Malu Dreyer habe dem Land Schaden zugefügt, so Klöckner. Vor der Wahl habe sie behauptet, der Verkauf sei in "trockenen Tüchern", nach der Wahl sei dann aber alles "wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen". Sie habe das Parlament und die Öffentlichkeit nicht informiert - und gelogen: Dreyer habe behauptet, bei dem chinesischen Interessenten handele es sich um einen seriösen Käufer. Der Deal platzte, weil der Käufer wiederholt seinen Zahlungen nicht nachkam. Dabei sei die Landesregierung im Vorhinein von Beratungsunternehmen gewarnt worden. "Sorgfaltspflicht sieht anders aus," sagte Klöckner.
"Wir wollen ein Zeichen setzen"
Die Landesregierung sei deswegen kein Opfer, das einem Betrüger aufgesessen sei. "Sie hat den Vertrag proaktiv eingefädelt, mit fragwürdigen Mittelsmännern," so Klöckner. Ministerpräsidentin Dreyer habe sich besser informieren müssen: "Wie kann es sein, dass, wenn es eine Außenhandelskammer gibt und Kontakte, die sich auskennen, dass man da nicht nachfragt oder selbst nach Schanghai fliegt?"
Klöckner erwartet, dass ihre Fraktion heute geschlossen das Misstrauen ausspricht: "Wir als Opposition wollen heute ein Zeichen setzen und zeigen, dass wir dieses Handeln nicht billigen."
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Mitgehört hat Julia Klöckner, CDU-Fraktionschefin im Mainzer Landtag. Guten Morgen.
Julia Klöckner: Guten Morgen, Frau Schulz!
Schulz: Warum können Sie der Ministerpräsidentin nicht mehr vertrauen?
Klöckner: Weil wir sie an dem messen, was sie versprochen hat. Zum einen hat sie in ihrem Amtseid gesagt, sie wird Schaden vom Land fern halten. Aber sie hat dem Land erheblichen Schaden zugefügt, nicht nur einen Image-Schaden, sondern das Land auch in die Rolle des Bittstellers jetzt gebracht beim Verkauf des Flughafens. Wenn wir uns anschauen:
Vor der Wahl waren die Verträge schon fast in trockenen Tüchern, aber sie hat nicht die Wahrheit gesagt und eben nicht das Parlament und die Öffentlichkeit informiert. Und nach der Wahl hat sie es auch nicht gesagt, sondern erst an dem Tag, als die Unterschriften unter den Vertrag mit übrigens einem Phantom, einem Unternehmer gesetzt worden sind. Und auf die Frage, ob sie alles geprüft hätte, sagte sie, ja, dieser Käufer sei seriös, und alles ist dann wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Deshalb fragt man sich, welchen Worten kann man noch trauen, denn Sorgfaltspflicht sieht wirklich anders aus.
Schulz: Wann und wo hat Malu Dreyer gesagt, dass es leicht wird, den Flughafen Hahn profitabel zu verkaufen oder zu privatisieren?
"Man hätte sagen müssen, es gibt keinen Käufer"
Klöckner: Es geht gar nicht darum, ob sie gesagt hat, dass es leicht wird. Das hat man sehr früh gesehen, dass es überhaupt nicht leicht wird. Es geht darum, ob man den Worten der Ministerpräsidenten glauben kann, wenn sie sagt, sie hätte einen Käufer, zu dem es gar keine Alternative gäbe, und sie würde alles anders machen als ihr Vorgänger Kurt Beck, und sie macht es genauso wie beim Nürburgring. Man schiebt es jetzt auf andere, auf Beratungsunternehmen, die übrigens gewarnt haben diese Landesregierung.
Aber Frau Dreyer hat sich entschiedenen, einen anderen Weg zu gehen, weil sie schnell frisches Geld für den Hahn brauchte, aber da hätte man sich an dieser schwierigen Stelle ehrlich machen müssen, weil es gibt eine Sorgfaltspflicht der Ministerpräsidentin. Man hätte alle zusammenholen müssen und sagen müssen, es sieht einfach schlecht aus und es gibt keinen Käufer.
Schulz: Frau Klöckner, dieses ehrlich machen, ist nicht genau dies das, was jetzt gerade passiert ist? Das war eine peinliche Panne, das wird niemand bestreiten, aber das Land ist einem Betrüger aufgesessen, der Betrug ist aufgeflogen, das Land war beraten von einer renommierten Agentur, es hat diesen Betrug oder Betrugsversuch trotzdem gegeben. Es ist vielleicht dem einen oder anderen Bürger in diesem Land auch schon mal passiert, dass er einem Betrüger aufgesessen ist. Aber warum soll man deswegen der Regierung nicht mehr vertrauen?
