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Nachhaltige Investments
Was die Finanzindustrie im Kampf gegen den Klimawandel bewirken kann

Nachhaltige Kapitalanlagen liegen im Trend. Die großen Finanzfirmen sollen nach dem Willen der EU-Kommission eine stärkere Rolle beim Klimaschutz einnehmen. Doch nachhaltige Investments stoßen weiter an viele Grenzen, die Industrie betreibt oft nicht mehr als Greenwashing.

Von Magdalena Neubig | 03.02.2021
Solar-Panels und Windturbinen in einem Kraftwerk in Yancheng in der Provinz Jiangsu in China
Im Trend, nicht nur bei Privatanlegern: Nachhaltige Investments, zum Beispiel in Erneuerbare Energien (Hector RETAMAL / AFP)
Es ist etwas in Bewegung in der Finanzwelt. Nachhaltige Investments - lange ein Nischenthema für Genossenschafts- und Kirchenbanken - rücken immer mehr in den Fokus von Großinvestoren und Banken. In der vergangenen Woche kündigte sogar die Europäische Zentralbank EZB an, ein sogenanntes Klimazentrum einrichten zu wollen, wie Chefin Christine Lagarde bekannt gab.
"Es ist für uns eine Möglichkeit verschiedene Experten und Arbeitsansätze zusammen zu bringen. Denn der Klimaschutz hat Auswirkungen auf alle Bereiche unserer Geldpolitik. Das Zentrum bietet uns die Struktur, um das Thema mit der nötigen Eile und Entschlossenheit anzugehen."

Blackrock: "Nachhaltigkeit der neue Mainstream"

Die hauseigene Denkfabrik solle der EZB helfen, Klima-Abwägungen besser mit in die Geldpolitik einzubeziehen. Ein Novum. Ziemlich genau ein Jahr vor der Ankündigung der EZB-Chefin hatte sich bereits ein anderer, großer Finanzmarktakteur zu dem Thema zu Wort gemeldet: Larry Fink, Vorstandsvorsitzender der Investmentgesellschaft Blackrock, hatte damals verkündet, dass der weltgrößte Vermögensverwalter von nun an nachhaltiger investieren möchte. In einem offenen Brief an die CEOs der Unternehmen, an denen Blackrock Anteile hat, betonte er, dass das Klimarisiko gleichzeitig ein Anlagerisiko darstelle. Ein Trend nicht nur bei Blackrock:
"Wir beobachten gerade, dass Nachhaltigkeit der neue Mainstream wird".
Dies sagt Christian Klein, Professor für nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel. Er hat eine Erklärung für diese Entwicklung:
"Dass das ganze Thema gerade so durch die Decke geht, hat sicher sehr, sehr viel mit der EU-Kommission zu tun – und zwar hier schwerpunktmäßig mit dem Thema Klimawandel. Denn die EU-Kommission lässt keinen Zweifel daran, dass sie das wirklich ernst nimmt mit dem Pariser Klimaschutzabkommen."

