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Müller: Zu früh, um über Namen zu diskutieren

Bei der Kandidatenfrage für das Amt des Bundespräsidenten sei entscheidend - so Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag - eine Persönlichkeit zu finden, die das Land einen könne. Sie müsse Zukunftsthemen ansprechen und von der Regierung unabhängig sein.

Stefan Müller im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 01.06.2010
    Dirk-Oliver Heckmann: Der Rücktritt des Bundespräsidenten, des Bundespräsidenten Horst Köhler gestern, er bestimmt natürlich die politische Agenda dieser Sendung und auch die Diskussion der folgenden Tage. Am Telefon begrüße ich dazu Stefan Müller. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Guten Morgen, Herr Müller.

    Stefan Müller: Guten Morgen, Herr Heckmann.

    Heckmann: Herr Müller, wer oder was hat Horst Köhler auf dem Gewissen, oder hat er sich selbst auf dem Gewissen?

    Müller: Nun, er hat gestern erklärt, dass er zurücktritt, weil er die Kritik an seiner Person, die insbesondere aus der Opposition in den letzten Wochen ja noch mal sehr verstärkt auch kam, als Anlass nimmt, seinen Rücktritt zu erklären. Insofern müssen sich natürlich schon diejenigen fragen, die auch in der Vergangenheit immer wieder ihn in unangemessener Art und Weise kritisiert haben, inwieweit sie nicht auch das Ansehen und das Amt als solches beschädigt haben.

    Heckmann: Das heißt, der Bundespräsident wurde aus Ihrer Sicht in einer gewissen Hinsicht gehetzt von den politischen Gegnern? Von der Presse auch?

    Müller: Es war jedenfalls nicht jede Kritik in den vergangenen Wochen oder auch während seiner Amtszeit immer angemessen und das hat sicher nicht nur der Person geschadet, sondern auch dem Amt.

    Heckmann: Das heißt, Sie können die Begründung des Bundespräsidenten nachvollziehen, die er gestern gegeben hat?

    Müller: Ich kann sie nachvollziehen. Es ist seine persönliche Entscheidung, die auch zu respektieren ist. Aus meiner Sicht wäre es aber nicht notwendig gewesen.

    Heckmann: Weshalb nicht?

    Müller: Weil ich meine, dass er ja insbesondere die Äußerungen im Zusammenhang mit den Bundeswehreinsätzen noch mal korrigiert hat. Die war zunächst mal sicher missverständlich formuliert. Das ist noch mal korrigiert worden und insofern wäre das alleine jedenfalls nicht ein Rücktrittsgrund gewesen. Aber das ist meine persönliche Einschätzung. Er selbst hat eine Einschätzung vorgenommen, kommt zu einem Ergebnis und das ist zu respektieren.

    Heckmann: Horst Köhler hat die Bundesrepublik dennoch auch in eine schwierige Situation gebracht. Mitten in der Krise muss innerhalb von 30 Tagen ein neuer Präsident gesucht werden. Wird es dem Amt und auch der Verantwortung, die damit verbunden ist, gerecht, Knall auf Fall alles hinzuschmeißen?

    Müller: Wie gesagt, es ist seine persönliche Entscheidung, das ist zu respektieren. Wir sollten jetzt auch nach vorne schauen und dann auch zunächst einmal dafür sorgen, dass wir in der vorgegebenen Frist auch einen Nachfolger finden und wählen können. Die Vorbereitungen dafür laufen, die Spitzen der Koalition werden sich zusammensetzen, die Parteispitzen werden sich zusammensetzen und zeitnah einen Vorschlag präsentieren.

    Heckmann: Darüber werden wir auch gleich reden, Herr Müller. Allerdings noch einmal einen Blick vielleicht zur Bundeskanzlerin. Erst Roland Koch, der hessische Ministerpräsident, stellvertretender CDU-Vize, jetzt Horst Köhler. Spricht daraus auch in einer gewissen Hinsicht mangelnder Rückhalt, den Bundeskanzlerin Merkel an den Tag legt?

    Müller: Nein! Man muss ja auch nun bei Horst Köhler sehen: Er ist ja nicht wegen der Koalition zurückgetreten, sondern wegen der Kritik an seiner Person. Das war die Begründung, die er gestern angeführt hat.

    Heckmann: Aber er hätte sich vielleicht ein deutliches Wort der Kanzlerin gewünscht?

    Müller: Es hat ja durchaus auch entsprechende Wortmeldungen aus der Koalition gegeben. Ich glaube nicht, dass das einer der Gründe war, sondern er hat die Kritik an seiner Person, an seinem Amt als unangemessen betrachtet und hat daraus die Konsequenzen gezogen.

