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Nahverkehr
Fußgänger würden als erstes kostenlosen ÖPNV nutzen

Die Idee eines kostenlosen Nahverkehrs sieht der Geschäftsführer des Vereins FUSS e.V., Stefan Lieb, kritisch. Untersuchungen hätten gezeigt, dass vor allem Fußgänger und Radfahrer das Angebot nutzen würden, sagte Lieb im Dlf. Viel wichtiger seien fußgängerfreundliche Maßnahmen in den Städten.

Stefan Lieb im Gespräch mit Georg Ehring |
    Von oben sind mehrere Menschen auf einer Einkaufsstraße zu sehen, darunter zwei modisch gekleidete, junge Frauen mit Einkaufstüten in der Hand - aufgenommen am 26.05.2017 in Berlin im Stadtteil Steglitz.
    "Gehwege müssen ausreichend breit sein und es muss auch Aufenthalt möglich sein, also Kommunikation", sagt Stefan Lieb vom Verein "FUSS e. V." (dpa / Wolfram Steinberg)
    Georg Ehring: Nachrüstung von Autos auf Kosten der Steuerzahler, Busse und Bahnen umsonst, das sind eher teure Vorschläge, wie die Luft in den Städten sauberer werden kann. Die billigste Methode der Fortbewegung ist das zu Fuß gehen. Wer es pflegt, braucht vielleicht etwas öfter neue Schuhe, aber die Kosten dafür halten sich vergleichsweise in Grenzen. Allerdings werden Fußgänger im Straßenverkehr nicht immer gut behandelt. Dieser Ansicht ist die Fußgänger-Lobby, zusammengeschlossen im Verein FUSS e. V. Und mit ihrem Geschäftsführer Stefan Lieb bin ich jetzt telefonisch verbunden. Guten Tag, Herr Lieb.
    Stefan Lieb: Guten Tag, Herr Ehring.
    Ehring: Herr Lieb, wir erreichen Sie in Berlin. Welche Wege legen Sie denn zu Fuß zurück? Wie weit gehen Sie?
    Lieb: Als Verein gehen wir natürlich immer weiter, aber im Alltag laufe ich Strecken von ein bis drei Kilometern. Das ist übrigens auch die Länge der Strecken, die überwiegend vom Autoverkehr in den Städten zurückgebracht werden.
    "Gehwege müssen ausreichend breit sein"
    Ehring: Was ärgert Sie denn da, wenn Sie zu Fuß unterwegs sind?
    Lieb: Manchmal komme ich sogar kaum aus der Haustür, weil ein Radler mir vor die Füße fährt oder Falschparker auf dem Weg stehen. Fußgänger wollen sich vorwärts bewegen und natürlich auch nebeneinander und aneinander vorbeikommen können. Das heißt, Gehwege müssen ausreichend breit sein und es muss auch Aufenthalt möglich sein, also Kommunikation. Und dann wollen wir als Fußgänger natürlich nicht nur um den Block laufen, sondern auch die Fahrbahn queren, und dafür fehlen immer noch Querungsanlagen. Bei niedrigem Kfz-Tempo wie Tempo 20 oder Tempo 30, da braucht man nicht so viele. Bei Tempo 50 oder gar mehr muss man mehr Querungsanlagen haben.
    Ehring: Querungsanlagen, damit meinen Sie Fußgängerampeln und Zebrastreifen?
    Lieb: Damit meinen wir zum Beispiel Ampeln, die aber auch ihre vielen Tücken haben, aber zum Beispiel auch Zebrastreifen. Da sind wir richtig Fans von, denn da ist auch ein klar geregelter Vorrang für den Fußverkehr und die Regeln sind eindeutig und deswegen auch verständlich.
    Ehring: Und die werden auch beachtet nach Ihrer Beobachtung?
    Lieb: Sagen wir mal so: In Städten, wo es ein oder zwei Zebrastreifen gibt, da gehört er nicht zum Stadtbild. Da ist es vielleicht schwieriger. Aber hier in Berlin haben wir jetzt wieder über 400 neue Zebrastreifen bekommen und das ist jetzt kein Problem mehr hier in Berlin.
    "Die meisten Autofahrten sind sehr kurz in den Städten"
    Ehring: Ein fußgängerfreundlicher Umbau ist auch nicht umsonst. Haben Sie sich mal überlegt, was ein fußgängerfreundlicher Umbau der Gesellschaft kosten würde?
    Lieb: Wir sind jetzt bald hier in Berlin dabei, ein Fußverkehrsgesetz zu entwickeln, und da sind wir in einer Art Beirat drin. Wir denken, mit zehn Euro pro Kopf pro Jahr könnte das möglich sein, eine Stadt - natürlich im Laufe von ein paar Jahren - wieder fußgängerfreundlicher zu machen.
    Ehring: Kann denn Ihrer Ansicht nach die Förderung des Fußverkehrs Autofahrten tatsächlich vermeiden?
    Lieb: Ja! Das ist ganz erstaunlich, aber es ist so. Die meisten Autofahrten sind ja sehr kurz in den Städten, viele unter ein Kilometer, noch mal eine große Gruppe bis drei Kilometer. Eigentlich nimmt man ja an, wenn man aussteigt aus dem Auto, dann sind die Radfahrer dran. Aber auch nach internationalen Studien ist das so, dass die Hälfte der Autofahrer, die aussteigen aus dem Auto, zum Fußverkehr gehen. Dann erst teilen sich Radverkehr und ÖPNV die weiteren Plätze.
    Ehring: Wenn jetzt gefordert wird, der Nahverkehr soll kostenlos werden, gehen dann die Leute auch weniger zu Fuß, steigen möglicherweise gar nicht vom Auto in den Bus um, sondern vom zu Fuß gehen in den Bus?
    Lieb: Ja, das haben Untersuchungen gezeigt, dass leider, wenn der Nahverkehr kostenlos wird, als schnellstes erst mal die Fußgänger und Radfahrer reagieren, und gerade bei schlechtem Wetter oder wie auch immer steigen die dann in die Busse und Bahnen, statt sich selbst zu bewegen. Und dann ist natürlich viel zu wenig Platz in den Bussen und Bahnen und der Luft hat es auch nichts gebracht.
    Ehring: Stefan Lieb war das vom Verein FUSS e.V. zur Förderung des Fußgängerverkehrs. Herzlichen Dank für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.