EU-Klimaschutzabkommen als Treiber

In der Konsequenz heißt das, dass der CO2-Ausstoß in der Welt drastisch verringert werden muss – allem voran in der Wirtschaft. Dieser Umbau hin zu Klimaneutralität erfordert entsprechend große Investitionen.
Und da kommen die Finanzmärkte ins Spiel. Bereits 2018 hat die Europäische Union einen Aktionsplan mit Maßnahmen vorgelegt, wie das Finanzsystem reformiert werden kann, um zu einer nachhaltigeren Wirtschaft beizutragen. Die Maßnahmen betreffen unter anderem Referenzwerte für CO2-arme Investitionen und eine Art grünes Siegel für Finanzprodukte. Außerdem müssen Unternehmen transparenter über ihre Geschäftspraktiken im Hinblick auf soziale und ökologische Aspekte berichten.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einer Pressekonferenz in Brüssel
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzt auf mehr Nachhaltigkeit, auch in der Finanzindustrie (Nicolas Landemard / Le Pictorium Agency via ZUMA Press)
Die Entwicklungen der letzten Jahre hätten dafür gesorgt, dass Nachhaltigkeit zu einem entscheidenden Investitionskriterium geworden ist, sagt der Vorstandsvorsitzende von Blackrock in Deutschland, Dirk Schmitz:
"Was sich geändert hat, ist, mit welchem Fokus das Thema diskutiert wird und wie es auch in den Kapitalmärkten mit eingepreist wird. Und da haben wir dann einfach gesehen, dass sich Kapitalströme ändern, dass sich auch Bewertungen von Unternehmen ändern. Und das ist natürlich etwas, wo wir dann drauf reagieren müssen."
Damit möchte Blackrock gewährleisten, dass die Privatanleger und Unternehmenskunden, deren Vermögen Blackrock treuhänderisch verwaltet, langfristig kein Geld verlieren.

Umdenken auch in der Versicherungsbranche

Weitere Großinvestoren, die sich ebenfalls mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, sind Versicherungskonzerne. Auch sie verfügen über große Kapitalanlagen. Im Gegensatz zu den Vermögensverwaltern trifft sie der Klimawandel jedoch potenziell gleich zweimal: Zum einen müssen sie entscheiden, wie sie das Kapital, was sie aus den Versicherungsprämien ihrer Kunden anhäufen, gewinnbringend anlegen. Zum anderen müssen sie bewerten, für welche Szenarien sie in Zukunft überhaupt noch Versicherungen anbieten können. Thomas Mann leitet die operative Kapitalanlage für die Talanx-Gruppe - ein Konzern, zu dem unter anderem die HDI-Versicherung gehört.
"Es gibt bestimmte Felder in Versicherungen wie das Thema Großschäden, Naturkatastrophen, die natürlich von einer globalen Erwärmung sehr stark betroffen sind. Wir als Versicherung managen ja auch solche Risiken."
Deshalb sei es im elementaren Interesse von Versicherungen, nachhaltig zu wirtschaften. Dennoch hat auch der Talanx-Konzern erstmals 2015 begonnen, Nachhaltigkeitsaspekte systematisch in seiner Kapitalanlage zu verankern. Und erst im vergangenen Jahr verpflichtete sich das Unternehmen dazu, sämtliche Neuanlagen nach diesen Kriterien auszurichten sowie Investments in nachhaltige Infrastrukturen zu verdoppeln.

Nachholbedarf beim Thema Nachhaltigkeit

Obwohl der Klimawandel und seine möglichen Auswirkungen schon seit Jahrzehnten wissenschaftlich diskutiert werden, scheinen die Akteure an den Kapitalmärkten vom verstärkten gesellschaftlichen und politischen Fokus darauf durchaus überrascht worden zu sein.
"Wenn ich rückblickend 2015 eine Prognose hätte wagen sollen, ob das Thema Nachhaltigkeit in dieser Fokussierung im Jahr 2021 so vorhanden ist, dann kann ich bestätigen, haben wir diese Dynamik so nicht kommen gesehen - man kann auch sagen ein Stück unterschätzt."
Sagt Thomas Mann von der Talanx-Versicherungsgruppe. Jetzt aber kommen neue Finanzprodukte auf den Markt, Portfolios werden umstrukturiert. Dennoch ist der Anteil spezifisch nachhaltiger Investments zurzeit noch überschaubar.
Fabrik im Smognebel
Wirtschaft verspricht mehr Engagement für weniger CO2
Bosch, Bayer, RWE: Zahlreiche Konzerne haben Ziele vorgelegt, wie sie ihre CO2-Emissionen senken wollen – auch auf Druck von Investoren. Eine Untersuchung zeigt nun: Die Investitionen der Unternehmen in grüne Technologien sind tatsächlich gestiegen. Doch reicht das aus?
In Deutschland wurden im Jahr 2019 laut Zahlen des Forums Nachhaltige Geldanlagen, kurz FNG, rund 270 Milliarden Euro nachhaltig angelegt. Der Anteil nachhaltiger Finanzprodukte, die rechtlich verbindlichen Anlagekriterien folgen, betrug demnach gerade einmal fünf Prozent am Gesamtfondsmarkt.

