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Sie wollen doch nur spielen, malen und jagen

Einen Blick hinter die Kulissen einer Filmproduktion wirft die deutsche Komödie "Casting". Das Künstlerporträt "Gauguin" erinnert an den französischen Maler und seine Jahre auf Tahiti. Von den Ureinwohnern Namibias, dem Volk der Ju/’Hoansi, handelt der Dokumentarfilm "Ghostland – Reise ins Land der Geister".

Von Jörg Albrecht |
    Alles für den Moment. Nicolas Wackerbarths Filmkomödie über das "Casting" läuft an.
    Alles für den Moment. Nicolas Wackerbarths Filmkomödie über das "Casting" läuft an. (picture-alliance / dpa / Ina Fassbender)
    Casting von Nicolas Wackerbarth
    Die Bühnenbildner legen letzte Hand an. Nur noch wenige Tage - dann sollen in den Hallen des Filmstudios die Dreharbeiten für eine Fernsehproduktion beginnen: eine Neuverfilmung von Fassbinders "Die bitteren Tränen der Petra von Kant". Obwohl nicht mehr viel Zeit ist bis zur ersten Klappe, hat sich die Regisseurin - eine Newcomerin, die vom Dokumentarfilm kommt - noch nicht für die Besetzung der weiblichen Hauptrolle entscheiden können. Vier erfahrene Schauspielerinnen stehen zur Wahl. Sie alle müssen nacheinander zu einem Casting antreten. Daraus hat der Berliner Regisseur Nicolas Wackerbarth einen Film gemacht.
    "Ja, sie hat sich wirklich gewünscht dunkle Haare, nicht rote Haare. Es geht darum, dass du noch mal 'ne Härte bekommst."
    "Das bringe ich ja mit. Sie hätte ja auch mal das Telefon in die Hand nehmen können."
    Wenn es wirklich so ist, wie Nicolas Wackerbarth über seinen Film sagt, dass sich Castings oft schon in dem Moment entscheiden, wenn jemand zur Tür hereinkommt . Wenn das wirklich so ist, dann liegen die peinlichen und bitterkomischen Szenarien, die Schauspieler, Regisseure und Produzenten regelmäßig miteinander durchleben müssen, auf der Hand. Der perfekte Stoff also für eine wunderbare Komödie über die Filmindustrie. Und genau die ist "Casting" auch geworden.
    "Sagen Sie mir bitte: Machen wir das?"
    "Kann ich jetzt so ... Ist ja nicht nur meine Entscheidung."
    "Doch. Ist Ihre Entscheidung!"
    "Es ist einfach so, dass mehrere Redakteure mitreden."
    "Das sagt ihr immer mit den Redakteuren. Das stimmt gar nicht."
    Die eine Seite buhlt um die Rolle, die andere rettet sich in Ausflüchte. Wie der Regisseur mit seinen improvisierten Dialogen die kleinen Selbstinszenierungen und Machtspielchen, Neurosen und Lebenslügen auffliegen lässt und dabei typische Verhaltensmuster entlarvt, ist gerade deswegen so amüsant, weil er nicht in einer einzigen Szene die Humorkeule auspackt oder seine Geschichte zur großen Satire aufbläst. Unterstützt wird er dabei von glänzenden Schauspielern wie Judith Engel, Andreas Lust und Corinna Kirchhoff. Nicht nur beim Casting hat Nicolas Wackerbarth alles richtig gemacht.
    "Casting": empfehlenswert
    Gauguin von Edouard Deluc
    "Es ist doch immer das Gleiche: die Jagd nach dem Geld. Ich sage euch Freunde, es ist Zeit zu verschwinden."
    Keine leeren Worte. Der Maler Paul Gauguin wird Frankreich und das bürgerliche Leben, das er so verachtet, aber auch seine Familie - er hat Frau und fünf Kinder - hinter sich lassen und nach Polynesien reisen.
    "Und dann in Tahiti brauchen wir kein Geld, Freunde. Wir fischen, ernten und jagen. Und wir malen. Wir malen."
    Es ist das Jahr 1891 und damit nur kurze Zeit nach dem Ende seiner Freundschaft mit Vincent van Gogh. Alles das, was in Vincente Minellis Film von 1956 mit Anthony Quinn als Gauguin zu sehen war, spart der französische Regisseur Edouard Deluc jetzt aus. Er konzentriert sich völlig auf die erste von insgesamt zwei Reisen des Malers nach Tahiti.
    Der von Gauguin selbst verfasste Reisebericht Noa Noa dient Deluc dabei als Vorlage für seine Aussteigergeschichte.
    "Wie fühlen Sie sich?"
    "Ich fühle mich so gut wie noch nie. Ich male von früh bis spät. Ich lebe im Rhythmus meiner Umgebung. Ich glaube sogar sagen zu können, ich war noch nie so inspiriert."
    Das lässt sich auch über Vincent Cassel sagen, der Gauguin als Getriebenen spielt. Nicht ganz so inspirierend ist allerdings der Film geraten. Die Selbstverwirklichung des Künstlers im vermeintlichen Paradies ist über weite Strecken eher sprödes Arthouse-Kino, serviert in gepflegten Bildern und unterlegt mit schöner Musik. Zu unentschlossen schwankt der Film zwischen Aussteigerromantik und einer authentischen Schilderung der Kolonialzeit.
    "Gauguin": zwiespältig
    Ghostland - Reise ins Land der Geister von Simon Stadler
    Sie machen Feuer wie vor tausenden Jahren. Allerdings nur noch für Touristen. Die sind die einzige Einnahmequelle für das Buschvolk der Ju/’Hoansi in Namibia, seitdem ihnen die Jagd per Gesetz verboten ist. Jetzt zeigen die ehemaligen Nomaden den Namibia-Reisenden ihre Bräuche.
    Es dauert nicht lange und Filmemacher Simon Stadler leitet in seinem Dokumentarfilm "Ghostland" nach den ersten Eindrücken vom Leben der namibischen Ureinwohner einen interessanten Rollentausch ein. Aus der Touristenattraktion werden selbst Touristen, die in das "Land der Geister" reisen. Gemeint ist die westliche Welt, konkret Frankfurt am Main, wohin der Deutsch-Namibier Werner vier Jo/’Hoansi mitnimmt, darunter auch den Familienvater Gao.
    Er sei dankbar für die Chance, diese andere Welt zu sehen. Erzählt er. Denn wie könnte ein Ju/’Hoansi jemals diesen Schritt machen? Auf der anderen Seite sei er traurig, seine behinderte Frau mit den Kindern allein zu lassen. Aber es sei bereits mit der Familie besprochen: Gao geht nach Europa. Die Familie werde stolz sein und das sei gut.
    Der Perspektivwechsel macht den besonderen Reiz des dokumentarischen Roadmovies aus. Eines der ältesten Jagdvölker der Welt trifft auf den modernen Mitteleuropäer und hält ihm den Spiegel vor. Dieses Aufeinanderprallen der Kulturen nutzt Simon Stadler erfreulicherweise aber nicht für eine zivilisationskritische Abrechnung. Ihm genügt die amüsierte Betrachtung.
    "Ghostland - Reise ins Land der Geister": empfehlenswert