Im Apfeldorf Altnau, an der Schweizer Seite des Bodensees zwischen Kreuzlingen und Romanshorn gelegen, hat man längst entdeckt, dass der Apfelanbau in der Region auch für Urlauber interessant sein kann.
Mit dem E-Bike, dessen leise sirrender Motor bei jedem Tritt ein wenig unterstützt, lässt sich die Anhöhe, auf der der Bauernhof von Rita Barth liegt, leicht bewältigen. Von hier aus blickt man auf die langen Apfelbaumreihen und den dahinter liegenden See. Rita Barth will uns den Obstlehrpfad zeigen, der direkt an ihrem Haus zwischen den Apfelbäumen vorbeiführt:
"Ich arbeite schon lange im Tourismus und dann hat man mir gesagt, warum macht ihr da im Thurgau nicht mal etwas mit Äpfeln? Und unser Dorf Altnau, das hat etwa 300.000 Apfelbäume und darum habe ich das Gefühl gehabt, das gehört doch nach Altnau. Es hat 16 Obstlehrtafeln, wo der ganze Obstbau beschrieben ist, von der Baumzucht bis zur Ernte, von der Pflege über Schutzmaßnahmen, Hagel, ist wunderbar zum Gehen mit Familien oder mit dem Fahrrad. "
"Mostindien" - so wird der Thurgau auch genannt - ist der größte Obstbaukanton in der Schweiz. 48.000 Tonnen, werden hier jährlich geerntet. Davon sind 30.000 Tonnen Tafeläpfel, der Rest ist Mostobst. Das heißt jeder dritte Tafelapfel stammt aus dem Bodensee-Kanton.
Das war jedoch nicht immer so: Laut Thurgauer Obstbaustatistik von 1861 gab es früher im Thurgau doppelt so viele Birnbäume wie Apfelbäume. Viel Obst wurde gedörrt und diente als zuckerreicher Wintervorrat, zuweilen auch als Brotersatz. Offenbar hat die Birne mit dem Aufkommen des industriell hergestellten Zuckers und der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten ihre Bedeutung verloren.
Obstbau bedeutet Arbeit fürs ganze Jahr, die Ernte läuft von August bis Oktober, erzählt Rita Barth und zählt erstaunlich viele Sorten auf, die es hier wachsen:
"Von jetzt an kann man dann bald die Gravensteiner ernten, dann geht's weiter zum Gala, dann kommen die Birnen, die Williams, die Conference, dann kommt der Gala, der Pinova, der Cox orange, der Granny Smith, der Braeburn, dann Cameo, Diva."
Hier gibt es Interessantes zu erfahren. Etwa, dass Äpfel einen Sonnenbrand bekommen können, wenn ihre rote Seite zu lange der Sonne ausgesetzt ist oder, dass man im integrierten Obstbau Ohrenkneifer einsetzt, die Schädlinge wie Läuse fressen, und dass die ästhetisch etwas weniger ansprechenden schwarzen Netze gegen den Hagel über den Apfelbäumen hängen.
"Das war früher nicht nötig, unser Hof hat sich zum Beispiel auch sehr gesperrt gegen die Hagelnetze, weil fürs Auge es ja nicht so schön ist. Früher war alle sieben Jahre ein Hageljahr und das konnte man verkraften, denn die Qualität der Äpfel war früher auch anders. Bei Klasse II hatte es auch einen Preis und da durfte es auch mal einen Schlag von einem Hagelkorn haben, auch bei Klasse I vielleicht auf zehn Äpfel durfte einer auch einen Tupfen haben und das ist heute vorbei. Wenn man nicht jedes Jahr seinem Abnehmer liefern kann, dann ist man weg nach zwei drei Jahren, man ist heute Unternehmer."
Wie vorsichtig die Früchte behandelt werden müssen, besonders bei der Ernte, zeigt Rita Barth:
"Beim Äpfelpflücken muss man schauen, die Kunst ist, dass man das so abnimmt, so .... Jeder Apfel sollte mit Stiel sein, weil wenn man das unten wegnimmt, das gibt eine Wunde, oder? Dann ist der Apfel nicht mehr gleich haltbar und darf man nicht drücken wie verrückt, man sollte ihn immer so halten, damit es da keine Drücke gibt, das ist eigentlich die Kunst. Was auch Kunst ist, dass man nicht so abreißt, denn da kommt für nächstes Jahr der Apfel, da sagt man das Bol. Sind Kleinigkeiten, aber für die Ernte für nächstes Jahr ist es wichtig."
