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Netzpolitik.org
"Keine Notwendigkeit für weitere Entlassungen"

Für weitere personelle Konsequenzen in der Affäre um Netzpolitik.org bestehe keine Notwendigkeit, sagte die SPD-Politikerin Eva Högl im DLF. Die Anzeigen gegen Justizminister Maas wegen Strafvereitelung im Amt seien unbegründet. Er habe nicht auf die Ermittlungen eingewirkt.

Eva Högl im Gespräch mit Sandra Schulz | 07.08.2015
    Die SPD-Politikerin Eva Högl.
    Die SPD-Politikerin Eva Högl. (dpa/picture-alliance/ Bernd von Jutrczenka)
    "Herr Maas hat als Justizminister ein externes Weisungsrecht gegen den Generalbundesanwalt." Und es habe sich gezeigt, dass dieses Weisungsrecht gut funktioniere. "Maas geht damit sehr sorgfältig um", sagte Eva Högl im DLF. Nach öffentlicher Kritik von Generalbundesanwalt Range sei Maas keine andere Wahl geblieben, als ihn in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.
    Die Ermittlungen seien dadurch aber nicht beeinträchtigt worden, betonte die SPD-Politikerin. Deshalb entbehrten die Anzeigen gegen Maas wegen Strafvereitelung im Amt jeder Grundlage. Högl erklärte weiter, ihrer Ansicht nach bestehe keine Notwendigkeit für weitere Entlassungen. Es müsse jetzt erst einmal Ruhe in die Sache reinkommen.
    Högl verteidigte die Haltung der Regierungsfraktionen, wegen der Affäre um Ermittlungen gegen den Blog Netzpolitik.org keine Sondersitzung des Bundestags-Rechtsausschusses anzusetzen. Maas habe die Obleute umfassend über den Hergang und seine Gründe, Range zu entlassen, informiert. Deshalb sei eine Sitzung nicht dringlich gewesen. Nach der Sommerpause werde im Ausschuss über die Affäre beraten werden.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Einen ordentlichen Batzen Spendengelder und einen hübschen neuen Wandschmuck, nämlich das eingerahmte Schreiben des Generalbundesanwalts über die Ermittlungen wegen Landesverrats, und natürlich auch ganz viel Aufmerksamkeit, das haben Markus Beckedahl und André Meister von Netzpolitik.org auf der Habenseite zu verbuchen, aber noch immer sind sie in dem Verfahren um Landesverrat formell Beschuldigte, und das ist jetzt nicht unbedingt ein beneidenswerter Status. Nach der Entlassung von Generalbundesanwalt Ranger Anfang der Woche, ist der Fall netzpolitik.org natürlich noch nicht ausgestanden, und jetzt hat sich auch der von Justizminister Maas entlassene Bundesgeneralanwalt Range öffentlich zu Wort gemeldet.
    Iin Berlin hat mitgehört die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zuständig für Innen- und Rechtspolitik, Eva Högl. Guten Morgen!
    Eva Högl: Schönen guten Morgen, Frau Schulz!
    Schulz: Die Grünenfraktion und auch die Linke, die wollten eine Sondersitzung des Rechtsausschusses, um diese Vorwürfe zu klären oder der Aufarbeitung nachzugehen. Ihre Fraktion und die Union wollten das nicht – warum nicht?
    Högl: Wir hielten eine Sondersitzung des Rechtsausschusses zum jetzigen Zeitpunkt für nicht erforderlich. Grundsätzlich genehmigt unser Parlamentspräsident Sondersitzungen auch nur, wenn unmittelbarer parlamentarischer Handlungsbedarf besteht, und hier war es so, dass der Bundesjustizminister Heiko Maas die Obleute, also die Sprecher der jeweiligen Fraktionen, umfassend informiert hat über den Vorgang, wer wusste wann was, und die Obleute der Koalitionsfraktion deshalb der Auffassung waren, dass eine Sitzung entbehrlich ist.
    Schulz: Also dringlich finden Sie das jetzt alles in allem nicht?
    Högl: Das ist natürlich dringlich, aber deswegen hat der Justizminister die Obleute umgehend informiert, er hat sie informiert über die Entlassung des Generalbundesanwalts Ranger, über seine Gründe, und er hat sie auch informiert über den Hergang des Sachverhaltes, also zu welchem Zeitpunkt er informiert war, welche Konsequenzen er daraus gezogen hat, und da waren die Obleute der Koalitionsfraktion mit diesen Informationen erst mal zufrieden.
    Das heißt nicht, dass, wenn der Bundestag wieder zusammentritt zur Haushaltswoche Anfang September, dann nicht im Rechtsausschuss natürlich auch noch mal über den Sachverhalt gesprochen wird.
    "Herr Range hat seine Entlassung provoziert"
    Schulz: Hat er Ihnen denn auch erklärt, warum, wenn dieser Vorgang so unerträglich ist, dieses Ermittlungsverfahren, warum er so lange dazu nichts gesagt hat?