"Die Landesregierung hat proaktiv diesen Verkauf eingefädelt"
Klöckner: Ich glaube, Frau Schulz, wir müssen jetzt die Geschichte mal ein bisschen sortieren. Denn die Geschichte, die Sie jetzt erzählen, ist die Lesart der Landesregierung. Wenn ein Unternehmer dreimal einem sogenannten Betrüger aufsitzt, dann fragt man sich irgendwann, ob dieser Unternehmer noch geeignet ist für diesen Posten oder für diese Aufgabe. Das ist zum dritten Mal der Fall.
Und das Zweite: Es ist ja nicht so, dass die Landesregierung Opfer ist. Sie hat proaktiv diesen Verkauf eingefädelt, auch mit Mittelsmännern, die sehr fragwürdig sind. Die Beratungsfirma KPMG hatte gewarnt wegen der nicht vorhandenen Seriosität und die Ministerpräsidentin …
Schulz: Aber KPMG hatte ja auch geprüft. Auf diese Prüfung beruft sie sich ja.
"Die Landesregierung hält einige Unterlagen unter Verschluss"
Klöckner: Ja, einen Moment! Das ist ja das genau, was die Öffentlichkeit jetzt stutzig macht, dass dieser Prüfbericht nicht öffentlich gemacht wird von der Landesregierung.
Das heißt, die Landesregierung hält einige Unterlagen unter Verschluss. Wir dürfen die nur in einem geheimen Raum auch lesen. Und man muss sich den Prüfauftrag anschauen, den KPMG bekommen hat. Es sollte keine umfassende Prüfung nach Bonität, Seriosität und Liquidität sein und am Ende hat die Ministerpräsidentin gesagt, ihr reicht diese Prüfung. Und vor allen Dingen: Sie hätte sich von allem überzeugt. Da ist doch die Frage, kann man glauben oder nicht glauben.
Es geht um Landesvermögen und nicht einen Acker, den man jetzt mal für tausend Euro mehr oder weniger verkauft. Und das ist das dritte Mal passiert, Frau Schulz!
Schulz: Um hoch verschuldetes Landesvermögen. - Frau Klöckner, ich wollte noch die Verständnisfrage stellen. Sie sagen es ja selbst: Es ist noch sehr viel im Dunkeln. Wäre es dann nicht logischer zu sagen, wir klären erst mal auf, wir machen erst mal einen Untersuchungsausschuss, und je nachdem, was da rauskommt, kann man dann mit dem Misstrauensantrag kommen?
Der Opposition die Aufklärung untersagt
Klöckner: Das ist auch wieder die Lesart der Landesregierung, der Ampelkoalition. Aber wenn ein Vertrauen erschüttert ist - und das ist es jetzt, genau jetzt -, wie soll man dann noch Vertrauen in eine Aufklärung haben? Denn wir wollten Aufklärung, das heißt Öffentlichkeit herstellen. Das hat uns die Landesregierung untersagt, obwohl sie ja maximale Transparenz verspricht. Und auch die Landesregierung hat ja nicht die Reißleine gezogen, als sie es gesehen hat, sondern Journalisten vom SWR und dem ZDF mussten nach Shanghai fliegen. Das hätte man selbst auch machen können als Regierung. Und dann haben sie festgestellt, dass das seriöse Unternehmen am Ende noch nicht mal ein Reifenhändler war, sondern eine Scheinadresse. Und was heute schon feststeht …
Schulz: Ein Staatssekretär war ja auch in Shanghai.
Klöckner: Ja danach, nachdem alles aufgeklärt worden war.
Schulz: Ich habe den Vorwurf nicht verstanden. Hätte Malu Dreyer selbst nach China fliegen sollen, oder welche Art von Aufklärung hätten Sie sich vorgestellt?
"Wir haben kein Vertrauen mehr in diese Regierung"
Klöckner: Ich denke, das gilt für sie, das gilt für jeden anderen auch, wenn er überprüft wird, wenn er einen Kredit haben möchte. Frau Dreyer hat sogar versprochen, dem Käufer noch rund 60, 70 Millionen Euro Zuschüsse dazuzugeben für einen Kaufpreis von 10, 15 Millionen Euro. Dass das windige Geschäftsleute anzieht, ist das eine. Insofern muss sie es zum anderen umso deutlicher überprüfen.
Aber wie kann es denn sein, wenn es eine Außenhandelskammer gibt, wenn es Kontakte nach China gibt, dass man die nicht fragt als Landesregierung, sondern erst, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist, einfach mal nach Shanghai fliegt? Wir haben kein Vertrauen mehr in diese Regierung, weil wir es beim Nürburgring zweimal erlebt haben. Frau Dreyer hat uns einen angeblichen sehr soliden Käufer präsentiert für den Nürburgring, und er konnte schon die zweite Rate nicht mehr zahlen. Da ist Sorgfaltspflicht gefragt!
Und wissen Sie, wenn es um Landesvermögen geht, wenn es um großen Schaden geht, dann braucht man eine Regierung, die Fehler eingesteht, aber vor allen Dingen auch aus den Fehlern lernt und sie nicht noch vertuscht und auf andere schiebt.