ESG-Kriterien als Kennzeichen für nachhaltiges Investment

Aber: Was ist eigentlich eine nachhaltige Geldanlage? Der Begriff Nachhaltigkeit ist nicht eindeutig definiert. Zumeist beziehen sich Investoren auf die sogenannten ESG-Kriterien. ESG steht für Environmental, Social und Governance. In der Kategorie "Environmental" wird unter anderem beurteilt, wie umweltverträglich die Produktionsbedingungen eines Unternehmens sind. Der soziale Aspekt schließt faire Bezahlung und den Ausschluss von Kinderarbeit ein. Und die Kategorie "Governance" hat beispielsweise im Blick, ob Unternehmen gegen Korruption vorgehen.
Arbeiter in einer Textilfabrik in Gazipur, Bangladesch
Im Fokus der ESG-Standards: Textilindustrie in Bangladesch (Shamsul Haider Badsha / AFP)
Das Problem: Welche Aspekte dann im Einzelnen in den Portfolios berücksichtigt werden, bestimmen die Anbieter von Finanzprodukten sowie die Investoren am Ende selbst. Christian Klein von der Uni Kassel ist im Hinblick auf nachhaltige Anlagen vor allem eine Unterscheidung wichtig:
"Was ganz, ganz wichtig ist, ist, dass wir bei nachhaltigen Geldanlagen auch in Zukunft genauer hingucken: Ist es irgendetwas, das keinen Schaden anrichtet oder ist es irgendetwas, das etwas Gutes bewirken wird? Und das ist eine Differenzierung, über die wir in der Zukunft sehr viel reden werden."
Eine Anlagestrategie, mit der Investoren versuchen, durch ihre Anlage zumindest keinen Schaden anzurichten, sind die sogenannten Ausschlüsse. In diesem Fall sind Investitionen in bestimmte Branchen oder Firmen pauschal verboten. Thomas Mann erklärt, wie sich das im Talanx-Konzern zeigt:
"Wenn Unternehmen beispielsweise beim Thema Rüstung oder Geldwäsche, CO2-Belastungen, Menschenrechtsverletzungen bestimmte Kriterien nicht erfüllen, dann werden wir in diese Unternehmen unser Geld nicht investieren."
Welche Firmen konkret ausgeschlossen werden, macht Talanx an den Daten einer Nachhaltigkeits-Ratingagentur fest, die täglich aktualisiert werden.

Weiter Investitionen in Klimakiller

Teilweise schließen Investoren Branchen aber nicht komplett aus, sondern verfolgen den "Best-in-class"-Ansatz. Nach dieser Anlagestrategie wird innerhalb einer Branche jeweils nur in die Unternehmen investiert, die eine Vorreiterrolle in Sachen Sozial- oder Umweltstandards innehaben. So sollen Anreize für konkurrierende Firmen geschaffen werden, es den "Klassenbesten" gleichzutun. Investitionen in Chemiekonzerne oder die Mineralölindustrie sind demnach also weiterhin möglich. Unmittelbar nachhaltig seien diese Geldanlagen nicht, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler Christian Klein:
"Die andere Frage, wie nutze ich die Kapitalmärkte, um den Klimawandel aufzuhalten, ist nun natürlich eine ganz ganz andere Sichtweise: Also wie kann ich gezielt in Technologien investieren, die dazu beitragen, dass unsere Erde nicht viel, viel heißer wird."
Schornsteine mit Qualm an der Shell-Rheinland-Raffinerie in Köln-Godorf
Weiter nicht ausgeschlossen: Investments in Klimakiller wie Mineralölindustrie (Geisler-Fotopress)
Das können zum Beispiel gezielte Investitionen in erneuerbare Energien sein. Eine weitere Art und Weise, wie Investoren versuchen, Anlagen nachhaltig zu gestalten, ist der direkte Dialog mit den Unternehmen. Durch ihr Aktionärsstimmrecht können große Investmentgesellschaften Unternehmen dazu zu bringen, Umwelt- und Sozialstandards zu verschärfen. Auch Blackrock nutze diese Möglichkeiten, erklärt Blackrock Deutschland-Chef Schmitz und begründet damit allerdings auch, warum Blackrock immer noch in Firmen investiert, die zum Beispiel zum Kohlesektor gehören.
"Diesen Dialog können sie nicht führen, wenn sie nicht im Unternehmen investiert sind. Also sozusagen zu deinvestieren und die Türe zuzumachen, verhindert, auf das Unternehmen positiv einwirken zu können."

