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Kiffen im Sport

Die schrittweise Legalisierung sowie Erkenntnisse über eine schmerzlindernde Wirkung haben eine offene Diskussion in Gang gebracht. Soll Sportlern der Genuss von Cannabisprodukten gestattet werden? Selbst der ehemalige NBA-Chef David Stern, der einst den Strafenkatalog für die Basketballer verschärft hatte, plädiert für ein Umdenken.

Von Jürgen Kalwa | 09.06.2018
    Eine Frau hält einen Joint in der Hand auf dem "Marche mondiale du Canabis" in Paris.
    Es gibt unzählige Fälle von Sportler die schon mal zu einem Joint griffen. (picture alliance / dpa / Le Quere)
    Eine typische Karriere in der National Basketball League sieht so aus wie die von Al Harrington. Der tingelte mehr als zehn Jahre von Klub zu Klub in allen Teilen von Amerika. Mit seinen 2,06 Metern war er gefragt, als Mann fürs Grobe unterm Korb. Ein Job, der ihm insgesamt knapp 90 Millionen Dollar brutto einbrachte.
    Als er sich mit der zweiten Hälfte seines Lebens beschäftigte, entdeckte der 38-jährige in einem bestimmten Gewerbe enormes Potenzial.
    Colorado, Oregon, Michigan, Kalifornien, Jamaika - überall, wo es legal ist, die Pflanzen anzubauen und aus ihnen hergestellte Produkte zu verkaufen, ist Harrington inzwischen im Geschäft. Sein Leben kreist nicht mehr um den Ball, sondern um Cannabis. Jene Hanfpflanze, aus deren Blättern Marihuana gewonnen wird und aus dessen Blütenhaaren sich das Harz gewinnen lässt, das man Haschisch nennt.
    Der ehemalige NBA-Basketballer Al Harrington.
    Der ehemalige NBA-Basketballer Al Harrington. (EPA)
    Harrington hatte schon im Laufe seiner Karriere Joints geraucht. Ein alltägliches Phänomen in der Liga - trotz Urintests und dem Risiko, erwischt und gesperrt zu werden. Schätzungen besagen, dass mehr als zwei Drittel den Stoff konsumieren. In einer Diskussion der Online-Sportplattform "Bleacher Report" beschrieb Ex-Profi Matt Barnes neulich, wie alltäglich das ist.
    "Ich bin nach dem Training nach Hause, habe einen Joint geraucht, ein Nickerchen gemacht, bin aufgestanden, habe gegessen und bin zum Spiel gefahren. Ich war nicht immer auf dem Zeug. Aber in 15 Jahren waren es sehr viele Spiele."
    Die beruhigende Wirkung sorgt für eine "positive Enthemmung"
    Richtig dosiert, so wissen Doping-Experten, helfen Marihuana oder Haschisch unter anderem bei der Bewältigung eines anstrengenden Trainings- oder Wettkampftages. Die beruhigende Wirkung sorge für eine "positive Enthemmung", um mit sportlichen Herausforderungen fertig zu werden.
    Die Sorge um Doping war in der NBA allerdings nie die treibende Kraft. Ausgangspunkt war ein Imageproblem, ausgelöst von spektakulären Fällen in den siebziger und achtziger Jahren, als Spieler von der Polizei mit Kokain erwischt wurden. Aus demselben Grund verbot die Liga Marihuana und zurrte sukzessive im Rahmen der tarifvertraglichen Verhandlungen mit der Spielergewerkschaft das Test-Programm fest.
    Die Profis rauchten weiter - heimlich. Doch gleichzeitig änderte sich der gesetzliche Rahmen. 29 Bundesstaaten lassen inzwischen Marihuana für medizinische Zwecke zu. Neun haben den Konsum komplett freigegeben.
    Im amerikanischen Sport tut man sich schwer. Trotz starker Argumente für den therapeutischen Einsatz als Schmerzmittel anstelle abhängig machender sogenannter Opioide. Etwa in der Knochenmühle NFL, die Marihuana ebenfalls verboten hat.
    Sterotype gegen Schwarze?
    Matt Barnes hat einen Verdacht. Das Thema zehrt seiner Meinung nach unterschwellig von einer sterotypen Vorstellung einer ganzen Gruppe von Sportlern.
    "Das ist eine Droge, mit der ein Klischee über schwarze Athleten geprägt wird. Wir sind die einzige Liga, in der viermal pro Saison willkürlich darauf getestet wird. Wir werden getestet, weil sie wissen, dass wir gerne kiffen."
    David Stern, der ehemalige Commissioner der NBA.
    David Stern, der ehemalige Commissioner der NBA. (EPA)
    Dass Umdenken möglich ist, demonstrierte der ehemalige Commissioner der NBA, David Stern, im letzten Jahr. Er hat seine strikte Anti-Haltung von einst längst revidiert. Unter anderem wegen der wachsenden Belege des therapeutischen Werts von Cannabis. Stern sagte Harrington in einem Gespräch, das der für einen Dokumentarfilm aufzeichnete:
    "Wir sollten den Manteltarifvertrag ändern und euch das gestatten, was in eurem Bundesstaat legal ist. Die Ligen sollten eine Führungsrolle übernehmen."
    In jenen Sportarten, die sich nach den Vorschriften der Welt-Anti-Dopingagentur richten, könnte eine solche Entwicklung noch länger auf sich warten lassen. Die WADA führt die sogenannten natürlichen Cannabinoide und deren Wirkbestandteil THC, der dafür sorgt, dass man von einem Joint high wird, als Dopingmittel. Ausgenommen ist nur der Wirkstoff Cannabidiol, kurz CBD, der entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit wirkt.
    Der Doping-Experte und Pharmakologe Professor Dr. Fritz Sörgel umriss im Gespräch mit dem Deutschlandfunk den Status Quo so:
    "Wenn wir akzeptieren, dass im Sport Schmerz zur Hochleistung dazugehört, dann müsste man natürlich fast überlegen, ob man nicht sagt: Gerade dann könnte es zugelassen werden. Damit die Sportler nicht auf die Opioide zugreifen müssen, beziehungsweise auf die starken Schmerzmittel vom nichtsteroidalen Typ. Ein Thema, dass uns in der Pharmakologie vor große Fragen stellt. Was es für die WADA nicht ganz einfach macht: dass in verschiedenen Ländern, das ist auch kulturell bedingt, unterschiedliche Schmerzmittel eingesetzt werden. Das Drama in den USA mit den Opioiden, das haben wir in Deutschland ja nicht annähernd so."