Mittwoch, 24. April 2024

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Mosambik
"Beide Zyklone sind Ausdruck des Klimawandels"

Einerseits sei Mosambik nach zwei schweren Stürmen Opfer des Klimawandels, sagte der Umweltschützer Samuel Mondlane im Dlf. Da das Land aber Kohle und Gas fördere und energieintensiv Aluminium produziere, trage es auch zum Problem bei. Mondlane fordert daher ein Umdenken.

Samuel Mondlane im Gespräch mit Jule Reimer | 02.05.2019
Von Palmen gesäumte Straße mit zerstörten Autos
Zwei Wirbelstürme sind innerhalb kürzester Zeit über Mosambik hinweg gefegt und haben viel Verwüstung hinterlassen. (dpa/Kate Bartlett)
Jule Reimer: Nach dem zweiten schweren Wirbelsturm innerhalb weniger Wochen steigt in Mosambik die Opferzahl weiter an. Mindestens 41 Menschen kamen durch Zyklon "Kenneth" ums Leben, teilt das UN-Nothilfebüro (Ocha) mit. Die der Nordküste des südostafrikanischen Landes vorgelagerte Insel Matemo wurde nach Aussage von Helfern völlig verwüstet. Mosambik ist eines der ärmsten der Länder der Welt und es ist aber auch eines der Länder, die am verletzlichsten gegenüber den Folgen der Klimaerwärmung sind. Die beiden Zyklone waren jeweils von sehr schweren Regenfällen und Überschwemmungen begleitet. Vor dieser Sendung fragte ich Samuel Mondlane , der bei der mosambikanischen NGO Justiça Ambiental in Maputo als Experte für Klimaveränderungen arbeitet, inwieweit diese Naturkatastrophe in den nächsten Monaten in den betroffenen Regionen jenseits der Toten und der anderen aktuellen Verluste für die bertoffenen Menschen nachwirken wird.
Samuel Mondlane: Der Klimawandel hat den Zyklon Idai nicht verursacht, der in Mosambik eine der größten Katastrophen seit Jahrzehnten ausgelöst hat. Zyklone gehören zu den Wetterphänomenen dieser Region. Sie haben in den vergangenen Jahrzehnten nicht zugenommen. Aber die Folgen sind gravierender.
"Zyklone haben die Existenzgrundlagen der Familien zerstört"
Reimer: Es gab die beiden Zyklone, danach schwere Regenfälle, Überschwemmungen: Jenseits dieser aktuellen Katastrophen, bei denen viele Menschen ihr Haus und Gut verloren, wie wird sich diese Naturkatastrophe in den nächsten Monaten in den betroffenen Regionen nachwirken?
Klimaexperte Samuel Mondlane
Klimaexperte Samuel Mondlane (Deutschlandradio / Privat Samuel Mondlane)
Mondlane: Diese Zyklone werden den betroffenen Menschen das Überleben, den Alltag, noch mehr erschweren. Denn über die Toten und die Zerstörung der Infrastruktur hinaus haben die Zyklone die Existenzgrundlagen der Familien zerstört. Neben den Städten Beira und Pemba sind vor allem viele ländliche Gebiete betroffen, und die Felder wurden durch die Zyklone und die schweren Überschwemmungen, die damit einhergingen, komplett verwüstet. Wir haben Milliarden Hektar reife Ernte verloren, deshalb wissen die Leute nicht, wovon sie sich ernähren sollen. Und das gilt auch längerfristig, denn in Mosambik leben zahlreiche Bauern davon, dass sie einen Teil der Ernte als Saatgut aufheben. Das wird große Versorgungsprobleme schaffen. Wir standen kurz vor der Ernte.
Reimer: Unseren Informationen nach sind Zyklone an der Südostküste Afrikas um dieser Jahreszeit normal, das heißt das Unwetter lässt sich nicht direkt der Klimaerwärmung zuordnen, aber die Klimaerwärmung ist der Grund, warum die Folgen katastrophaler sind. Sehen Sie das auch so?
Mondlane: Nein, im Fall Mosambiks ist es etwas ganz Neues, dass zwei so starke Zyklone binnen weniger als zwei Monaten aufeinander folgten und das waren die schlimmsten Zyklone, die Mosambik je erlebt hat. Das können wir nicht als normal bezeichnen. Ja, das ist jetzt die Jahreszeit für Zyklone. Aber es gibt eine direkte Beziehung zwischen der Stärke der Zyklone und der Klimaerwärmung, wenn sich die Meere aufheizen, beeinflusst das die Stärke der Stürme. Ich bin mir sicher, dass diese beiden Zyklone schon Ausdruck des Klimawandels sind. Mosambik grenzt in seiner ganzen Länge ans Meer, es gehört in Afrika und weltweit zu den Ländern, die gegenüber den Folgen der Klimaerwärmung am verletzlichsten sind und wir durchleben das schon. Wir hatten kurz hintereinander zwei Zyklone der Stärke vier, das ist fast die maximale Stufe fünf. Wir sind nicht nur Küstenland, wir sind auch in anderen Punkten fragil, unsere Infrastruktur, bei der Vorsorge, wegen der Armut. Denn umso ärmer ein Land ist, umso dramatischer wirken sich die Folgen der Klimaerwärmung aus.