Schulz: Die Fehler hat die Landesregierung jetzt ja auch eingeräumt, Anfang des Monats. - Ich würde gerne auf Ihre Wortwahl schauen. Sie sprechen jetzt davon, es sei Vertrauen verspielt worden. Das sind jetzt Worte ihrer Rolle geschuldet natürlich. Sie sind gemeinsam mit der AfD Oppositionspartei im Mainzer Landtag. Aber Sie sind sich im Vokabular da schon ziemlich ähnlich. Sie ziehen jetzt das schärfste Schwert, das der Parlamentarismus zu bieten hat in Ihrem Land: den Misstrauensantrag. Ist es nicht klar, wenn auch Volksparteien so agieren und auftreten, dass das Vertrauen der Bürger in das Handeln ihrer Regierung oder in das Handeln von denen da oben, sage ich jetzt mal ein bisschen flapsiger, dass das dann auch leidet? Verspielen Sie das Vertrauen nicht Ihrerseits?
"Kaufvertrag in aller Heimlichkeit geschlossen"
Klöckner: Also Frau Schulz! Jetzt muss ich mal ganz kurz einhaken. Sie verwechseln gerade Täter und Opfer. Nicht wir haben einen solchen Kaufvertrag in aller Heimlichkeit geschlossen und die Öffentlichkeit und ein Parlament ausgeschlossen. Das war die Regierung. Wir haben gewarnt und Fragen gestellt. Und ich finde es nicht ganz fair, wenn Sie sagen, wir hätten den gleichen Sprachgebrauch wie die AfD. Ein Misstrauensantrag spricht von Vertrauen oder Misstrauen, und wenn ich von Misstrauen spreche, kann man im freien Land anderen nicht dieses Vokabular auch verbieten. Frau Dreyer selbst hat von maximaler Transparenz gesprochen. Sie hat uns aufgefordert, sie an ihren Worten zu messen, und die Worte sind gewesen, sie hätte diesen Käufer überprüft, es sei alles seriös.
Und wenn man sie an ihren Worten misst und alles wie ein Kartenhaus zusammenfällt, dann ist es unsere Aufgabe, Vertrauen in Institutionen wieder herzustellen. Jeder Unternehmer oder auch Journalisten, die etwas nicht nur verbockt haben, sondern zum dritten Mal falsch gemacht haben und auch letztlich Schaden anderen dadurch zugefügt haben, die müssen wissen, dass Verantwortung und Haftung zusammenliegen. Jeder Unternehmer hätte entweder die Konsequenz ziehen müssen, oder ein Angestellter.
Selbst eine Angestellte bei einem Supermarkt, wenn sie etwas falsch macht, muss mit Konsequenzen rechnen. Aber eine Regierung, die sagt, ja, da ist ein bisschen was schief gelaufen, aber wir machen weiter bisher, ich glaube, das muss man sortieren, was die Aufgabe auch einer Opposition ist.
Schulz: Die Regierung, die stellt sich in regelmäßigen Wahlen zur Abstimmung, was sie auch zuletzt im März getan hat. Da hat der Wähler davon abgesehen, Sie zur neuen Ministerpräsidentin zu machen.
Klöckner: Genau! Aber da hätte man die Informationen gebraucht, die man heute hat, die damals die Regierung hatte, aber natürlich bewusst nicht vorher vorgelegt hat.
"Ich erwarte, dass meine Fraktion das Misstrauen geschlossen ausspricht"
Schulz: Frau Klöckner, eine Frage würde ich Ihnen gerne noch stellen. Was erwarten Sie denn für heute?
Klöckner: Was erwarten wir für heute? - Na ja, es gibt sicherlich zwei Wege: Auf der einen Seite, dass es gerade bei der FDP auch ein paar Zweifler gibt, weil man natürlich ein Zeichen setzt, wenn man einen Blankoscheck gibt. Aber jetzt haben die der Fraktionsvorsitzenden bekundet, sie wollen an der Regierung und an ihren Ämtern festhalten, dass sie da zustimmen. Aber ich erwarte, dass meine Fraktion das Misstrauen geschlossen ausspricht, und uns ist wichtig zu zeigen, dass wir dieses Vorgehen der Landesregierung nicht billigen, dass wir es anders machen würden. Ob wir die Mehrheit haben oder nicht, das ist in einer Demokratie nicht der entscheidende Moment, ob man etwas macht, denn ansonsten dürften wir auch keine Anträge oder Gesetzentwürfe stellen. Ich erwarte heute, dass wir deutlich machen als CDU-Opposition, dass wir dieses Handeln, dieses Vorgehen nicht mehr billigen und dadurch ein Zeichen setzen.
Schulz: Die CDU-Fraktionschefin im Mainzer Landtag, Julia Klöckner, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Interview.
Klöckner: Danke Ihnen, Frau Schulz.
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