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Mobile Schlagzeugschule
Mit dem Rettungswagen zum Unterricht

Musikunterricht auf Bestellung vor der Haus- oder Bürotür? Das gibt es seit zwei Jahren im Schwäbischen. Der Schlagzeuglehrer Ferdinand Mauser fährt mit einem umgebauten Rettungswagen dorthin, wo der Unterricht stattfinden soll - für kurze Zeit in eine andere Welt und das alles ohne Umstände.

Von Uschi Götz |
    Das Schlagzeugmobil von Ferdinand Mauser
    Das Schlagzeugmobil von Ferdinand Mauser (Deutschlandradio /Uschi Götz)
    "Dieses Auto, mit dem wir hier fahren, das ist ganz frisch."
    Ferdinand Mauser ist auf einer Landstraße nahe Tübingen unterwegs. Der Schlagzeuglehrer steuert einen ausrangierten Rettungswagen. Wo früher Patienten transportiert wurden, steht jetzt ein Schlagzeug. Mauser ist Marketingfachmann, vor zwei Jahren machte er sein Hobby zum Beruf. Jetzt gibt er Unterricht und zwar dort, wohin ihn seine Schülerinnen und Schüler bestellen. Fast wäre dieser Lebenstraum geplatzt, erzählt der 30-Järhrige auf der Fahrt zum ersten Schüler an diesem Morgen.
    Unfall mit dem "Rettungswagen"
    "Mich hat es mit der mobilen Schlagzeugschule komplett überschlagen, um 360 Grad, wie bei Cobra 11 quasi, wirklich ein Überschlag, ein Korkenzieher."
    Der Wagen war Schrott, Mauser kam mit Wirbelbrüchen ins Krankenhaus. Kaum entlassen, bestellte er den nächsten Rettungswagen. Der Traum geht also mit einem ganz frischen Wagen weiter. Ein unkomplizierter Typ ist Mauser, humorvoll, spontan, aber nicht so chaotisch wie manch anderer Berufskollege. Der mittelgroße Schlagzeuger mit einem gepflegten dunklen Vollbart trägt ein gebügeltes T-Shirt, in der Mittelkonsole des "Bussles", wie Mauser sein Gefährt nennt, liegen fein säuberlich sortiert Schnellhefter mit Noten, jeder Kunde hat dabei einen eigenen:
    "Es gibt Leute, die schaffen mit Noten, es gibt Leute, die schaffen mit Musik. Und ich mag halt beides gern. Ich finde es wichtig mit Gehör zu spielen, vor allem Freude daran zu haben. Und dann auch die Noten dazu, aber nicht so streng die Theorie, der Spaß liegt im Vordergrund."
    Ferdinand Mauser und Schüler in seinem Schlagzeugmobil
    Ferdinand Mauser und Schüler in seinem Schlagzeugmobil (Deutschlandradio/ Uschi Götz)
    "Schlagzeug spielen, wo du willst"
    Er kennt namhafte Musikerinnen und Musiker aus seinem Genre, an Wochenenden ist er selbst bisweilen auf der Bühne. Von Klassik bis Jazz, er beherrscht alles und kann sich auch für fast jeden Musikstil begeistern.
    "Der Schüler wohnt hier oben, und das ist eine ganz enge Passage. Ich fahr vorbei, schau, ob was frei ist, dann fahre ich runter, das ist mit dem Bussle gar nicht so einfach."
    "Schlagzeug spielen, wo du willst" steht mit großen Buchstaben auf dem Bus, fast in Originalgröße ist Ferdinand Mauser auf allen Seiten mit seinem Schlagzeug abgebildet. Der Bus zieht viele Blicke auf sich, fast immer bleiben Leute stehen, wenn er irgendwo auftaucht:
    "Kann ich da vorne drehen?" "Ja, klar, Du guckst wie es Dir passt"
    Mit Schlagzeugstöcken in der Hand schaut Etienne beim Parkmanöver zu. Kurz darauf steigt der Schüler durch die seitliche Schiebetür des Busses ein, Mauser schließt die Tür und setzt sich mit Abstand neben den Jungen:
    "Ich zähle auf vier.. und dann spielen wir Folgendes: Bum, Zack. Und das geht ganz einfach! Hier drauf schlagen, mit der rechten Hand."
    Es ist Etiennes‘ zweite Unterrichtsstunde, vor dem Bus hört sein Vater versonnen zu:
    "Also ich finde das ganz geschickt. Für uns ist das optimal so, dann müssen wir ihn nicht irgendwo zur Musikschule bringen."
    Im Inneren des Busses ist die Stimmung gelassen, es wird viel gelacht:
    "Wir machen mal eine Probe, Du spielst hier, ich zähle auf vier, und dann machst Du Bum, zack."
