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Nachhaltiges Wirtschaften
Gütesiegel für grüne Geldanlagen gesucht

Geld anlegen - aber nicht in Unternehmen, die mit Atomenergie, Rüstung oder Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden. Solche nachhaltigen Geldanlagen liegen im Trend. Aktuell wird vor allem darüber diskutiert, wie klimafreundliche Investitionen aussehen können.

Von Brigitte Scholten | 25.06.2019
Dunkle Rauchwolken aus dem Braunkohlenkraftwerk von RWE in Neurath.
Der Klimaschutz stand im Fokus der Nachhaltigkeitskonferenz der Union Investment (dpa / picture alliance / chromorange)
Sein Geld verantwortlich, "nachhaltig" anzulegen, liegt im Trend - mit insgesamt gut 219 Milliarden Euro lag ihr Volumen Ende 2018 in Deutschland um mehr als 48 Milliarden Euro über dem Vorjahreswert. Das meldete das FNG, das Forum nachhaltige Geldanlagen. Ihm gehören 170 Banken, Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen oder auch Rating-Agenturen an.
"Nachhaltigkeit" ist jedoch ein weiter Begriff, der unterschiedlich interpretiert wird. Diese Gelder, so definiert es das FNG, würden unter Berücksichtigung von strengen umweltbezogenen, sozialen und auf eine verantwortungsvolle Unternehmensführung bezogenen Kriterien verwaltet.
"Positive Wirkung fürs Klima"
Doch der Begriff sei stark im Wandel, sagt Matthias Stapelfeldt. Er ist Leiter des Nachhaltigkeitsmanagements bei der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment und gehört auch dem Vorstand der FNG an:
"Mittlerweile ist es so, dass wir auch darüber reden, wie wir auch eine positive Wirkung fürs Klima erzeugen, und wie wir uns mit der Geldanlage engagieren können, um Unternehmen dazu zu bewegen, etwas anders zu machen. Der Begriff wandelt sich sehr stark im Zeitablauf, und das macht es so schwierig, eine einheitliche Definition hinzubekommen."
Der Klimaschutz stand heute im Fokus der Nachhaltigkeitskonferenz der Union Investment. Klimaforscher wie Lord Nicholas Stern von der London School of Economics setzen auf das Engagement der Finanzwirtschaft, damit der Klimawandel aufgehalten werden kann:
"Wir müssen uns sehr schnell bewegen. Akademiker bevorzugen natürlich mehr Zeit für ihre Forschung. Aber wir müssen gleichzeitig forschen, abstimmen was wir haben, und unsere Handlungen beschließen - alles zeitnah. Da wir so schnell handeln müssen, müssen wir auch Mechanismen finden, die in entsprechender Zeit reagieren. Und deshalb ist die Finanzwelt Kern dieser Mechanismen, die eine starke zeitnahe Reaktion geben können."
90 Prozent der nachhaltigen Geldanlagen von Großinvestoren
Institutionelle Investoren reagieren auch inzwischen, eben auch Investmentfonds, die auch Privatanlegern zugänglich sind. Die aber finden noch wenig Orientierung: Es gibt unterschiedliche Gütesiegel, eben das des FNG, aber auch das Eco-reporter-Siegel, das bestimmte Ausschlusskriterien berücksichtigt wie Atomenergie, Rüstung oder Kinderarbeit. Die EU-Kommission möchte jetzt einen europäischen Standard für grüne, nachhaltige Anlagen einführen. Grundsätzlich sei das eine gute Sache, meint Matthias Stapelfeldt.
Doch die EU-Kommission wolle dieses Label auf den Klimaschutz begrenzen: "Man muss so ein Siegel so aufstellen, dass Nachhaltigkeit allgemein erfasst ist und dass auch eine Vielzahl von Produkten darunter fallen, die auch für den Anleger relevant sind, weil man ansonsten etwas schafft, was eigentlich nicht praxisfähig ist."
Denn 90 Prozent der nachhaltigen Geldanlagen entfallen auf Großinvestoren, nur zehn Prozent auf Privatanleger. Insgesamt aber sind nur vier bis fünf Prozent des gesamten Anlagevolumens nachhaltig angelegt.
Es müssten noch viel mehr werden, damit die Klimapolitik schnell Erfolg habe, mahnte Otmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung. Das gehe nur über die Lenkungswirkung eines Preises für CO2.