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Nach Salafisten-Razzia
Niedersachsen stellt Strafanzeige wegen Geheimnisverrats

Monatelang hatte die Polizei in Niedersachsen einen Schlag gegen mutmaßliche Salafisten in Hildesheim vorbereitet. Kurz bevor eine Durchsuchungsaktion in einer Moschee und in Wohnungen starten sollte, wurden in einem Zeitungsartikel Pläne darüber bekannt. Die Polizei musste ihre Aktion übereilt vorziehen. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen Geheimnisverrats gegen Unbekannt.

Von Dietrich Mohaupt | 29.07.2016
    Eine Polizistin steht in voller Ausrüstung und mit Helm vor der DIK-Moschee in Hildesheim.
    Razzia in den Räumen der Moschee "Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim e.V." (DIK) in Hildesheim. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Seit vier Jahren betreibt der "Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim" die Moschee – seit drei Jahren bereits wird er vom Verfassungsschutz beobachtet. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden gibt es zahlreiche Hinweise, dass in der Moschee in Predigten, Vorträgen und Seminaren immer wieder zum Hass gegen Ungläubige aufgerufen werde. Es gebe Erkenntnisse über mindestens 24 Personen aus dem Umfeld des Vereins, die in Richtung Krisenregion Syrien/Irak ausgereist seien – das ist ein Hot-Spot der radikalen Salafisten-Szene, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius nach der Razzia:
    "Dort treffen sich viele Radikale oder solche, die wir für radikal halten müssen – nicht nur aus Niedersachsen, sondern aus dem Bundesgebiet. Dort wird radikalisiert, dort werden Ausreisen – jedenfalls vermuten wir das – in den Dschihad vorbereitet, auch unter Tarnung gelegentlich von Hilfstransporten und anderem. Wir mussten allerdings eine Weile ermitteln, um auch Gewissheit zu haben, dass sich entsprechendes Beweismaterial würde finden können."
    Die Einsatzkräfte beschlagnahmten unter anderem 25.000 Euro Bargeld
    Insgesamt 400 Beamte waren bei der Razzia im Einsatz – man habe nicht befürchtet, dass dort Bomben gebaut würden, so Pistorius weiter – die Aktion habe vielmehr dazu gedient, ein Verbot des Vereins vorzubereiten. Die Einsatzkräfte beschlagnahmten unter anderem Computer, Handys, elektronische Speichermedien, Schriftstücke – dazu eine Luftpistole, eine Schreckschusswaffe und 25.000 Euro Bargeld. Ob diese Beweismittel allerdings für das angestrebte Vereinsverbot ausreichen – das ist bisher noch unklar. Ermittler befürchten, dass Vereinsmitglieder vielleicht so einiges beiseite geschafft haben könnten – eben weil ja die Razzia in der Presse quasi angekündigt worden war. Einen Tag zuvor der hatte nämlich eine hannoversche Tageszeitung in einem Artikel spekuliert, dass wohl eine Aktion gegen den Verein unmittelbar bevorstehe – und es soll auch einen Anruf aus der Redaktion bei dem Verein gegeben haben. Das Innenministerium hat deshalb jetzt Strafanzeige wegen Geheimnisverrats erstattet – nicht gegen die Zeitung, sondern gegen Unbekannt.
    Spekulationen über ein mögliches Leck
    Irgendjemand müsse etwas durchgesteckt haben – und das habe die gesamte Maßnahme massiv gefährdet, betonte Innenminister Pistorius.
    "Durch die Presseveröffentlichung waren wir gezwungen, die Maßnahme vorzuziehen, deutlich vorzuziehen – das hätte auch zu einer Gefährdung von Beamtinnen und Beamten führen können. Gott sei Dank ist nichts passiert, ich freue mich, dass alle unversehrt von dem Einsatz zurück sind, aber zum Beispiel auch der Anruf bei der DIK durch die Zeitung …der ist natürlich entsprechend aufgescheucht worden, wir wissen natürlich nicht, welche Wirkung das am Ende hatte."
    Bisher ist noch völlig unklar, wo sich ein mögliches Leck befunden haben könnte – ob bei der Polizei oder im Innenministerium selber, ob im politischen oder juristischen Sektor. Klar ist aber, das hat Innenminister Pistorius auch noch einmal betont: Wer als Amtsträger Dienstgeheimnisse verrät, muss laut Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von ein bis drei Jahren oder einer Geldstrafe rechnen.