Donnerstag, 25. April 2024

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Getöteter Kriegspropagandist
Was machen russische Militärblogger?

In St. Petersburg ist der Kriegspropagandist Maxim Fomin bei einem Anschlag getötet worden. Er war einer von etwa 500 Militärbloggern, die kremlfreundliche Propaganda von der Front verbreiten.

Text: Pia Behme | Christina Nagel im Gespräch mit Christoph Sterz | 03.04.2023
Der russische Präsident Wladimir Putin schüttelt die Hand des Militärblogger Semyon Pegov im Dezember 2022 bei der Verleihung eines Ehrenordens.
Der russische Präsident Wladimir Putin verleiht dem Militärblogger Semyon Pegov im Dezember 2022 einen Ehrenorden. (IMAGO / Russian Look / IMAGO / Kremlin Pool)
Mehr als eine halbe Millionen Accounts folgten Maxim Fomin auf Telegram. Der Kriegsblogger nutzte dort das Pseudonym Wladlen Tatarski. Er hatte den Krieg Russlands gegen die Ukraine vehement unterstützt und war am 2. April bei einer Diskussion in einem Café von einem Sprengsatz getötet worden.

"Milblogger" berichten von der Front

Fomin war einer von rund 500 russischen Militärbloggerinnen und -bloggern - von dieser Zahl geht das US-amerikanische "Institute for the Study of War (ISW)" in einem Bericht zur “Milblogger-Community” aus. Die Bloggerinnen und Blogger vertreten in der Regel eine kriegsbefürwortende, russisch-nationalistische Haltung und haben enge Verbindungen zu Streitkräften. Meistens begleiten sie russische Soldaten oder Wagner-Söldner.
In Videos von der Front berichten sie über Kämpfe, Verluste der Ukrainer und auch eigene Todesopfer – aber nicht als unabhängige Journalisten, sondern mit kremlfreundlichem, nationalistischem Unterton.
"Eine halbe Millionen Follower, das ist nicht die breite Bevölkerung, aber das ist für Interessierte und gerade für patriotische Kreise doch ein relative großes Spektrum", so die ARD-Russlandkorrespondentin Christina Nagel. In diesem Spektrum bewegen sich die Militärblogger.

Gute Beziehungen zu Putin

Die Kriegsblogger nehmen eine Sonderstellung in der sonst staatlich-kontrollierten, russischen Medienlandschaft ein: "Sie dürfen relativ frei über das Militär und das Kriegsgeschehen schreiben und berichten", so Moskau-Korrespondentin Nagel. Ihre Kritik - etwa am Verteidigungsministerium und an Entscheidungen der Generäle - werde toleriert, schreibt das ISW. Während Putin von vielen verteidigt wird, gibt es auch einige, die ihn für die militärischen Misserfolge Russlands in der Ukraine verantwortlich machen.
Der russische Präsident hat mehrmals Militärblogger empfangen und sie gegen Angriffe des Verteidigungsministeriums geschützt. Dagegen hat sich die Sicherheitslage für unabhängige Medien verschärft, insbesondere nach der Verhaftung des US-Journalisten Evan Gershkovich.
Dass der Kreml die Militärbloggerinnen und -blogger toleriert, sei angesichts der Zensur anderer traditionellerer Medien erstaunlich, schreibt das "Institute for the Study of War". Ganz unabhängig von der russischen Regierung sind sie dennoch nicht: Manche Militärblogger sind im Auftrag von Staatsmedien unterwegs. Andere waren oder sind Regierungsbeamte. Einige Blogger haben inzwischen offizielle Positionen inne: Im November 2022 holte Putin etwa Alexander Kots in den "Menschenrechtsrat".