Übrigens, wie ein guter Apfel sein muss, das unterliege auch bestimmten Moden, sagt Rita Barth, als sie noch zu einem süßen selbst gepressten Apfelsaft einlädt:
"Vor allem muss der Apfel knackig sein. Zum Beispiel Boskop, Sauerkrauer, Berner Rosen, Goldbernäne, Berlepsch, Jacques Lebel, das sind so alte Sorten, die sind nicht haltbar, die sind sofort schwammig, mäusch, das sind noch die alten Leute, die sie noch so weich essen, die jungen Leute und auch unser Alter will auch ein knackiger Apfel."
Mit ein paar knackigen Äpfeln im Gepäck geht's weiter, immer am Seeufer entlang. Hier gibt es fast in jedem Dorf etwas zu entdecken, kleine Kunstmuseen wie das Adolf Dietrich Haus in Berlingen oder das Schloss Arenenberg in Salenstein mit dem vor kurzem erst wieder erschlossenen und restaurierten Bad Napoleons des III. Wem nun nach dem Radeln selbst nach ein wenig Reinigung und Verschönerung ist, der mag Gefallen finden an den Apfelkosmetik-Anwendungen im Wellnesshotel der Familie Thoma in Lipperswil. Hier hat man sich ganz und gar dem Apfel und besonders seiner Blüte verschrieben, erzählt Ferdinand Thoma:
"Diese Blüten transportiere ich dann in den Schwarzwald über die Grenze am Zoll vorbei, die wundern sich immer, was der mit seiner Blüte schon wieder macht. Aber ich hab im Schwarzwald ein Labor und da verarbeiten wir die Sache in verschiedene Essenzen,
und im Thurgau, in Mostindien, haben wir dann gesagt, es kann eigentlich nur die Apfelblüte sein, weil Apfel als solches gibt es ja auch als Kosmetik, aber Apfelblüte bisher noch nicht und die Apfelblüte als Rosengewächs bringt enorm viel Duft und das wirkt betörend, die Blüte als Kopfnote, das braucht Frau."
Im hauseigenen Restaurant stehen Spezialitäten wie Terrine von grünem Apfel und Entenleber auf der Speisekarte.
Über Weinfelden, wo alljährlich im Oktober die neue Apfelkönigin des Thurgaus gekürt wird, geht es zuletzt nach Arbon, wo die Mosterei Möhl einen guten Teil der Äpfel zu Apfelschorle, Apfelwein und -sekt verarbeitet - aber dabei ganz andere Äpfel verwendet, als wir sie bisher gegessen haben, erklärt Markus Möhl:
"Wir in der Schweiz pflegen noch die alten Hochstammbäume, wir haben auch jetzt auf Intensivanlagen Mostobst, das sind die Re-Sorten, die kommen aus der Ex-DDR, das sind sehr resistente Sorten, aber zum Essen ist der nicht gut, der ist so sauer, aber zum Apfelsaft machen ist der wesentlich säurebetonter als ein Tafelapfel und das gibt dann viel schöneren Apfelsaft oder Apfelwein."
Markus Möhl zeigt seine Apfelpressen, die tatsächlich nur zwei Monate pro Jahr, nämlich während der Ernte im September und Oktober, betrieben werden.
"Beim ersten Mal Einfüllen bei der da etwa fünf Tonnen, bei der da etwa acht bis neun Tonnen und dann wird das von hinten die Schläuche ineinander gepresst, nur der Apfelsaft kann da durch kommen durch den Stoff. Nach einer halben Minute Pressen strecken wir die Schläuche und pressen wieder, und lockern und pressen, bis wir zwölf Tonnen drin haben und bei der 16 bis 20 Tonnen, dreieinhalb Minuten mit 200 Bar. Haben wir gute Früchte wie die Re-Sorten, oder Weinapfel, die alten Sorten dann sind Sie nach einer Stunde fertig. Wenn Sie Tafeläpfel haben, überreife Golden, dann sind Sie nach drei Stunden noch nicht fertig. Bis Sie eine Ausbeute haben von 82 oder 83 Prozent, also 100 Kilo Äpfel geben 82 oder 83 Liter Apfelsaft."
Übrigens, Apfelsaft wird in der Schweiz meist aus Konzentrat hergestellt und mit Kohlensäure versetzt. Allerdings wer im Thurgau einen Saft bestellt, bekommt Apfelwein, erklärt Markus Möhl beim Degustieren im firmeneigenen Saft- und Brennereimuseum:
"Die Ostschweiz trinkt Apfelwein, in der französischen Schweiz wird Traubenwein getrunken, wir sagen nicht "Apfelwein", wir sagen" Saft", wenn ich ins Gasthaus gehe, bestelle ich ein Saft, und das jetzt die Crux beim Apfelsaft, dann sagt man Süßmost."
Trinken, essen, einreiben - mit dem Apfel lässt sich in Mostindien so ziemlich alles machen. Doch das Schönste bleibt sicher: Der Blick auf die langen Baumreihen und ihren weißen Blüten im Frühling und ihren saftigen Früchten im Herbst.