Finanzbranche unter "Greenwashing"-Verdacht

Die Nichtregierungsorganisation Urgewald hat analysiert, wie nachhaltig die Anlagestrategie, die Blackrock Anfang 2020 angekündigt hat, aus ihrer Sicht ist. Sie wirft dem Konzern "Greenwashing" vor. Dass Blackrock sich aus Unternehmen zurückziehen will, die mehr als 25 Prozent ihres Umsatzes aus der Kohle-Erzeugung gewinnen, sei zwar theoretisch ein guter Ansatz, aber die unternehmensinterne Richtlinie habe eben bislang nur 17 Prozent der globalen Kohleindustrie ausgeschlossen.
"Effektiv werden nur einige große Kohleminen-Firmen ausgeschlossen", sagt Katrin Ganswindt von Urgewald.
Nötig sei nach Ansicht der NGO aber, dass sich Blackrock zügig ganz aus der Kohle zurückzieht. Auch das Abstimmungsverhalten von Blackrock als Aktionär beurteilt die NGO zwiegespalten. Denn der Vermögensverwalter hatte angekündigt, auf Aktionärsversammlungen künftig für Anträge zu stimmen, die Unternehmen zum Beispiel dazu bringen sollen, mehr Informationen bezüglich ihrer Klimarisiken zu veröffentlichen:
"Im Jahr 2019 hat man das noch gar nicht gesehen, da hat Blackrock noch gegen die meisten Klima-Resolutionen gestimmt. Jetzt hat man Ende des letzten Jahres gesehen, dass es sich so langsam in die richtige Richtung bewegt."

ETF und Co. - Grenzen von nachhaltigem Investment

In Bezug auf Blackrocks Portfolio sieht Urgewald aber noch einen ganz anderen Kritikpunkt. Denn Blackrocks Nachhaltigkeitsrichtlinien beziehen sich nur auf die aktiv gemanagten Vermögen - also Fonds, bei denen Manager selbst auswählen, in welche Wertpapiere investiert wird. Für sogenannte passiv gemanagte Vermögen - also beispielsweise Fonds, die die Unternehmensstruktur von Aktienindizes nachbilden, gelten die Nachhaltigkeitskriterien also nicht:
"Nur ein Drittel der Gelder, die Blackrock verwaltet, sind aktiv gemanagt. Der größte Teil ist in ETFs - und das heißt: Auch da müsste die Richtlinie ausgeweitet werden auf alle Gelder, damit das wirklich einen großflächigen Einfluss hat."
In der Praxis ist das allerdings schwer umzusetzen. Wenn ein Kunde beispielsweise in einem ETF Geld anlegen will, der alle DAX-Unternehmen abbildet, dann können die Fondsanbieter nicht einzelne Firmen rauslassen – nur weil diese nicht nachhaltig sind. Blackrock biete deshalb verstärkt nachhaltige Alternativen zu den konventionellen Indexfonds an, argumentiert das Unternehmen. So hätten die Kunden zumindest die Wahl. Wie lange es aber dauern wird, bis die mehr als fünf Billionen US-Dollar, die Blackrock passiv verwaltet, ebenfalls nachhaltig angelegt sind, bleibt offen. Christian Klein von der Uni Kassel plädiert dafür, Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft als Prozess zu sehen:
"Letztendlich bedeutet für mich Nachhaltigkeit, ich habe ein bestimmtes Ziel - zum Beispiel Aufhalten des Klimawandels - und wie schaffe ich jetzt, dieses Ziel zu erreichen? Also es geht um Transformation. Nachhaltige Geldanlagen sollten den Unternehmen helfen, ihre Geschäftsmodelle zu transformieren."

