Diskussion in USA und Deutschland
Nationalgarde in Los Angeles: gezielte Eskalation Trumps oder berechtigter Einsatz?

Nach den zum Teil gewaltsamen Protesten hat die Regierung von US-Präsident Donald Trump die Nationalgarde sowie Marineinfanteristen nach Los Angeles geschickt - gegen den erklärten Willen der kalifornischen Regierung. Dies gilt als juristisch heikel und politisch hochumstritten. Die wichtigsten Fragen und Antworten

    Ein Demonstrant steht auf einem brennenden Waymo-Taxi in der Innenstadt von Los Angeles.
    In Los Angeles sind die Proteste gegen die Migrationspolitik von Präsident Trump eskaliert. (AP / dpa / Eric Thayer)

    Was war in Los Angeles passiert?

    In der Metropole an der US-Westküste kam es zu Demonstrationen gegen den Kurs von Präsident Trump in der Migrationspolitik. Der Protest richtete sich auch gegen die Razzien der Einwanderungsbehörde ICE. Diese ging gegen Menschen vor, denen eine illegale Einwanderung vorgeworfen wird. Vielfach verlief der Protest friedlich, zum Teil kam es zu Plünderungen und Gewalt. Die US-Regierung mobilisierte daraufhin 4.000 Soldaten der Nationalgarde und 700 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte für den Einsatz in Los Angeles - gegen den Willen des demokratischen Gouverneurs Newsom.

    Wie argumentiert Trump - und was erwidern seine Gegner?

    Trump hat unter Berufung auf den sogenannten Title 10 des Kodex der Vereinigten Staaten das Kommando über die Nationalgarde in Kalifornien übernommen. Vorgesehen ist dieser Schritt im Fall "einer Rebellion oder der Gefahr einer Rebellion gegen die Autorität der Regierung der Vereinigten Staaten". Die Truppen werden jedoch nicht ermächtigt, die Aufgaben der Polizei zu übernehmen. Normalerweise mobilisiert der Gouverneur eines Bundesstaates die Nationalgardisten zur Unterstützung bei Naturkatastrophen. Der demokratische Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, sah jedoch keine Notwendigkeit. Trump schickte die Nationalgarde dennoch. Newsom sprach von einem illegalen und unmoralischen Vorgang und kündigte eine Klage an. Zuletzt hatte Präsident Lyndon B. Johnson 1965 gegen den Willen eines Gouverneurs die Nationalgarde aktiviert, um Bürgerrechtsaktivisten in Alabama zu schützen.
    Die US-Regierung schickte zudem 700 Marineinfanteristen des regulären Militärs nach Los Angeles. Anders als die Nationalgarde untersteht das reguläre Militär immer der Bundesregierung. Im Gegensatz zur Nationalgarde ist es eher für Kriegsführung und die nationale Sicherheit zuständig. 

    Dürfen US-Soldaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung eingesetzt werden?

    Dies ist grundsätzlich untersagt. Der Posse Comitatus Act von 1878 verbiete den Einsatz des Militärs gegen US-Bürger, führen Nachrichtenagenturen aus. Trump deutete jedoch bereits an, noch weiter zu gehen und den sogenannten Insurrection Act anzuwenden, falls bisherige Maßnahmen nicht ausreichten. Dieses "Aufstandsgesetz" von 1807 befugt den Präsidenten, das Militär im Inland einzusetzen, um "bewaffnete Rebellion" oder "innere Gewalt" zu unterdrücken und Aufgaben wie Durchsuchungen und Verhaftungen zu übernehmen.
    Zuletzt wandte Präsident George Bush senior dieses Bundesgesetz 1992 an. Der damalige Gouverneur von Kalifornien hatte ihn darum gebeten. Er wollte so die Ausschreitungen in Los Angeles niederschlagen, die nach dem Freispruch von Polizisten ausgebrochen waren, die den Afroamerikaner Rodney King brutal zusammengeschlagen hatten. Auch Präsident Johnson nutzte den Insurrection Act 1968, um gegen Unruhestifter nach der Ermordung des Bürgerrechtlers Martin Luther King Jr. vorzugehen.

    Wie wird Trumps Vorgehen in den Medien bewertet?

    Auf den Meinungsseiten der Medien wird das Thema unterschiedlich bewertet. In einem Kommentar der New York Times aus den USA, den der Deutschlandfunk in der Presseschau aufgegriffen hat, heißt es etwa: "Der US-Präsident setzt das Militär in einer amerikanischen Stadt ein und begründet dies mit lächerlichen Unwahrheiten über eine ausländische Invasion. Ein deutlicheres Zeichen auf dem Weg zur Diktatur kann man sich kaum vorstellen."
    In Deutschland kommentierte der Spiegel: "Trump sucht die Eskalation". Die "taz" aus Berlin schrieb in einem Meinungsbeitrag mit Blick auf die Ausschreitungen in Los Angeles: "Ein paar brennende Autos und Mülltonnen hin oder her: Der eigentliche Gewaltakt beginnt damit, ganze Bevölkerungsgruppen zu diffamieren und zu kriminalisieren, wie es Trump immer und immer wieder tut."
    In einem Meinungsbeitrag des "Wall Street Journal" aus den USA heißt es: Trump gehe mit seinen Abschiebebemühungen zwar zu weit, "aber die Wähler werden sich mehr um die Gewalt auf den Straßen sorgen". Der in Deutschland lebende US-Journalist Erik Kirschbaum hat für die "Welt" einen Beitrag mit der Schlagzeile "Trump hat richtig entschieden" geschrieben.
    Kirschbaum äußerte sich im Anschluss in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zu seiner Position. Viele Medien in Deutschland nutzen Kirschbaum zufolge wieder die Chance, "Trump-Bashing zu betreiben". Trump werde als Bösewicht und als Gefahr für die Demokratie dargestellt und für alle Probleme verantwortlich gemacht. Es werde "ein dunkles Bild" des US-Präsidenten skizziert. Natürlich sei Trump "fehlerhaft", ergänzte Kirschbaum in unserem Programm. Aber viele Amerikaner glaubten in diesem Fall, er wolle eine Gewaltspirale verhindern und handele richtig.

    Was sagen Menschen in Los Angeles?

    Auch vor Ort gibt es kein einheitliches Meinungsbild. So sagte etwa ein Anwohner in Los Angeles einem Fernsehteam, er sei für die Nationalgarde, "weil es da draußen in Los Angeles Menschen gibt, die für ihre Familie arbeiten müssen, die für sie sorgen müssen". Und das könnten sie gerade nicht normal tun, weil sie von den Protesten behindert würden. Es gibt aber natürlich auch viele andere Stimmen, die sehr kritisch auf Trumps Vorgehen schauen. So sprach ein anderer Bürger etwa von einem "krassen Eingriff in die Rechte von Kalifornien".
    Diese Nachricht wurde am 12.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.