Umsiedlung von Bauern oft erfolglos
Reimer: Wir erinnern uns an die dramatischen Überschwemmungen im Jahr 2000 in Mosambik. Was ist seither in Sachen Zivilschutz passiert, was wurde investiert?
Mondlane: Die Regierung bemüht sich wirklich, das Nationale Institut für Katastrophenschutz deutlich besser auszustatten und hat in Personal, Boote, Hubschrauber investiert, um die Menschen in abgeschnittenen Regionen zu versorgen, auch in Drohnen, um entlegene Regionen zu überwachen. Und man muss auch zugeben, dass viele Landbewohner sich weigern, ihre Dörfer in den Risikogebieten zu verlassen. Fast 66 Prozent der Mosambikaner leben auf dem Land und dort von ihren Äckern. Die Felder in der Nähe von Flüssen sind besonders ertragreich. Gleichzeitig sind das aber auch die Risikogebiete. Die Regierung drängt die Leute wohl, in höhergelegene Regionen umzuziehen. Diese sind zwar sicherer, aber weniger ertragreich und sie bieten zudem keinerlei Infrastruktur wie Schulen oder Gesundheitsversorgung. Deshalb kehren die Leute ganz schnell wieder in die Risikogebiete zurück. Es kursiert ein Video, in dem sogar die Chefin der nationalen Wetterbehörde versucht, einen Mann zu überreden, wegen des gefährlichen Zyklons sein Land zu verlassen. Aber er weigert sich standhaft. Seine Begründung: "Alles, was ich besitze, ist hier."
Reimer: Mosambik fördert Kohle und Gas und es produziert in einer der größten Schmelzen der Welt sehr energieintensiv Aluminium. Wo ist Mosambik in Bezug auf die Klimaerwärmung Täter, wo ist es Opfer des Klimawandels?
Mondlane: Wenn Sie die Gesamtmenge der weltweiten CO2-Emissionen historisch betrachten, dann ist der Anteil Mosambiks gering, fast nichts. Ihre Frage ist sehr interessant. Mosambik war und ist bereits Opfer; ist Opfer, weil wir kaum etwas ausstießen und dennoch unter den Folgen leiden. Allerdings tragen wir heutzutage dazu bei, das Problem zu verschärfen, anstatt zu einer Lösung beizutragen, mit unseren Investitionen in die Kohle-, Erdöl-und Gasförderung. Also: Ein reines Opfer sind wir nicht mehr.
"Die internationale Einflussnahme ist groß"
Reimer: Mosambik ist sehr, sehr arm und angewiesen auf die Einnahmen aus der Kohle-, Gas- und Aluminium-Produktion. Was könnten die Alternativen sein?
Mondlane: Ehrlich gesagt, hier handelt es sich um ein weiteres Problem, dass wir in Mosambik gar nicht über Alternativen reden. Auf politischer oder Regierungsebene wird darüber nur so diskutiert: Soll es Kohle oder Gas oder Erdöl sein. Dabei gibt es verschiedene Studien über das Potenzial Mosambiks bei der Sonnen- oder Windenergie. Stattdessen investieren wir weiter in Fossile und glauben, das muss so um der Einnahmen willen sein. Wir können doch nicht - nur weil wir arm sind - einem Entwicklungsweg folgen, der genau diese Klimakrise ausgelöst hat.
Reimer: Aber warum geht Mosambik dann trotzdem diesen Weg? Liegt es daran, dass die internationalen Geber, die in Mosambik eine wichtige Rolle spielen, diese Richtung vorgegeben haben?
Mondlane: Ja, ich meine schon, dass die internationale Einflussnahme groß ist. Denn die Unternehmen, die bei uns Kohle, Gas, Erdöl, Aluminium fördern wollen oder mit Staudämmen Energie erzeugen, sind keine mosambikanischen, die kommen aus dem Ausland. Ja, da gibt es Druck. Aber wir müssen uns auch bewusst machen, dass Mosambik ein souveränes Land ist, das auch souveräne Entscheidungen treffen und sich nicht so sehr dem ausländischen Druck unterwerfen sollte, weder bei der Energiepolitik noch bei der Wahl des Entwicklungsmodells. Ich glaube, es reicht nicht, immer mit dem Finger auf die andern zu zeigen, sondern wir müssen auch auf uns schauen und die eigenen Fehler anerkennen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.