Großinvestoren auf der Bremse

Zu beobachten ist jedenfalls der Trend, dass Umwelt- und Klimarisiken bei den Investmentstrategien im Vergleich zu beispielsweise sozialen Kriterien gerade im Vordergrund zu stehen scheinen. Das ist auch richtig so, findet Katrin Ganswindt von Urgewald:
"Die Sache ist ja, dass eigentlich alle Schwierigkeiten, die es gibt, durch Klimawandel verstärkt werden. Also das sind Menschenrechtsverletzungen, das ist Genderungleichheit, das ist Wasserknappheit, reich und arm - also alle Scheren werden vergrößert. Deswegen macht es durchaus Sinn, bei der Eindämmung des Klimawandels anzusetzen."
Graffiti von Klimaaktivisten am Eingang der französischen BlackRock-Zentrale in Paris
Im Visier der Klimaaktivisten: Französische BlackRock-Zentrale (Jerome Gilles / NurPhoto)
Die Nichtregierungsorganisation fordert aber, dass sich Großinvestoren noch konsequenter im Klimaschutz engagieren. Schärfere Richtlinien aufstellen. Und vor allem schneller zur Sache kommen:
"So wie der Umbau der Energieindustrie sich beschleunigen muss hin zu Erneuerbaren, so muss sich auch die Umschichtung des Kapitals an der Stelle beschleunigen genauso, damit wir den Klimawandel noch auf 1,5 Grad begrenzen können."
Blackrock hat in der vergangenen Woche in einem weiteren Brief verkündet, dass das Unternehmen dafür sorgen will, dass das eigene Portfolio bis spätestens 2050 klimaneutral ist. Wieder einmal klängen die Pläne löblich, seien aber nach wie vor nicht konkret genug, bleibt die NGO Urgewald bei ihrer ursprünglichen Kritik.
Die Investoren selbst sehen beim Umbau ihrer Anlage-Portfolios hin zu mehr Nachhaltigkeit vorerst andere Herausforderungen:
"Eine Schwierigkeit bei dieser Aufgabe ist natürlich die Datenlage. Wir alle reden über den Klimawandel. Wir reden auch über andere Nachhaltigkeitsrisiken wie zum Beispiel die Risiken im sozial-gesellschaftlichen Bereich. Aber diese dann zu quantifizieren und wirklich auch in eine Bewertung eines Unternehmens einfließen zu lassen, ist nicht ganz einfach", sagt der Vorstandsvorsitzende von Blackrock in Deutschland, Dirk Schmitz.

