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Nach den Milliardenhilfen der EU
Deutschland streitet weiter über die Coronabonds

Auch nachdem die EU ein 500 Milliarden Euro umfassendes Hilfspaket im Kampf gegen die Coronapandemie beschlossen hat, geht in Deutschland die Debatte über Coronabonds weiter. Denn vom Tisch sind sie noch lange nicht. Im Gegenteil: Italien ist sich fast sicher, dass sie irgendwie kommen werden.

Von Theo Geers | 11.04.2020
Menschen mit Schutzmasken in Turin, Italien
Italien ist von der Coronapandemie besonders stark betroffen und hofft auf europäische Bonds (dpa / Pacific Press/ Alberto Gandolfo)
Deutschland bedeutet der eigene Geldbeutel mehr als die Solidarität mit seinen europäischen Nachbarn, die die Coronapandemie stärker erwischt hat. Bundesfinanzminister Olaf Scholz musste bei den Verhandlungen über das 500 Milliarden Euro schwere Hilfspaket auch gegen dieses Bild angehen. Aus regierungsamtlicher Sicht ist es ein schiefes Bild, aus oppositioneller Sicht dagegen nicht.
"Die Maßnahmen sind ein erster Schritt und es ist auch wichtig, dass die jetzt schnell umgesetzt werden. Aber vor der entscheidenden Frage, wie Europa den Wiederaufbau nach der Pandemie bewältigt, vor dieser Frage haben sich die Finanzminister gedrückt. Es gibt keine Einigung, wie der Wiederaufbau finanziert werden soll. Das würde am besten mit gemeinsamen europäischen Anleihen gehen, mit Coronabonds, die blockiert aber die Bundesregierung aus ideologischen Gründen." So lautet der Vorwurf von Sven Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen.
Deutschland will nicht haften für Anleihen anderer
Grüne, die Linke und Teile der SPD, darunter auch die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, sind für Coronabonds. Ihr Argument: In der Not sollten Staaten mit besserer Bonität wie Deutschland diesen besseren Ruf an den Kapitalmärkten mit anderen Staaten, vor allem den südeuropäischen, teilen. Indem auch Länder wie Deutschland für die gemeinsam aufgenommenen Anleihen haften, ist der Zinssatz für die Coronabonds niedriger als bei rein nationalen Anleihen. Der so finanzierte Kampf gegen die Pandemie wird dadurch billiger, Länder wie Italien oder Spanien sparen im Zweifel Milliarden an Zinskosten.
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CDU, CSU, FDP, AfD und auch der konservativere Teil der SPD bestreiten dies gar nicht, halten von diesen gemeinsamen Anleihen dennoch nichts. Denn es geht um das No-bail-out-Prinzip: Kein Staat haftet für die Schulden eines anderen Staates. Deshalb keine Haftung Deutschlands für Anleihen, die mit anderen Ländern und überwiegend für andere Länder aufgenommen werden und das Risiko bergen, dass Deutschlands am Ende allein für diese Milliarden gerade stehen müsste, sollten andere Länder diese Anleihen nicht zurückzahlen können. Eckard Rehberg, haushaltpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, ist einer der Wortführer für diese Haltung, an der CDU und CSU nicht rütteln wollen.
Italien sieht sich schon auf halbem Weg
"Jedem, der Coronabonds im Hinterkopf hat, rate ich dringend, der Artikel 125 der EU-Verträge nachzulesen, der eine gemeinsame Haftung ausschließt. Und in Deutschland rate ich jedem Politiker, ins Grundgesetz zu gucken und sich die Urteile des Bundesverfassungsgerichts anzuschauen. Wer in Deutschland von Eurobonds redet, der gibt die Budgethoheit des Bundestages auf - und das ist nicht verfassungskonform."
An dieser prinzipiellen Sicht ändert auch die Corona-Pandemie nichts. Dabei steht das Thema in knapp zwei Wochen wieder wie der berühmte Elefant im Raum. Auf dem nächsten EU-Sondergipfel am 23. April sollen sich die Staats- und Regierungschefs auf die Details für einen Wiederaufbaufonds einigen. Den Grundsatzbeschluss für so einen Fonds haben die Euro-Finanzminister schon gefasst. Offen ist, ob das Geld dafür aus dem EU-Haushalt oder teilweise oder ganz auch durch innovative Finanzinstrumente aufgebracht wird. Für Länder wie Italien ist klar: Mit innovativen Finanzinstrumenten sind europäische Bonds gemeint und das ist schon die halbe Miete. Oder wie es der italienische Finanzminister Guatieri ausdrückte: Es war eine sehr gute erste Halbzeit, jetzt müsse man das Spiel gewinnen.