Freitag, 19. April 2024

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Nach dem Zyklon im Südosten Afrikas
"Kein Nothilfeeinsatz, der schnell zu Ende geht"

Etwa 2,6 Millionen Menschen in Mosambik, Malawi und Simbabwe seien vom Zyklon Idai getroffen worden, sagte Ulrich Wagner von Oxfam im Dlf. Die Hilfsorganisation befürchtet, dass wegen Ernteausfällen die Armut ansteigen werde. Zurzeit gehe es vor allem darum, Krankheiten wie Cholera und Malaria zu bekämpfen.

Ulrich Wagner im Gespräch Ann-Kathrin Büüsker | 04.04.2019
Mosambik, Beira: Eine Frau erhält eine orale Cholera-Impfung in einem Lager für Vertriebene des Zyklons «Idai».
In Beira hat eine Impfaktion gegen Cholera begonnen. (AP /dpa-Bildfunk / Tsvangirayi Mukwazhi)
Ann-Kathrin Büüsker: Mitte März fegte ein heftiger Sturm über Teile der Länder Mosambik, Zimbabwe und Malawi im Südosten Afrikas hinweg. Idai überflutete Teile des Landes, nahm vielen Menschen ihr Zuhause und vernichtete einen Großteil der Ernte. Und nun ist auch noch die Cholera ausgebrochen. Vor allem die Küstenstadt Beira ist betroffen. Gestern ist eine große Impfaktion angelaufen. 900.000 Impfdosen wurden in das Land gebracht und werden jetzt verteilt. Zu den Hilfsorganisationen, die vor Ort sind, gehört auch Oxfam. Vor wenigen Minuten hatte ich die Gelegenheit, mit Ulrich Wagner zu sprechen. Er leitet den Nothilfeeinsatz. Die Leitung nach Mosambik zustande zu bekommen, das war wirklich schwierig. Das normale Telefonnetz ist zum Teil immer noch nicht wieder funktionsfähig, die Leitung dann kaum zu verstehen. Wir haben Herrn Wagner über ein Satellitentelefon erreicht, aber Sie werden gleich hören: Auch da war die Qualität durchaus schwierig. Ulrich Wagner ist derzeit in Beira und ich habe ihn gebeten, die Lage dort zu beschreiben.
Ulrich Wagner: Der Zyklon hat über 2,6 Millionen Leute getroffen, in Mosambik, Malawi und Zimbabwe, und vor allen Dingen in Mosambik sind die Leute am schlimmsten betroffen. Wir haben hier 1,8 Millionen Leute, die völlig überschwemmt wurden. Ich war in einigen Städten vor allen Dingen außerhalb dieser Hafenstadt Beira, wo ich gerade bin, und dort sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Die wenigen Häuser, die noch stehen, an denen sind die Wassermarken mehr als einen Meter hoch. Man kann sich vorstellen, wie das ganze Land überschwemmt wurde.
Gesundheitsfreiwillige klären über Cholera-Gefahren auf
Büüsker: Woran fehlt es im Moment ganz besonders, wenn wir auf die Menschen gucken?
Wagner: Die größte Gefahr droht gerade von Krankheiten, vermeidbaren Krankheiten wie zum Beispiel Cholera und Malaria. In den letzten vier, fünf Tagen haben wir schon über tausend Cholera-Fälle gezählt. Mindestens eine Person ist gestorben. Und was man braucht, um Cholera zu bekämpfen, ist sauberes Wasser, das sind saubere hygienische Zustände und Latrinen. Und man muss den Menschen helfen und erklären, wie sie sich und ihre Kinder und ihre Familien vor Cholera schützen können. Was zum Beispiel dabei sehr hilft sind Gesundheitsfreiwillige, die wir ausbilden und die wir in die Dörfer und die Städte schicken und die den Leuten erklären, wie sie sich schützen können, und die zum Beispiel eine Desinfizierungslösung verteilen, mit der man dreckiges Wasser wieder trinkbar machen kann.
Groß angelegte Luftrettungskampagne
Büüsker: Kommt denn tatsächlich inzwischen die Hilfe auch bei allen Menschen an, die Hilfe brauchen? Oder gibt es immer noch Regionen, wo überhaupt keine Hilfe hinkommt?
Wagner: Wir haben noch immer keinen vollständigen Überblick über das Ausmaß der Zerstörung. Es gibt immer noch Gebiete, die noch aus der Luft versorgt werden müssen. Es ist sehr lobenswert, wie die Regierung und andere Regierungen, andere Hilfsorganisationen eine groß angelegte Luftrettungskampagne gestartet haben, um Leute zu versorgen, um Leute zu retten, aber inzwischen müssen wir Leute in diese Gebiete schicken. Und wie Sie selber gemerkt haben am Anfang des Interviews: Das Telefonnetz ist noch sehr unzuverlässig. Am Anfang war es kaum möglich, Telefongespräche zu führen. Auch die Straßen sind noch unterbrochen. Das heißt, wir fürchten, dass es immer noch Gebiete gibt, die sehr wenig Hilfe erhalten.
Bisher erreichten die Helfer etwa 30.000 Menschen
Büüsker: Wo sehen Sie aktuell in Ihrer Arbeit die größte Herausforderung?
Wagner: Für uns ist die Herausforderung, diese abgelegenen Gebiete zu erreichen und zu wissen, was dort los ist. Zum Beispiel kann es sein, dass es Gebiete gibt, in denen die Cholera ausgebrochen ist, aber wir wissen noch nichts davon und wir können das noch nicht effektiv bekämpfen. Glücklicherweise hatten wir lokale Hilfsorganisationen, die sehr schnell reagiert haben. Zum Beispiel "Hadju Agu" war vor Ort und mit Oxfam-Nothilfe-Material konnten sie sehr schnell Sachen verteilen, zum Beispiel Hilfsgüter konnten sie verteilen, Eimer, Seife, und wir wollen auch mit diesen Organisationen weiter unseren Einsatz ausbauen. Bis jetzt haben wir etwa 30.000 Menschen erreichen können, aber das ist noch nicht genug. Wir müssen mehr machen, wir müssen schneller sein.
"Es gibt nicht genug Saatgut im Land"
Büüsker: Es heißt ja in Korrespondentenberichten immer wieder, dass große Teile der Ernte auch vernichtet wurden. Stellen Sie sich jetzt darauf ein, dass die Hilfe in den nächsten Monaten auch wirklich aufrecht erhalten werden muss?
Wagner: Wir sind sehr besorgt darüber, dass der Erntezyklus hier unterbrochen wurde. Das heißt, dass sich über das nächste Jahr hinweg die Armut vermehren wird und dass die Leute nichts produzieren können oder sehr wenig produzieren können. Momentan gibt es nicht genug Saatgut im Land und vor allen Dingen für die Ärmsten der Armen sieht es so aus, dass sie ihre ganze Lebensgrundlage verloren haben, vielleicht auch Familienmitglieder verloren haben, ihr Haus verloren haben. Das heißt, das ist kein Nothilfeeinsatz, der schnell zu Ende geht. Wir müssen uns darauf vorbereiten, hier längerfristig zu helfen.
Büüsker: … sagt Ulrich Wagner, Leiter des Oxfam-Nothilfeeinsatzes in Mosambik. Die schlechte Telefonleitung in das Katastrophengebiet bitten wir zu entschuldigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.