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Mit Tricks und schönen Worten

Um einen Job zu bekommen, wird bei Bewerbungsgesprächen nicht selten getrickst, gelogen und geblendet. Keine leichte Sache für die Personalchefs, die solche Trickser enttarnen müssen, um den Richtigen für ihr Unternehmen zu finden.

Von Stephanie Kowalewski |
    "Alles steht und fällt mit einer sauberen Anforderungsanalyse."

    Sagt der Düsseldorfer Diplom Psychologe Stefan Riechmann, der Personalverantwortliche in Interviewtechnik und Auswahlverfahren schult:

    "Das heißt: Welche Kompetenzen muss der Bewerber haben, um an diesem Arbeitsplatz erfolgreich zu arbeiten. Und das ist etwas, was bei vielen Personalern noch zu kurz kommt."

    Denn nach Riechmanns Meinung werden immer noch zu viele Bewerbungsgespräche eher aus dem Bauch heraus geführt, sind zu wenig strukturiert und geplant, um wirklich den passenden Kandidaten aus den Bewerbern herausfiltern zu können. Einen Grund dafür sieht Stefan Riechmann in der beruflichen Qualifikation der Mitarbeiter in den Personalabteilungen:

    "Es ist so, dass wir im Personalbereich sehr viele BWLer finden und diese wirklich psychologisch fundierte Personalauswahl ist nicht Bestandteil der Ausbildung während des Studiums."

    Deswegen schicken viele Unternehmen - wie auch der Süßwarenhersteller Mars im nordrhein-westfälischen Viersen - ihre Personaler zur Fortbildung in spezielle Seminare. Hier lernen sie unter anderem, eigene Wahrnehmungsfehler zu erkennen, die einem objektiven Blick auf den Bewerber oft im Weg stehen.

    Nicola Lafrentz, Personaldirektorin bei Mars kennt das aus eigener Erfahrung:

    "Wir sind auch nur Menschen. Wir können uns auch nicht komplett davor schützen, dass nicht ein erster Eindruck letztendlich das Gespräch bestimmt. Oder das wir auch gerne dazu tendieren, Leute zu rekrutieren, die uns selber am ähnlichsten sind."

    Riechmann: "Das sind Dinge, die müssen Personaler nach dem Interview für sich ganz genau reflektieren können. Das passiert noch viel zu selten. Viele kennen diese Wahrnehmungsfehler gar nicht."

    Psychologe Stefan Riechmann trichtert seinen Seminarteilnehmern außerdem in Theorie und Rollenspielübungen immer ein, in Bewerbungsgesprächen ruhig etwas hartnäckiger nachzufragen:

    "Ich erlebe das immer wieder, dass sich die Interviewer mit halbgaren Antworten zufriedengeben. Das heißt, der Kandidat präsentiert eine Erfolgsstory und die sagen toll, ganz toll und sind sehr zufrieden. Wichtig ist wirklich konkretisieren, beschreiben sie mir ganz genau, was sie in dieser Situation gemacht haben."

    Wie notwendig das ist, erlebt auch Jordis Greve regelmäßig. Sie sucht als Recruiterin bei Mars nach geeigneten Mitarbeitern:

    "Man hat das Gefühl, dass es manchmal so Schlagworte gibt oder so Standardfloskeln, die die Bewerber vielleicht in irgendwelchen Ratgebern oder durch Freunde mitbekommen haben, die dann denken, dass die ganz gut sind."

    So kommen auf die etwas veralteten Fragen nach Stärken und Schwächen inzwischen fast immer die gleichen Antworten wie Ungeduld, Ehrgeiz oder Perfektionismus – alles Eigenschaften, die je nach Job, auch positiv gedeutete werden können:

    "Aber wichtig ist es, dass man zeigt, dass es auch wirklich so ist und das durch Beispiele untermauern kann."

    Also hakt die Recruiterin Jordis Greve nach, will genau wissen, wie und in welcher Situation sich beispielsweise eine vermeintliche Schwäche geäußert hat. An dieses Verfahren erinnert sich die 25-jährige Christiane Dreßler noch gut. Sie ist seit Kurzem bei dem Süßwarenhersteller in der Marketingabteilung beschäftigt und hat sich den Fragen der Recruiterin gestellt:

    "Wie man Probleme in der Situation gelöst hat, wie man da ran gegangen ist und was man letztendlich davon gelernt hat."

    Gerne werden in Bewerbungsgesprächen auch typische Arbeitssituationen beschrieben und gefragt, wie der Bewerber etwa auf eine Kundenbeschwerde oder einen Konflikt unter Kollegen reagieren würde. So lässt sich testen, ob der Kandidat tatsächlich über Eigenschaften wie Empathie, Konflikt- und Teamfähigkeit verfügt. Nur so können einstudierte Antworten von tatsächlichen Fähigkeiten unterschieden werden – da sind sich Personaltrainer und ehemalige Bewerberin einig.
    Riechmann: "Das ist, glaube ich, das Entscheidende, um - ich sag es mal ganz vorsichtig – Blender auch zu entlarven."

    Dreßler: "Weil in dem Moment, wo mehr Nachfragen gestellt werden, kann ich mir nicht so schnell Details ausdenken, ich kann nur davon erzählen, wenn ich es wirklich durchgestanden habe."

    Letztlich überzeugt der, der sich möglichst authentisch präsentiert und das Bewerbungsgespräch auch aktiv nutzt, um den potenziellen Arbeitgeber kennenzulernen. Denn die meisten Personaler wünschen sich mehr Nachfragen der Kandidaten, sagt Jordis Greve:

    "Nicht nur die Zahlen und Fakten, die kann man auch meistens im Internet lesen, sondern wirklich, was bedeutet die Unternehmenskultur, wie zeigt sich die, was ist uns wichtig vielleicht auch, dann natürlich auch zur Stelle. Das würden wir uns wünschen, dass da noch mehr kommt."