    Bühnenfeeling im Bus
    Mauser sucht im Smartphone nach einem passenden Lied, kurz darauf kommt der Sound aus einer Lautsprecherbox. Im umgebauten Rettungswagen ist viel Platz, das elektrische Schlagzeug und zwei Stühle sind das einzige Equipment. Die Wände sind mit einer Art Folie bespannt, darauf sind tanzende, junge Menschen abgebildet. Um das Bühnenfeeling perfekt zu machen, können per Knopfdruck Deckenscheinwerfer eingeschaltet werden, auf Bedarf blitzt so Licht durch den Raum. Etienne lächelt und schlägt fast im Takt auf Toms und Becken. Mauser filmt eine kurze Sequenz:
    "Das Lied würde ich Dir schicken in Whatsapp, oder deiner Mama. Das Buff, tschak schicke ich ihr und dann kannst du es zuhause nochmal angucken. Ist das in Ordnung?" "Ja" Das heißt, wir spielen es noch einmal mit Musik und dann schreibe ich rein: ‚Etienne Hausi"
    Eine halbe Stunde Unterricht ist vorbei, Etienne springt vergnügt aus dem Wagen. Das Schlagzeug ist fest verschraubt, vor der Weitherfahrt muss lediglich eine Snare Drum verstaut werden:
    "Dann gibt es hier oben ein Fach, da ist im RTW immer das Halswirbelsäuleimmobilisationsset…"
    Bunt gemischte Kundschaft
    Wo einst Hilfsmittel für Notfälle zu finden waren, liegt nun eine kleine Trommel. Mausers Kundschaft ist bunt gemischt: Viele junge Schülerinnen und Schüler sind darunter, auch ein Pilot, Büromenschen, und auch einige Hausfrauen zählen zum Kundenkreis des Schlagzeuglehrers. Ob Privathaus oder Büro, der Schlagzeuglehrer fährt überall vor:
    "Also die Reise geht manchmal zum Krematorium, da hat dann jemand Unterricht, teilweise habe ich auch schon vor dem Pfarrhaus geparkt, weil ein Pfarrer Unterricht gehabt hat."
    Der Schlagzeuger ist bodenständig, er kommt mit allen klar. Beim Hühnerfüttern auf dem Hof der Großmutter wurde sein Talent früh entdeckt:
    "Da habe ich das Hühnerfutter ausgeleert, den ganzen Eimer in den Hühnerstall reingeleert, die Eimer genommen und mit Kochlöffeln vor allem, im Hof getrommelt. Das ist so ein alter Hof."
    Abos für Schüler
    Kurz darauf bekam er sein erstes eigenes Schlagzeug. Den Weg vom Dorf zum Schlagzeugunterricht nach Tübingen empfand er damals als weit. Eine Erfahrung, die ihn später auf die Idee zur mobilen Schlagzeugschule brachte. Auf die Minute pünktlich biegt Mauser jetzt in ein Neubaugebiet in einem Ortsteil von Rottenburg am Neckar ein. Im Skater-T- Shirt warten schon Max und seine Mutter hier auf ihn:
    "Hi! Ich würde so schräg hinfahren, ist das okay?"
    (Max Mutter): "Wir haben drei Kinder, besser kriegen wir es gar nicht. Er kommt vor die Tür, hat professionelles Equipment und Schlagzeugunterricht bei Ferdi ist genial."
    Max ist Linkshänder, das Schlagzeug muss noch ein bisschen umgebaut werden, dann geht’s los. Bis nach draußen ist Max zu hören, eine Nachbarin steht schmunzelnd im Garten. Die Schülerinnen und Schüler bekommen ein Abonnement: 80 Euro bezahlen sie für vier Unterrichtseinheiten im Monat. Kaum ist Max fertig, wird das Bussle gecheckt:
    "Bis nächste Woche, gell! Ich kontrolliere immer alles, wie in einem Flugzeug: Die Klappe zu, die Türen zu."
    "Das Geschäft lohnt sich", sagt Mauser auf der Weiterfahrt, aber es ist auch anstrengend: "Ich könnte theoretisch noch ein Bussle aufmachen, mach ich aber nicht."
    Neuer Plan: Eine App
    Er möchte den Unterricht gründlich machen, auf die Schülerinnen und Schüler eingehen. Zurzeit entwickelt er mit einem Kumpel eine App. Darüber sollen künftig Hausaufgaben und Musikstücke kommuniziert werden können. Abends muss die Eigenwerbung in den Sozialen Medien auf dem neusten Stand gehalten werden:
    "Und dass die Homepage gescheit aufrufbar ist, da steckt so so viel dahinter und nur dann läuft es. Wenn das Marketing stimmt."
    "Ich bin frei"
    Anfragen bis aus der Schweiz erreichen ihn mittlerweile, doch die fünf Landkreise, die er zurzeit anfährt, reichen Mauser völlig. Die Sonne geht langsam unter, links und rechts von der Landstraße leuchten noch die gelben Weizenfelder. "Ich bin glücklich", sagt Ferdinand Mauser: "Ich kann eigentlich das machen, was ich will. Dann fällt mir immer ein, früher musste ich immer ausstempeln, wenn ich auf die Toilette wollte. Fällt alles weg. Ich bin frei."
    Und vor der Tür eines Einfamilienhauses wartet schon der nächste Schüler.