    Heckmann: Sie haben es gerade eben gesagt, Herr Müller: Die Suche nach einem Nachfolger hat begonnen. Ist es jetzt an der Zeit, wie auch aus der CDU verlautet, über Parteigrenzen hinweg gemeinsam also mit SPD, Grünen und Linken möglicherweise auch nach einem Nachfolger zu suchen?

    Müller: Entscheidend ist, dass man einen Kandidaten findet, der in der Tat in der Lage ist, auch das Land zu einen, beziehungsweise auch in der Bevölkerung einen großen Rückhalt zu genießen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn es eine parteiübergreifende Lösung gäbe. Das Vorschlagsrecht liegt meines Erachtens zunächst mal bei der politischen Kraft, die auch die Mehrheit in der Bundesversammlung stellt. Die Union ist dort mit Abstand die größte politische Kraft und deswegen wird die Union dort auch einen entsprechenden Vorschlag machen.

    Heckmann: Wenn man eine parteiübergreifende Lösung haben möchte, wie hilfreich ist es dann, dass die Bundeskanzlerin auf die eigene Mehrheit von Union und FDP in der Bundesversammlung hinweist?

    Müller: Nun, es gibt eine Mehrheit für CDU/CSU und FDP in der Bundesversammlung. Insofern ist es auch die Verantwortung derjenigen, die diese Mehrheit stellen, auch einen Vorschlag zu machen und dann anschließend für eine möglichst breite Unterstützung zu werben.

    Heckmann: Wird sich die CSU bei dieser Frage einbringen?

    Müller: Selbstverständlich wird sich die CSU mit einbringen.

    Heckmann: Mit einem Vorschlag meine ich!

    Müller: Die CSU wird sich mit einbringen – in dem Sinne, dass natürlich es einen gemeinsamen Vorschlag geben wird. Ich halte es jetzt aber wirklich für zu früh, um über einzelne Vorschläge, über Namen zu diskutieren. Ich denke, wir haben die Zeit, das auch in aller Ruhe noch mal zu besprechen. Vor allem die Parteivorsitzenden werden heute dieses Thema dann gemeinsam besprechen und dann auch einen Vorschlag machen.

    Heckmann: Halten Sie es denn für ratsam, das Amt möglicherweise noch einmal mit einem sogenannten Externen, also einem Nicht-Berufspolitiker zu besetzen?

    Müller: Entscheidend ist wie gesagt, dass die Kandidatin oder der Kandidat auch in der Lage ist, Themen anzusprechen, Zukunftsthemen anzusprechen, und auch natürlich unabhängig von einer Regierung zu agieren, so wie es auch Horst Köhler gemacht hat. Das ist zunächst einmal unabhängig davon, ob nun jemand schon eine politische Karriere aufweisen kann oder nicht.

    Heckmann: Vielleicht noch ein Blick auf die Stabilität der schwarz-gelben Koalition in Berlin insgesamt. Der Rückhalt in den Umfragen für Schwarz-Gelb schwindet, die Mehrheit im Bundesrat ist perdu nach der Landtagswahl von Nordrhein-Westfalen, und dort in Düsseldorf stehen die Zeichen möglicherweise auf Ampel-Koalition. Geht Ihnen in Berlin möglicherweise ein Koalitionspartner flöten?

    Müller: Das sehe ich so nicht. Wir haben hier in Berlin eine solide Mehrheit für CDU/CSU und FDP, daran hat sich nichts geändert, daran ändern auch Umfragen nichts, die ja zunächst einmal nur ein Stimmungsbild wiedergeben können. Natürlich hat nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen, jedenfalls nachdem hier auch jetzt die Regierungsverhandlungen, die Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen laufen, diese Regierungskoalition in Berlin keine Mehrheit mehr im Bundesrat. Rot-Grün hat aber auch keine Mehrheit, sondern wir haben eine Reihe von anderen Koalitionen und es wird sicherlich eine intensivere Zusammenarbeit mit den Bundesländern geben müssen. Aber an der Solidität der Regierungskoalition hier in Berlin kann es jedenfalls keinen Zweifel geben.

    Heckmann: Aber die SPD sitzt praktisch mit am Kabinettstisch, nämlich über den Bundesrat. Wäre es da nicht an der Zeit und angebracht, über eine Neuauflage der Großen Koalition nachzudenken?

    Müller: Wir haben im vergangenen Jahr eine solide Mehrheit für eine Regierung von Union und FDP bekommen, und dabei sollten wir es auch belassen.

    Heckmann: Über den Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler und die Stabilität der schwarz-gelben Koalition in Berlin haben wir gesprochen mit Stefan Müller. Er ist parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe. Herr Müller, ich danke Ihnen für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Müller: Auf Wiederhören, Herr Heckmann!