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Neuer Ansatz zur Behandlung chronischer Wunden

Medizin. - Wunden, die nicht mehr von selbst heilen können, gehören zu den ungelösten Problemen eines jeden Chirurgen. Bisher ist eine Hauttransplantation oft die einzige wirklich funktionierende Option. Nun lässt eine deutlich weniger invasive Technik von Münchener Forschern hoffen.

Von Martina Preiner | 24.07.2012
    Man bereitet das Abendessen zu, würfelt die Zwiebeln, passt kurz nicht auf und schon rutscht das Messer ab. Eine kleine Verletzung ist schnell passiert. Binnen weniger Minuten stoppt der Körper die Blutung jedoch, nach einigen Wochen erinnert schlimmstenfalls eine kleine Narbe an den Schnitt. Fallen die Läsionen größer aus, beispielsweise bei Verbrennungen, kann es sehr schnell zu Problemen bei der Heilung kommen – aus Verletzungen werden dann chronische Wunden. Oftmals ist eine aufwendige Hauttransplantation die einzige Möglichkeit, die Wunde zu schließen.

    "Deshalb sind wir daran interessiert, die Grundlagen der Wundheilung besser zu verstehen, um diese optimieren zu können, um möglicherweise den Patienten die Operation ersparen zu können."

    Arndt Schilling leitet die Arbeitsgruppe für experimentelle plastische Chirurgie der TU München. Hier wird erforscht, wie Wunden heilen und warum sie es in manchen Fällen eben nicht tun. Einen wichtigen Hinweis darauf entdeckte Schilling schon in seinem alten Forschungsgebiet.

    "Ich komme aus der Knochenforschung. Und da ist mir aufgefallen, dass Knochen sehr gut heilt, hingegen Knorpel überhaupt nicht. Und der große Unterschied – oder ein großer Unterschied – zwischen Knochen und Knorpel ist, dass im Knochen Blutgefäße sind und im Knorpel nicht."

    Auch bei der Wundheilung spielen neu gebildete Blutgefäße eine entscheidende Rolle. Bei chronischen Wunden schläft die Gefäßbildung häufig ein, wodurch die Wunde nicht mehr richtig versorgt werden kann. Eine aktuelle Theorie besagt, dass sich die Zellen um eine immer offene Wunde an den Zustand gewöhnen. Sie stellen nicht mehr die Substanzen her, die zur Gefäßbildung anregen. Dem könnte man entgegensteuern, indem man diese Stoffe, auch Faktoren genannt, von außen hinzu gibt. Die Idee ist nicht neu – aber in der Praxis alles andere als einfach. Bisher wurden erst einzelne Faktoren identifiziert und dann künstlich produziert.

    "Es ist aber eine Vielzahl von Faktoren, die eine Rolle spielt, die hoch und runter reguliert werden – abhängig von der Zeit der Wundheilung. Und unser Ansatz ist, dass wir alle Faktoren gewinnen und alle gleichzeitig geben und damit möglichst nah an der natürlichen Wundheilung sind."

    Deswegen arbeitet Schilling mit Kollegen des TU-Klinikums Rechts der Isar zusammen. Das Ziel: Patienten soll mit ihrer eigenen Wundheilung geholfen werden. Dazu werden ihnen Haut- und Stammzellen entnommen. Den Zellen wird dann im Labor eine Verletzung vorgegaukelt, worauf sie ihren Cocktail an Wundheilungsfaktoren ausschütten.
    Dafür müssen die Forscher einfach die Sauerstoffzufuhr abdrehen ...

    "...und in dem Moment denken die Zellen, die Blutversorgung wäre abgeschnitten, was ja typischer Weise bei einer Wunde passiert, dass man die Blutgefäße verletzt. Und die denken dadurch, dass sie in einer Wundsituation sind und fangen an diese Faktoren zu produzieren."

    Das nächste Problem, dass Arndt Schilling und seine Kollegen lösen mussten, ist die extrem kurze Halbwertszeit der Faktoren. Teilweise werden sie im Körper innerhalb von Minuten abgebaut. Sie müssen also konserviert werden, um einem Patienten helfen zu können. Schillings Mitarbeiter Hector Hadjipanayi brachte hierfür aus England eine Technik nach München, mit der sich Zellen und ausgeschüttete Faktoren in dem körpereigenen Bindegewebsstoff Kollagen fangen lassen.

    "Wir haben zusammen diese Technik weiterentwickelt um die Zellen wieder los zu werden und tatsächlich nur die Faktoren nutzen zu können."

    Kollagen lässt sich in den Körper einspritzen und verfestigt sich dort. Die darin gespeicherten Stoffe könnten auf diese Wiese nach und nach abgegeben werden. Bis zu drei Monate sind die so konservierten Faktoren so einsetzbar und lösen die Gefäßbildung aus. Bisher allerdings nur im Labor.

    "Man kann im Reagenzglas kleine Gefäße herstellen, und über Zugabe dieser Faktoren schauen ob dadurch mehr Gefäße hergestellt werden im Reagenzglas."

    Zum einen müssen nun klinische Studien in Auftrag gegeben werden. Parallel dazu arbeitet Arndt Schilling aber auch zusammen mit Ingenieuren daran, die Technik zu vereinfachen und zu automatisieren.

    "Meine Vision ist, das System so weiter zu entwickeln, dass es im Krankenhaus liegt wie eine Spritze und direkt verwendet werden kann."