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"Mit der Hexenjagd muss irgendwann mal Schluss sein"

Die Opposition gefährde mit der Kritik an Außenminister Guido Westerwelle die Funktionsfähigkeit der Regierung, sagt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff. Die Unterstellung von Interessenkonflikten sei kleinkariert.

Andreas Schockenhoff im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Eine Woche war Guido Westerwelle unterwegs in Südamerika. Nun ist er zurück in Deutschland und seinen ersten Auftritt an der innenpolitischen Heimatfront nutzte der Außenminister an diesem Wochenende, um mit den Kritikern seiner Reise abzurechnen. Angriffslustig und ohne diplomatische Zwischentöne verurteilte der FDP-Chef die breite Kritik an der Zusammensetzung seiner Wirtschaftsdelegation.

    Am Telefon begrüße ich jetzt den stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andreas Schockenhoff. Guten Morgen, Herr Schockenhoff.

    Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Herr Heinlein.

    Heinlein: Ist Angriff die beste Verteidigung für Guido Westerwelle?

    Schockenhoff: Nein, aber er hat zwei Rollen zu spielen. Er ist Außenminister mit einem sehr angespannten Terminkalender, mit einem ehrgeizigen Reiseprogramm, und er ist Parteivorsitzender, der im Wahlkampf ist. Natürlich ist Wahlkampf, aber dass man diese beiden Rollen nicht unterscheidet, sondern dass man auch seine Funktion als Außenminister jetzt innenpolitisch im Wahlkampf benutzt, das ist nicht nur ein Schaden für Guido Westerwelle, sondern das ist ein Schaden für Deutschland, und deswegen müsste man alle Politiker hier an ihre Verantwortung erinnern.

    Heinlein: Aber wären leisere diplomatischere Töne auch im Wahlkampf jetzt nicht angemessener für einen deutschen Außenminister?

    Schockenhoff: Das kommt darauf an, in welcher Funktion. Wenn er sich als FDP-Vorsitzender im Landtagswahlkampf Nordrhein-Westfalen äußert, wo es ja um was geht, dann darf man es ihm nicht verwehren, dass er klare Worte findet. Aber wenn er als Außenminister unterwegs ist, hat er eine andere Rolle, und die muss eigentlich jeder unterscheiden können und auch den Parteivorsitzenden im Wahlkampf nehmen, aber den Außenminister auch in seiner Funktion und in seiner Arbeit akzeptieren.

    Heinlein: Ist Guido Westerwelle, Herr Schockenhoff, aber auch deshalb so angreifbar, weil er genau diese Rollen nicht auseinanderhalten kann und in der politischen Diskussion so gerne austeilt?

    Schockenhoff: Dass er austeilt, ist klar. Es geht ja um viel. Es geht für die FDP nicht nur um die Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen, sondern es geht darum, ob die schwarz-gelbe, die christlich-liberale Koalition in Berlin die Mehrheit im Bundesrat behält, das heißt, ob wir eine Regierung haben, die in einer schwierigen Zeit wirklich gestalten kann, oder ob wir in einer wirklich schwierigen Zeit erneut unsichere Verhältnisse bekommen, ob wir im Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag in lähmenden Sitzungen dann letztendlich politische Entscheidungen zu treffen haben. Es geht um viel, da liegen manchmal die Nerven blank, aber dass Guido Westerwelle, wenn er zu Hause ist, als Parteivorsitzender Wahlkampf macht, das darf ihm niemand verübeln.

    Heinlein: Geht es auch darum, dass ein Minister, der gerne polemisiert, nicht auch lernen muss einzustecken, ohne gleich die Demokratie in Gefahr zu sehen?

    Schockenhoff: Ich glaube, es geht um was anderes. Wir haben natürlich grundsätzlich Entscheidungen zu treffen, in welche Richtung – er spricht jetzt von dem linken Zeitgeist, von Richtungsentscheidung; das mag sein -, aber wir haben eigentlich eine seltsame politische Situation. Wir haben hochsensibles Krisenmanagement, das man nicht im Vorhinein planen kann. Wir haben in der Regierung Merkel, in der Großen Koalition, die Krise des Jahres 2008/2009 wirklich gut hingebracht. Wir haben weltweit und historisch einzigartig bei einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um fünf Prozent einen Anstieg der Arbeitslosigkeit von nur 0,6 Prozent. Das ist sozialpolitisch eine große Leistung.

    Heinlein: Das wissen wir alles, Herr Schockenhoff!

    Schockenhoff: Ja, aber die Themen, über die wir im Wahlkampf reden, sind eigentlich nicht die Themen, die politisch am sensibelsten sind.

    Heinlein: Reden wir noch einen Moment, Herr Schockenhoff, über Guido Westerwelle. Muss der Außenminister sich deshalb so lautstark verteidigen in eigener Sache, weil die Kanzlerin und auch Ihre Partei, die CDU/CSU, ihm nur so leise den Rücken stärkt?

    Schockenhoff: Nein. Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine Wahlkampfsituation und wir brauchen den Dingen nicht dadurch mehr Gewicht zu verleihen, indem wir einfach lautstark auch noch hinterherrufen. Nein! Ich glaube, dass wir einfach ruhiger und gelassener die Regierungsarbeit machen sollten. Wir haben schwierige Themen! Es geht um die Stabilität des Euro, es geht darum, aus der Krise herauszukommen, und natürlich haben wir trotzdem auch Wahlkampf. Das gehört in einer Mediendemokratie dazu, dass solche Dinge gleichzeitig passieren, aber damit muss man umgehen können.

