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Neue Amtszeit
Orban startet mit Verfassungsänderung

Viktor Orban wird heute offiziell seine vierte Amtszeit als Ministerpräsident Ungarns beginnen. Dafür hat er sich viel vorgenommen. So will Orban einen Passus der ungarischen Verfassung ändern, wonach sich "keine fremde Bevölkerung" im Land ansiedeln dürfe.

Von Clemens Verenkotte | 08.05.2018
    Shakehands zwischen Orban und Ader vor ungarischen Flaggen
    Der ungarische Präsident Janos Ader hat Ministerpräsident Viktor Orban erneut mit der Regierungsbildung beauftragt (imago / Xinhua)
    Für den 54-jährigen Ministerpräsidenten ist es schon bald Routine: Nach deutlich gewonnenen Wahlen erhält er den Auftrag der Regierungsbildung vom Staatspräsidenten. So auch jetzt - am Vortag der heutigen konstituierenden Sitzung des Parlaments, in dem seine Fidesz-Partei über eine verfassungsändernden Zwei-Drittel-Mehrheit verfügt:
    "Zum vierten Mal habe ich die Aufforderung bekommen, Ungarns neue Regierung zu formieren. Ich habe es mit Ehren angenommen und mich bei Staatspräsident János Àder bedankt. Ich habe Herrn Staatspräsidenten versprochen, dass ich Ungarn mit Hingabe und Treue dienen werde."
    Aus 100 Mitarbeiten werden 1.500
    Nach seiner ersten Amtszeit von 1998 bis 2002, hat Viktor Orban seit seiner Rückkehr an die Regierungsmacht im Jahr 2010 das Büro des Ministerpräsidenten politisch nicht mehr verlassen. Aus der vor acht Jahren mit knapp 100 Mitarbeitern noch überschaubaren Staatskanzlei formte Orban inzwischen eine Regierungszentrale mit 1.500 Mitarbeitern. Und dabei soll es nach den Vorstellungen des Ministerpräsidenten nicht bleiben: Er wolle, so kündigte er bereits an, eine effiziente, umfassende Kontrolle über die Ministerien ausüben und die Arbeit der Geheimdienste bündeln:
    "Es wird eine starke Zentrale sein, die direkt mir untergeordnet sein wird. Wir können es Regierungskanzlei nennen. Hier wird die Koordinierung der Verwaltungsstaatsekretäre der Ministeriums stattfinden. Wir werden hier eine Regierungsamt für das Controlling haben. Es wird die finanzielle Kontrolle der Regierung ausüben. Und es wird hier eine gemeinsame Zentrale für die Nachrichtendienste geben. Dies wird es uns erlauben, dass Ungarn im starken internationalen Wettbewerb bessere Informationen und nachrichtdienstliche Erkenntnisse vorzeigen kann."
    Ungarn soll Ungarn bleiben
    Für seine neue Amtszeit hat sich Viktor Orban viel vorgenommen: Ungarn solle Ungarn bleiben, das stehe für ihn an oberster Stelle für die nächsten vier Jahre, betont der Ministerpräsident. Mit der Zwei-Drittel-Mehrheit seiner Fidesz-Partei steht Orban nun der Weg frei, das in die Tat umzusetzen, was er bereits im Oktober 2016 ins Parlament eingebracht und aufgrund zweier fehlender Stimmen nicht hatte verabschieden lassen können: Die Aufnahme eines Passus in die ungarische Verfassung, wonach sich "keine fremde Bevölkerung" in Ungarn ansiedeln dürfe.
    Sobald diese und andere Klauseln in der Verfassung einmal aufgenommen worden wären, fiele es dem Ministerpräsidenten europapolitisch wesentlich einfacher, dem Druck der EU-Kommission und der meisten EU-Staats- und Regierungschefs standzuhalten: Ungarn könne keine Flüchtlinge aufnehmen, da dies die Verfassung dann untersage. – Gestern, bei der Annahme des Regierungsbildungsauftrags durch Staatspräsident Ader, hob Viktor Orban hervor:
    "Die wichtigste Aufgabe der neuen Regierung wird meiner Meinung nach die Bewahrung der Sicherheit und christlichen Kultur Ungarns sein. Ich habe versprochen, dass ich alles durchsetzen werde, um den Willen der Ungarn voll zu entsprechen, der in den Wahlen vom 8. April zum Ausdruck gekommen ist. Die Zweidrittelmehrheit werde ich zu Dreidritteln nutzen, das heißt, um allen Bürger Ungarns zu dienen."
    Wirtschaft im Aufwind
    Wirtschaftlich befindet sich Ungarn in einem deutlichen Aufwärtstrend: Das Wirtschaftswachstum hat sich von 2016 auf 2017 auf 4,2 Prozent verdoppelt. Allerdings, und dies stellt der jüngste Konjunkturbericht der deutsch-ungarischen Industrie- und Handelskammer fest: Der Fachkräftemängel stelle unverändert eines der - so wörtlich – "brennendsten Probleme für die Unternehmen in Ungarn dar."
    Mit der aktuellen Situation seien über 70 Prozent der befragten Manager unzufrieden. Unzufrieden mit der Perspektive einer weiteren Orban-Amtszeit sind Teile der ungarischen Wähler sowie die Oppositionsparteien. Seit dem Wahlsonntag kommt es jeden Samstagnachmittag in Budapests Innenstadt zu Protestkundgebungen: Mehrere Zehntausende Menschen versammelten sich jeweils bei den Demonstrationen. Sprechchöre wie "Orban hau ab", oder "Demokratie" schallten durch die Straßen.
    Auch heute wollen Demonstranten sowie die rechtnationale Jobbik-Partei in der Nähe des weiträumig von Sicherheitskräften abgeschirmten Parlaments demonstrieren.