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Nephrologen streiten über Eculizumab

Medizin. - Während der EHEC-Epedemie brachte ein US-Unternehmen das Antikörper-Präparat Eculizumab auf den Markt. Dieses bekamen vor allem jene Patienten, bei denen der Austausch des Blutplasmas nichts mehr zu bewirken schien. Nun ist nun ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob das Medikament tatsächlich etwas bewirkt hat.

Von Michael Engel | 26.04.2012
    Prof. Rolf Stahl ist voll des Lobes: Eculizumab – so das vorläufige Ergebnis seiner Studie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf – sei im Kampf gegen EHEC erfolgreich: Bei 95 Prozent der 198 Studienteilnehmer verbesserte sich der Gesundheitszustand.

    "Bei einer Interimsanalyse, die wir nach acht Wochen gemacht haben, hat man gesehen, dass alle Patienten von der Dialyse weg waren, die vorher an der Dialyse waren. Dass sich die Blutplättchen innerhalb von wenigen Wochen normalisiert hatten und dass sich auch bei nahezu 90 Prozent der Patienten die schwersten neurologischen Störungen deutlich verbessert hatten."

    Normalerweise werden Studien so angelegt, dass man eine Patientengruppe mit dem neuartigen Präparat behandelt, und die Ergebnisse dieser Behandlung mit Patienten vergleicht, die entweder mit einem Placebo oder in herkömmlicher Weise versorgt werden.

    "Wir waren aber bei der Schwere der Erkrankung davon überzeugt, dass es nicht möglich ist, diese Patienten in einer sogenannten zweiarmigen, kontrollierten Studie zu untersuchen."

    Dennoch, es gab eine "Vergleichsgruppe": Es waren Patienten aus früheren EHEC-Epidemien, die nur einen Plasmaaustausch erhielten, weil "Eculizumab" noch nicht existierte. 30 Prozent der Betroffenen, so die historischen Daten, trugen Schäden davon: Darunter Niereninsuffizienz, neurologische Schäden und Bluthochdruck. Demgegenüber war die Behandlung mit Plasmaaustausch und Eculizumab im vergangenen Jahr deutlich überlegen.

    Prof. Jan Kielstein, Nierenexperte an der Medizinischen Hochschule Hannover, bewertet diesen Vergleich kritisch: Die intensivmedizinischen Standards haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, so sein Argument. Auch die EHEC-Erreger waren bei den Epidemien der Vergangenheit nicht identisch. Ein Vergleich sei daher problematisch:

    "Die Kernfrage ist, ob dieses sehr positive Abschneiden der Patienten, ob sich dieses auch so im Vergleich zu Patienten darstellt, die im Jahr 2011 nur mit Plasmaaustausch behandelt worden sind."

    Deswegen wertete Jan Kielstein das "Register" der "Deutschen Gesellschaft für Nephrologie" aus. Besonders interessant für ihn waren Patienten, die von EHEC schwer betroffen waren, aber nur einen Plasmaaustausch erhielten. Darunter eine Frau, die eine zusätzliche Behandlung mit Eculizumab sogar ausdrücklich ablehnte. Trotzdem wurde sie vollkommen gesund.
    Ohne "Eculizumab. Es war zwar nur eine Handvoll Patienten, die einen Vergleich mit der Eculizumab-Gruppe ermöglichte, doch das Ergebnis war klar: Es gebe keinen statistisch sicheren Unterschied beim Behandlungserfolg, sagt Prof. Reinhard Brunkhorst, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie und Mitautor der hannoverschen Studie. Nun herrscht Zoff unter den Nephrologen.
    "Nein, wir kommen so nicht weiter. Und was wir fordern müssen, eigentlich ist eine prospektive Studie für die Zukunft, dass man jetzt schon ein Studienprotokoll entwirft und dann in Zukunft die Therapien wirklich sauber miteinander vergleicht. Das kann man jetzt tun, weil es keine eindeutige Überlegenheit irgend einer Therapie gibt."

    ... so Reinhard Brunkhorst. Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie will derzeit keine Behandlungsempfehlung für Eculizumab geben. Ohne eine kontrollierte Studie bleibt auch der Blutplasma-Austausch eine Therapieoption.

    In den Augen von Rolf Stahl in Hamburg hingegen ist darüber hinaus noch ein Medikament nötig, um Patienten mit dem Hämolytisch-urämischen Syndrom zu heilen: Und das ist Eculizumab.