    Heinlein: Herr Schockenhoff, Ihre Meinung: Hat Guido Westerwelle alles richtig gemacht bei der Zusammensetzung der Delegation für seine Auslandsreisen?

    Schockenhoff: Ich gehe davon aus, dass es hier klare Regelungen gibt, nicht nur im Außenministerium, auch im Bundeskanzleramt, auch in anderen Ministerien, dass es Regelungen gibt, nach denen Delegationen zusammengestellt werden, und ich gehe davon aus, dass danach im Auswärtigen Amt verfahren wurde.

    Heinlein: Das hat die Kanzlerin auch schon gesagt. Noch einmal, Herr Schockenhoff, die Frage: Hat Guido Westerwelle alles getan, um zumindest den Anschein der Vermischung von Privat-, Partei- und Geschäftsinteressen zu vermeiden?

    Schockenhoff: Jetzt muss ich Ihnen mal genauso direkt antworten. Es ist doch ganz normal, es wird sogar erwartet manchmal, dass zu Auslandsterminen, zu offiziellen Staatsbesuchen der Lebenspartner dabei ist, und warum soll das jetzt bei Herrn Westerwelle ein Politikum sein, wenn das sonst in anderen Zusammenhängen eigentlich sogar erwartet wird.

    Heinlein: Darf ein Außenminister in Verdacht geraten, seinem Lebenspartner Türen für wirtschaftliche Kontakte zu öffnen? Das ist ja der kleine, aber feine Unterschied.

    Schockenhoff: Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube aber auch nicht, dass dieser Verdacht besteht. Dass ein Lebenspartner auch eigenständig, eine eigenständige Person ist, auch beruflich eigenständig unterwegs ist, das ist doch das Normalste von der Welt, und ich finde es relativ kleinlich und finde hier die Grenze zwischen Innenpolitik und wirklich außenpolitischen Interessen unseres Landes, nicht einzelner Personen oder Parteien, verwischt. Deswegen glaube ich, dass die Diskussion, wie sie geführt wird, unserem Land schadet.

    Heinlein: Ist es auch kleinlich, wenn kritisiert wird, dass ein Außenminister Geschäftsleute mit an Bord nimmt, die zuvor kräftig an seine Partei gespendet haben?

    Schockenhoff: Also die Deutsche Bank spendet an alle Parteien und der Chef der Deutschen Bank war bei allen Bundeskanzlern, egal welcher Couleur, in Delegationen dabei. Das heißt doch nicht von vornherein, dass dort die Grenze zwischen Parteiinteresse und Interesse der Bundesrepublik Deutschland verwischt wird. Also man muss hier die Kirche auch mal im Dorf lassen. Es ist notwendig, dass Politik und Wirtschaft Kontakte pflegen, und außerdem muss man auch mal sagen, dass Parteispenden zum Funktionieren einer Demokratie notwendig sind und nicht ehrenrührig sind. Es darf dabei keine unbilligen Interessenverflechtungen geben, aber dass Parteispenden von auch Unternehmen, die dann bei offiziellen Delegationen dabei sind, nicht per se etwas Unanständiges sind, oder nicht per se den Geruch der Korruption haben, das muss man auch mal deutlich sagen.

    Heinlein: Bleibt die Kirche auch im Dorf, wie Sie sagen, Herr Schockenhoff, wenn ein Außenminister einen Freund als Reisebegleitung wählt, der zu seinem eigenen Bruder enge Geschäftsbeziehungen pflegt?

    Schockenhoff: Sie versuchen, jetzt was zu konstruieren. Das ist im Einzelfall zu bewerten. Wenn ein Freund eines Bruders oder wenn mein Bruder wirtschaftlich irgendwo tätig ist und in dieser Funktion eingeladen wird, dann darf es eben nicht zum Nachteil werden, dass er mein Bruder ist. Deswegen glaube ich, dass diese Konstruktionen, die wir hier machen und die jetzt sofort als ein Interessengemenge dargestellt werden, nicht nur kleinkariert sind, sondern es gibt auch das Gegenteil von Vetternwirtschaft. Es gibt auch die Unterstellung von Interessenkonflikten, die eigentlich ein sinnvolles Miteinander von Wirtschaft, Politik, Kultur und Medien nicht mehr ermöglichen. Deswegen muss auch mit der Hexenjagd irgendwann mal Schluss sein.

    Heinlein: Sie sagen kleinkariert, Sie sagen Hexenjagd, Herr Schockenhoff. Aber alles zusammengenommen, beschädigt nicht auch schon der Verdacht liberaler Vetternwirtschaft die Glaubwürdigkeit und Integrität eines Außenministers?

    Schockenhoff: Natürlich, aber es beschädigt nicht nur derjenige, der das Objekt des Verdachtes ist, sondern auch derjenige, der den Verdacht streut, nicht nur die Integrität des Außenministers, sondern auch die Funktionsfähigkeit einer Regierung im Interesse unseres Landes.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Schockenhoff: Danke, Herr Heinlein.