Mit dem E-Bike, dessen leise sirrender Motor bei jedem Tritt ein wenig unterstützt, lässt sich die Anhöhe, auf der der Bauernhof von Rita Barth liegt, leicht bewältigen. Von hier aus blickt man auf die langen Apfelbaumreihen und den dahinter liegenden See. Rita Barth will uns den Obstlehrpfad zeigen, der direkt an ihrem Haus zwischen den Apfelbäumen vorbeiführt:
"Ich arbeite schon lange im Tourismus und dann hat man mir gesagt, warum macht ihr da im Thurgau nicht mal etwas mit Äpfeln? Und unser Dorf Altnau, das hat etwa 300.000 Apfelbäume und darum habe ich das Gefühl gehabt, das gehört doch nach Altnau. Es hat 16 Obstlehrtafeln, wo der ganze Obstbau beschrieben ist, von der Baumzucht bis zur Ernte, von der Pflege über Schutzmaßnahmen, Hagel, ist wunderbar zum Gehen mit Familien oder mit dem Fahrrad. "
"Mostindien" - so wird der Thurgau auch genannt - ist der größte Obstbaukanton in der Schweiz. 48.000 Tonnen, werden hier jährlich geerntet. Davon sind 30.000 Tonnen Tafeläpfel, der Rest ist Mostobst. Das heißt jeder dritte Tafelapfel stammt aus dem Bodensee-Kanton.
Das war jedoch nicht immer so: Laut Thurgauer Obstbaustatistik von 1861 gab es früher im Thurgau doppelt so viele Birnbäume wie Apfelbäume. Viel Obst wurde gedörrt und diente als zuckerreicher Wintervorrat, zuweilen auch als Brotersatz. Offenbar hat die Birne mit dem Aufkommen des industriell hergestellten Zuckers und der Veränderung der Ernährungsgewohnheiten ihre Bedeutung verloren.
Obstbau bedeutet Arbeit fürs ganze Jahr, die Ernte läuft von August bis Oktober, erzählt Rita Barth und zählt erstaunlich viele Sorten auf, die es hier wachsen:
"Von jetzt an kann man dann bald die Gravensteiner ernten, dann geht's weiter zum Gala, dann kommen die Birnen, die Williams, die Conference, dann kommt der Gala, der Pinova, der Cox orange, der Granny Smith, der Braeburn, dann Cameo, Diva."
Hier gibt es Interessantes zu erfahren. Etwa, dass Äpfel einen Sonnenbrand bekommen können, wenn ihre rote Seite zu lange der Sonne ausgesetzt ist oder, dass man im integrierten Obstbau Ohrenkneifer einsetzt, die Schädlinge wie Läuse fressen, und dass die ästhetisch etwas weniger ansprechenden schwarzen Netze gegen den Hagel über den Apfelbäumen hängen.
"Das war früher nicht nötig, unser Hof hat sich zum Beispiel auch sehr gesperrt gegen die Hagelnetze, weil fürs Auge es ja nicht so schön ist. Früher war alle sieben Jahre ein Hageljahr und das konnte man verkraften, denn die Qualität der Äpfel war früher auch anders. Bei Klasse II hatte es auch einen Preis und da durfte es auch mal einen Schlag von einem Hagelkorn haben, auch bei Klasse I vielleicht auf zehn Äpfel durfte einer auch einen Tupfen haben und das ist heute vorbei. Wenn man nicht jedes Jahr seinem Abnehmer liefern kann, dann ist man weg nach zwei drei Jahren, man ist heute Unternehmer."
Wie vorsichtig die Früchte behandelt werden müssen, besonders bei der Ernte, zeigt Rita Barth:
"Beim Äpfelpflücken muss man schauen, die Kunst ist, dass man das so abnimmt, so .... Jeder Apfel sollte mit Stiel sein, weil wenn man das unten wegnimmt, das gibt eine Wunde, oder? Dann ist der Apfel nicht mehr gleich haltbar und darf man nicht drücken wie verrückt, man sollte ihn immer so halten, damit es da keine Drücke gibt, das ist eigentlich die Kunst. Was auch Kunst ist, dass man nicht so abreißt, denn da kommt für nächstes Jahr der Apfel, da sagt man das Bol. Sind Kleinigkeiten, aber für die Ernte für nächstes Jahr ist es wichtig."
Übrigens, wie ein guter Apfel sein muss, das unterliege auch bestimmten Moden, sagt Rita Barth, als sie noch zu einem süßen selbst gepressten Apfelsaft einlädt:
"Vor allem muss der Apfel knackig sein. Zum Beispiel Boskop, Sauerkrauer, Berner Rosen, Goldbernäne, Berlepsch, Jacques Lebel, das sind so alte Sorten, die sind nicht haltbar, die sind sofort schwammig, mäusch, das sind noch die alten Leute, die sie noch so weich essen, die jungen Leute und auch unser Alter will auch ein knackiger Apfel."
