon Realität wird. Und einem selber auch dieser Gedanke viel realistischer vorkommt, wenn man darüber spricht, als wenn man in seinem Herzen ein Geheimnis trägt und denkt: Naja, sag´s mal erst, wenn es soweit ist."
Schnelle Trendwende fraglich
Mut machen sollen auch die Workshops des Cornelia-Hartung-Programms der Uni Köln. Darin tauschen sich die Teilnehmerinnen auch aus zu den Themen Selbstvermarktung und Kommunikationsverhalten. Studentin Wibke Schumacher hat beobachtet, wie unterschiedlich Männer und Frauen da agieren:
"Dass Männer sehr, sehr gut darin sind zum Beispiel auf Kongressen direkt ins Thema einzusteigen und sich über ihre Wissenschaft und ihre Projekte zu unterhalten. Und die binden darüber Gemeinsamkeiten, die dazu führen, dass man gemeinsam publiziert oder gemeinsam neue Gelder eintreibt. Während Frauen oft Verbindungen finden über ne private Schiene und ich glaube, da müssen Frauen selbstbewusster sein und direkt auf der fachlichen, beruflichen Ebene zu kommunizieren."
Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger
"Niemand will eine Quotenfrau sein"Je höher in der Hierarchie, desto weniger Frauen, sagte die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger im Dlf. Das sei ein klassisches Muster - auch an Universitäten.
Trotz all der Bemühung um selbstbewusstes Auftreten ist Kerstin Rhiem skeptisch, ob es in Deutschland grundsätzlich eine schnelle Trendwende hin zu mehr weiblichen Führungskräften in Forschung und Lehre geben wird. Was auch an der nach wie vor klassischen Rollenverteilung in den Familie liege. Die Oberärztin fordert ein Umdenken:
"Dass wir sagen: Okay, da Frauen noch immer die Hauptlast in den Familien tragen, müssen wir es bewerkstelligen, dass wir durch schlaue Arbeitszeitkonzepte und flexible Arbeitszeiten es schaffen, dieses Frauenpotential zu nutzen. Anders wird es gar nicht gehen."
Denn Hochschulen, Kliniken und Forschungseinrichtungen seien auf gutausgebildetes Personal angewiesen und zumindest an der Uniklinik Köln stünden vor allem Frauen in den Startlöchern, sagt Rhiem. Sprich: es gibt aktuell deutlich mehr Assistenzärztinnen als männliches Nachwuchspersonal.