    Högl: Das ist natürlich ein Punkt, der sorgfältiger diskutiert wird und der auch nicht ganz einfach ist. Der Bundesjustizminister hat ein externes Weisungsrecht über den Generalbundesanwalt, das ist auch richtig so, daran sollte auch nichts geändert werden, und er geht natürlich – das zeigt auch die Geschichte, wie damit umgegangen wird –, auch Heiko Maas geht damit sehr sorgfältig um, und ein Bundesjustizminister überlegt sich lange, ob er ein Weisungsrecht, ob er davon Gebrauch macht und den Generalbundesanwalt zu etwas anweist, und deswegen bezeichne ich das nicht als zögerlich, sondern als völlig korrektes Verhalten.
    Am Ende hat Herr Range natürlich seine Entlassung provoziert, indem er Heiko Maas vorgeworfen hat, damit in die Unabhängigkeit der Justiz eingegriffen zu haben, denn – das möchte ich noch mal betonen – die Staatsanwaltschaft gehört zur Justiz, aber ist nicht unabhängig – nur die Richter und Richterinnen sind unabhängig –, sondern die Staatsanwaltschaften unterliegen den Weisungen der jeweiligen Justizminister.
    Schulz: Warum ist Range denn gegangen, wegen seiner Äußerungen oder wegen seiner Verfahrensführung – gegangen worden?
    Högl: Herr Range hat in dieser Pressekonferenz in Karlsruhe, die wir ja alle zur Kenntnis genommen haben, dem Bundesjustizminister vorgeworfen, er würde, wenn er sein Weisungsrecht ausübt, in unerträglicher Art und Weise auf die Unabhängigkeit der Justiz einwirken und dort eingreifen in ein Ermittlungsverfahren, und das ist natürlich ein Vorgang, den kann ein Bundesjustizminister nicht laufen lassen, sondern da war klar – das wurde ja auch so kommentiert, Range hätte direkt sagen können, bitte entlass mich –, das war natürlich klar, dass das so nicht geht, und deswegen ist Herr Range in den Ruhestand entlassen worden.
    "Jetzt muss man auch mal ein bisschen Ruhe in die Sache bringen"
    Schulz: Und Sie haben jetzt gerade gesagt, also Ihre Fragen, die sind jetzt eigentlich erst mal beantwortet. Warum kommen denn dann so scharfe Angriffe aus der SPD an den Verfassungsschutzchef und auch an den Innenminister – ist das da reine Parteipolitik?
    Högl: Ich will Ihnen ganz offen sagen, ich bin der Auffassung, dass jetzt überhaupt keine Notwendigkeit besteht, weitere Entlassungen oder Rücktritte oder sonstiges zu fordern, sondern jetzt muss man auch mal ein bisschen Ruhe in die Sache bringen, denn es hat sich gezeigt, dass das mit dem Weisungsrecht gut funktioniert, es hat sich auch gezeigt, dass es richtig ist, dass der Bundesjustizminister politisch verantwortlich ist, und dass Ermittlungsverfahren grundsätzlich unabhängig geführt werden, aber zu einem gewissen Zeitpunkt der Bundesjustizminister dann auch das kommentieren kann und entsprechend eingreifen kann.
    Was der ehemalige Generalbundesanwalt Range jetzt sagt, dass er vermeiden wollte, sich strafbar zu machen, was Frau Geuther eben berichtet hat, das will ich ganz offen sagen, das ist natürlich völlig falsch und entbehrt jeder Grundlage, denn das hieße ja, dass dann immer ermittelt werden muss.
    Ein Generalbundesanwalt hat aber die Aufgabe, wie jeder andere Staatsanwalt und jede Staatsanwältin, sorgfältig zu prüfen, erstens, ob Ermittlungen eingeleitet werden und dann im weiteren Verlauf auch Anklage erhoben wird. Das hat Range hier ganz offensichtlich nicht ausreichend gründlich gemacht.
    "Für Strafvereitelung im Amt gibt es überhaupt keinen Grund"
    Schulz: Gleichzeitig gibt es jetzt ja auch die Anzeige gegen Maas, also der steht ja Kritik aus zwei Richtungen, ist er ja ausgesetzt – es gibt diese Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt, das heißt, wenn da jetzt erst mal in aller Ruhe ermittelt würde und die Verfahren sich hinziehen würden über Monate, so wie es ja im Fall von Netzpolitik.org ist – das Ermittlungsverfahren läuft im Moment ja immer noch –, das wäre dann auch okay.
    Högl: Für Strafvereitelung im Amt gibt es überhaupt keinen Grund, also das ist völlig aus der Luft gegriffen und, wenn ich das mal so offen sagen darf, ein großer Quatsch, denn Strafvereitelung im Amt ist immer nur dann einschlägig, wenn jemand unmittelbar mit Ermittlungen betraut ist als Amtsträger. Herr Maas hat als Bundesjustizminister ein externes Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt, das ist was völlig anderes, und er hat Ermittlungen hier überhaupt nicht behindert oder gestoppt oder sonst was – im Übrigen läuft das Ermittlungsverfahren ja noch –, und die Generalbundesanwaltschaft muss da natürlich auch prüfen, wie das fortgesetzt wird oder ob das eingestellt wird.
    Schulz: Die Innen- und Rechtspolitikerin Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion heute hier bei uns im Deutschlandfunk. Vielen Dank!
    Högl: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.