Mit ein paar knackigen Äpfeln im Gepäck geht's weiter, immer am Seeufer entlang. Hier gibt es fast in jedem Dorf etwas zu entdecken, kleine Kunstmuseen wie das Adolf Dietrich Haus in Berlingen oder das Schloss Arenenberg in Salenstein mit dem vor kurzem erst wieder erschlossenen und restaurierten Bad Napoleons des III. Wem nun nach dem Radeln selbst nach ein wenig Reinigung und Verschönerung ist, der mag Gefallen finden an den Apfelkosmetik-Anwendungen im Wellnesshotel der Familie Thoma in Lipperswil. Hier hat man sich ganz und gar dem Apfel und besonders seiner Blüte verschrieben, erzählt Ferdinand Thoma:
"Diese Blüten transportiere ich dann in den Schwarzwald über die Grenze am Zoll vorbei, die wundern sich immer, was der mit seiner Blüte schon wieder macht. Aber ich hab im Schwarzwald ein Labor und da verarbeiten wir die Sache in verschiedene Essenzen,
und im Thurgau, in Mostindien, haben wir dann gesagt, es kann eigentlich nur die Apfelblüte sein, weil Apfel als solches gibt es ja auch als Kosmetik, aber Apfelblüte bisher noch nicht und die Apfelblüte als Rosengewächs bringt enorm viel Duft und das wirkt betörend, die Blüte als Kopfnote, das braucht Frau."
Im hauseigenen Restaurant stehen Spezialitäten wie Terrine von grünem Apfel und Entenleber auf der Speisekarte.
Über Weinfelden, wo alljährlich im Oktober die neue Apfelkönigin des Thurgaus gekürt wird, geht es zuletzt nach Arbon, wo die Mosterei Möhl einen guten Teil der Äpfel zu Apfelschorle, Apfelwein und -sekt verarbeitet - aber dabei ganz andere Äpfel verwendet, als wir sie bisher gegessen haben, erklärt Markus Möhl:
"Wir in der Schweiz pflegen noch die alten Hochstammbäume, wir haben auch jetzt auf Intensivanlagen Mostobst, das sind die Re-Sorten, die kommen aus der Ex-DDR, das sind sehr resistente Sorten, aber zum Essen ist der nicht gut, der ist so sauer, aber zum Apfelsaft machen ist der wesentlich säurebetonter als ein Tafelapfel und das gibt dann viel schöneren Apfelsaft oder Apfelwein."
Markus Möhl zeigt seine Apfelpressen, die tatsächlich nur zwei Monate pro Jahr, nämlich während der Ernte im September und Oktober, betrieben werden.
"Beim ersten Mal Einfüllen bei der da etwa fünf Tonnen, bei der da etwa acht bis neun Tonnen und dann wird das von hinten die Schläuche ineinander gepresst, nur der Apfelsaft kann da durch kommen durch den Stoff. Nach einer halben Minute Pressen strecken wir die Schläuche und pressen wieder, und lockern und pressen, bis wir zwölf Tonnen drin haben und bei der 16 bis 20 Tonnen, dreieinhalb Minuten mit 200 Bar. Haben wir gute Früchte wie die Re-Sorten, oder Weinapfel, die alten Sorten dann sind Sie nach einer Stunde fertig. Wenn Sie Tafeläpfel haben, überreife Golden, dann sind Sie nach drei Stunden noch nicht fertig. Bis Sie eine Ausbeute haben von 82 oder 83 Prozent, also 100 Kilo Äpfel geben 82 oder 83 Liter Apfelsaft."
Übrigens, Apfelsaft wird in der Schweiz meist aus Konzentrat hergestellt und mit Kohlensäure versetzt. Allerdings wer im Thurgau einen Saft bestellt, bekommt Apfelwein, erklärt Markus Möhl beim Degustieren im firmeneigenen Saft- und Brennereimuseum:
"Die Ostschweiz trinkt Apfelwein, in der französischen Schweiz wird Traubenwein getrunken, wir sagen nicht "Apfelwein", wir sagen" Saft", wenn ich ins Gasthaus gehe, bestelle ich ein Saft, und das jetzt die Crux beim Apfelsaft, dann sagt man Süßmost."
Trinken, essen, einreiben - mit dem Apfel lässt sich in Mostindien so ziemlich alles machen. Doch das Schönste bleibt sicher: Der Blick auf die langen Baumreihen und ihren weißen Blüten im Frühling und ihren saftigen Früchten im Herbst.