Grüne Taxonomie - eine Frage der Definition

Auch die Europäische Union hat das als Problem erkannt. Um Nachhaltigkeit konkreter zu definieren, hat sie ein Klassifikationssystem entwickelt, dass voraussichtlich ab Januar 2022 gelten wird. Mit der sogenannten grünen Taxonomie soll Nachhaltigkeit besser messbar gemacht und Finanzprodukte untereinander besser vergleichbar werden. Investmentfonds und andere Anbieter, die ihre Finanzprodukte als nachhaltig labeln, müssen künftig angeben, wie taxonomiekonform diese jeweils sind.
Durch die Klassifizierung werden allerdings nicht die Finanzprodukte selbst bewertet, sondern analysiert, ob die wirtschaftlichen Tätigkeiten, die am Ende durch sie finanziert werden, selbst nachhaltig sind. Eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit zeichnet zum Beispiel aus, dass sie Treibhausgase reduziert oder dafür sorgt, dass Produkte besser recycelt werden können.
Das Klassifikationssystem selbst verpflichtet Investoren zwar nicht dazu, ihr Geld in nachhaltigen Projekten anzulegen, aber will es ihnen zumindest erleichtern. Durch den einheitlichen Standard soll Greenwashing schwieriger werden. Darauf hofft auch die NGO Urgewald, wie Katrin Ganswindt sagt:
"Also diese Green Taxonomy ist auf jeden Fall schon einmal ein guter Start gewesen - also zu definieren, was nachhaltig ist, wenn wir über unsere Finanzen reden. Das ist auf jeden Fall hilfreich, damit nicht jedes Nachhaltigkeitsprodukt, was von einer Bank angeboten wird, einfach eine große Kohlefirma da drin haben kann."

Rentabel und nachhaltig - kein Widerspruch

Möglich also, dass die neue EU-Taxonomie dazu beitragen wird, die Finanzmärkte nachhaltiger zu gestalten. Und so zum nachhaltigen Wirtschaftswachstum beitragen könnte. Rentabel sind viele nachhaltige Investments jedenfalls schon jetzt. Aus der Forschung lässt sich bestätigen, dass sie in der Vergangenheit gleiche oder sogar höhere Erträge erzielt haben als konventionelle Investitionen. Vermutlich, weil sie Nachhaltigkeitsrisiken bereits berücksichtigt haben, sagt Professor Klein von der Uni Kassel. Das heiße aber nicht, dass dies auch in Zukunft so sein werde. Deshalb warnt er:
"Aber jetzt so zu tun, also könnte man die Welt retten und es kostet nichts und wir werden auch noch alle reich dabei, das ist aus meiner Sicht zu kurz gegriffen."

Einfluss der Finanzmärkte beim Klimaschutz

Ganz generell stellt sich die Frage: Wie groß kann der Einfluss der Finanzmärkte überhaupt sein, wenn es darum geht, die Welt nachhaltiger zu machen? Groß, meint die NGO Urgewald - selbst wenn Großinvestoren nur aus einzelnen, besonders klimaschädlichen Branchen aussteigen sollten. Und sieht sie deshalb in der Pflicht:
"Wer das Geld hat, trägt die Verantwortung. Das heißt: Das macht natürlich etwas mit einer Industrie, wenn sie weiß: Oh, alle Großinvestoren ziehen sich zum Beispiel aus reinen Kohlefirmen zurück. Dass dann auch klar ist, Kohlefirmen müssen sich umbauen. Sie können nicht darauf hoffen, dass die Staaten und öffentliche Gelder sie retten. Das hat natürlich einen Effekt."
Christian Klein von der Uni Kassel gibt allerdings eine Sache zu bedenken:
"Letztendlich müssen wir jetzt überlegen: Wenn ich in einen Fonds investiere, was passiert dann eigentlich? Dann werden am Sekundärmarkt irgendwelche Aktien gekauft oder nicht gekauft. Aber wird dadurch das Unternehmen, dem die Aktien gehören, nachhaltiger oder nicht?"
Denn ob ein Unternehmen das erhaltene Kapital auch tatsächlich dafür verwendet, zum Beispiel in nachhaltige Technologien zu investieren, haben die Investoren nicht unmittelbar in der Hand. Das heiße nicht, dass nachhaltige Investitionen keinen Einfluss haben, sagt Christian Klein:
"Das heißt, dass wir hier in diesem Bereich noch viel zu wenig geforscht haben. Und hier beginnen wir gerade, Wirkungskanäle anzugucken: Also, wie kann ich, indem ich Geld investiere, dafür sorgen, dass in der wirklichen Welt eine Investition geschieht, die unsere Erde ein bisschen schöner macht?"