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Musiktempel und Forschungshaus

Die Darmstädter Mathildenhöhe will UNESCO-Weltkulturerbe werden. Im Moment ist sie allerdings eine permanente Baustelle. Denn Hochzeitsturm und Skulpturen wurden schon saniert, nun ist das Ausstellungsgebäude an der Reihe.

Von Anke Petermann | 16.08.2013
    "Und das ist ein Relief, und die Maße noch, und dann geht das wieder in die Verpackung. 20, 27, ja."
    Im Keller-Depot vermessen und inventarisieren eine Restauratorin und ein Verpacker Stück für Stück die Städtische Kunstsammlung Darmstadt - mit Werken von der Romantik bis zur Moderne. Oben in den Ausstellungshallen wickeln die Packer alles in Folie. Ralf Beil, Direktor des Instituts Mathildenhöhe, blickt sich um im Ausstellungsgebäude der früheren Künstlerkolonie:

    "Das Museum zieht um, und das sehen Sie hier, die gesamten Kleinskulpturen, die hinter uns stehen, werden genauso ins Depot gehen wie die ganzen Gemälde, die hier verarbeitet werden. Wir müssen, wenn wir hier die Ausstellungshallen auf der Mathildenhöhe sanieren, klimatechnisch, aber bestenfalls auch noch außen an der Fassade etwas ändern, eben alles ausräumen. Und das betrifft eben die gesamten Depoträume. Das heißt, wir müssen 15.000 Kunstwerke generalstabsmäßig umziehen."

    Wie weit die Stadt über die acht Millionen Euro teure energetische Sanierung samt neuer Klimaanlage hinausgeht, ist noch nicht klar. Zur Diskussion steht, dem Ausstellungsgebäude seine riesige gegliederte Fensterfassade nach Osten hin zurückzugeben. Ob und wie die erheblichen Zusatzkosten für diese Umgestaltung zu finanzieren wären, wird die neue Magistratskommission entscheiden, die im September erstmals tagt. Feststeht: Bis mindestens Herbst 2015 bleibt das Gebäude geschlossen.

    "Aber wir haben zum Glück das Museum Künstlerkolonie, dort können Sie die Ständige Sammlung sehen, die Werke, die zum Thema Jugendstil sind, oder Lebensreform, besser gesagt",

    fügt Sammlungskonservator Philipp Gutbrod an. Unter anderem sind nebenan im ehemaligen Atelierhaus der Künstlerkolonie Möbel, Porzellan und Besteck aus den umliegenden Künstlerhäusern zu sehen. Sie sind heute noch bewohnt und machen die Mathildenhöhe zu einer Art lebendigem Freilichtmuseum. Nikolaus Heiss, Denkmalpfleger und zuständig für die Welterbe-Bewerbung:

    "Diese Gebäude waren so konzipiert, dass alles von Kunst durchdrungen war. Es gab nichts Zufälliges, alles war durch und durch gestaltet, zum Beispiel das Haus selbst. Alle Möbel, und Gebrauchsgegenstände, wie Gläser, Geschirrhandtücher, aber auch der Garten gehörten dazu – also Gesamtkunstwerke von künstlerischer Qualität. Dort hat der Mensch im Grunde versucht – das war damals die Idee – sich durch die Kunst weiterzubilden, und zu einem besseren Menschen zu werden. Das war damals ein sehr hehrer Ansatz."

    Die Mathildenhöhe als Experiment und Gesamtkunstwerk – geht es nach Institutsdirektor Beil, dann steht das Ensemble 2014 auf der deutschen Vorschlagsliste fürs Weltkulturerbe.

    "Wir sind ja hier ein Ort, der von 1901 bis 1914 wirklich ganz massiv Moderne geprägt hat. Also nicht nur den Jugendstil, wie manche meinen, sondern wirklich Moderne - mit Peter Behrens, mit Olbrich, mit diesen großartigen Protagonisten. Das heißt, hier sind wirklich Impulse gesetzt worden, die uns immer noch etwas angehen."
    Sollten die Kultusminister im kommenden Jahr zustimmen, dürfte der Aufnahmeprozess fürs Welterbe die Mathildenhöhe samt russischer Kapelle, Park und Künstlerhäusern für zehn Jahre zur Restaurierungs-Großbaustelle werden lassen. Neu zu bauen kommt allein auf der brombeerüberwucherten Brache am Osthang in Frage. Allerdings nur nach sorgfältiger Abwägung, versichert Darmstadts grüner Oberbürgermeister. Er die Mathildenhöhe zur Chefsache machte. Die Welterbebewerbung würde der südhessischen Kulturbaustelle bundesweite Beachtung sichern. Eine willkommene Aussicht, meint Jochen Partsch:

    "Weil das vielleicht auch dazu führt, dass sich bundes- und landespolitische Finanziers an dem beteiligen, was dort zu bewerkstelligen ist. Es wird sich allemal lohnen."

    Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz ist für Einzelprojekte schon im Boot, Gespräche mit der Kulturstiftung des Bundes laufen. Einen Bebauungsplan, der Bausünden im Künstler-Wohnviertel verhindert, gibt es noch gar nicht lange. Jetzt soll endlich ein Masterplan her - für das gesamte Ensemble auf dem Darmstädter Musenhügel.